Reals Trumpf im Final-Four-Clasico

Von Max Marbeiter
Nikola Mirotic (l.) wechselte 2006 zu Real Madrid
© getty

Nikola Mirotic zählt zu den größten Talenten im europäischen Basketball und inzwischen auch zu den Leistungsträgern bei Real Madrid. Im Euroleague Final Four in London (Fr., 18 Uhr im LIVE-TICKER) bietet sich dem Big Man nun die Chance, erstmals seit 18 Jahren wieder Europas Basketball-Krone nach Madrid zu holen. Dank seines herausragenden Talents hat Mirotic auch bereits die Aufmerksamkeit der NBA auf sich gezogen, doch ein möglicher Wechsel gestaltet sich kompliziert.

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Jeder Sport, jedes Land besitzt seine eigene ganz große Bühne. Ob auf Grund langjähriger Konkurrenz, geographischer Nähe, sich überschneidender Interessen oder gar politisch divergenter Ansichten - neben dem Erfolg lassen solche Aspekte ein Ereignis über seine rein sportliche Bedeutungskraft hinauswachsen, verleihen ihm einen tieferen Sinn.

In Spanien verschmelzen all diese Facetten sportübergreifend zu einem einzigen Begriff, dem Clasico. Real Madrid gegen den FC Barcelona. Die spanische Hauptstadt, die Königlichen auf der einen, das Zentrum der stolzen Katalanen auf der anderen Seite. Treffen diese beiden Teams aufeinander, gehen die Emotionen weit über das simple Zusammenspiel aus Erfolg und Misserfolg, aus Sieg oder Niederlage hinaus.

Entsprechend gibt es für einen 19-Jährigen sicherlich einfachere Duelle, sein Profidebüt auf Europas größter Basketballbühne zu geben. Doch Nikola Mirotic wird dennoch keinesfalls unglücklich gewesen sein, als er am 3. April 2009 gegen Barcelona Regal erstmals in der Euroleague für die erste Mannschaft von Real Madrid auflief - selbst wenn er damals nur einen Wurf nahm, den er auch noch vergab, und lediglich 2 Minuten auf dem Court stand.

In vier Jahren zum Leistungsträger

Gut vier Jahre sind seither vergangen und aus dem Debütanten von einst ist ein absoluter Leistungsträger Reals geworden. 11,7 Punkte und 5,5 Rebounds legt Mirotic in dieser Euroleague-Saison in 25 Minuten auf und trifft dabei starke 48,2 Prozent seiner Würfe aus dem Feld (56,5 Prozent FG, 32 Prozent 3er). Auch dank des gebürtigen Montenegriners steht Madrid zum zweiten Mal in drei Jahren unter den besten vier Teams Europas.

Dabei zählt der Big Man mit gerade einmal 22 Jahren auch heute noch zu den jüngsten, gleichzeitig jedoch dienstältesten Spielern im Kader Reals. Bereits 2006 wechselte Mirotic im Alter von 15 Jahren aus Podgorica in die Nachwuchsabteilung der Spanier und spielt seither beinahe ununterbrochen für die Königlichen.

Einzig 2009 lieh ihn Real an CD Maristas Palencia aus. Mirotic sollte Spielpraxis sammeln - und tat dies durchaus gewinnbringend. Denn mit seiner Rückkehr etablierte sich Mirotic endgültig in Reals erster Mannschaft. So nachhaltig, dass er Ende 2010 sogar Jorge Garbajosa aus der ersten Fünf verdrängte.

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Von Routiniers profitiert

Gleichzeitig profitierte Mirotic aber vom Routinier: "Ich habe von Garbajosa gelernt, aber auch von Felipe Reyes", sagt der 22-Jährige zu SPOX. "Sie alle haben mein Spiel auf unterschiedliche Arten beeinflusst. Alles ist ein Mix aus deinem Talent und deiner Lernfähigkeit. Ein Spieler, der nicht bereit ist, zu lernen, ist auch kein guter Spieler."

In der Tat lässt Mirotics Lernbereitschaft offensichtlich kaum Wünsche offen, gilt er inzwischen doch als eines der größten Talente im europäischen Basketball. 2011 und 2012 gewann er den Euroleague-Rising-Star-Titel für den besten Spieler unter 22 Jahren - als erster Spieler überhaupt zwei Mal in Folge. 2010 nahm er zudem die spanische Staatsbürgerschaft an und führte die U20 der Iberer im Jahr darauf mit 27 Punkten und 11 Rebounds im Schnitt zur Europameisterschaft.

Deshalb abzuheben oder sein Ego über den Teamerfolg zu stellen, gedenkt der 2,08 Meter große Forward allerdings nicht. "Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, ob ich gut spiele oder nicht. Es steht mir gar nicht zu, das zu beurteilen", erklärt er SPOX. "Ich gebe immer mein Bestes, um dem Team zu helfen. Das ist ohnehin am wichtigsten. Ich sehe mich nicht als Einzelnen. Außerdem kann ich mich immer noch weiter verbessern und muss noch hart arbeiten, um eines Tages der Spieler zu werden, der ich sein kann."

Vielseitiges Spiel

Einstellung und Arbeitseifer in allen Ehren, betrachtet man allerdings Mirotic' Spiel, so wirkt es für einen 22-Jährigen bereits relativ reif. Er trifft unglaublich sicher aus dem Feld, sogar von jenseits des Perimeter, und kann sich dazu seinen eigenen Wurf kreieren. Sein schneller erster Schritt gepaart mit einem für einen Big Man überdurchschnittlich guten Ballhandling, lassen ihn zudem regelmäßig effektiv in die Zone ziehen.

Mirotic' Körper merkt man das junge Alter jedoch noch an. Zwar kaschiert seine gute Beinarbeit immer wieder die mangelnde Athletik, unter dem Korb fehlt es für einen Power Forward allerdings noch an Kraft.

"Er kann schießen", bemerkte auch Grizzlies-Coach Lionel Hollins nach Memphis' Pre-Season-Spiel gegen Real im Herbst. "Er weiß, wie man spielt. Jetzt geht es aber darum, kräftiger zu werden und das NBA-Spiel zu lernen."

Chicago: Warten auf Mirotic

Die Zeit dazu sollte Mirotic definitiv haben. Zwar verpflichteten ihn die Chicago Bulls noch in der Draft-Nacht 2011 von den Houston Rockets, die den Big Man an 23. Stelle gezogen hatten. Allerdings hatte der seinen Vertrag in Madrid zuvor bereits bis 2016 verlängert.

Deshalb müsste der sechsmalige NBA-Champion gut 2 Millionen Euro an Real überweisen, um den 22-Jährigen tatsächlich verpflichten zu können. Zum einen darf ein NBA-Team jedoch lediglich 500 000 Dollar beisteuern, um einen Spieler aus seinem Vertrag zu herauszukaufen, zum anderen dürften die Bulls Mirotic in den ersten drei Jahren nach dem Draft nur unter Rookie-Konditionen verpflichten.

Heißt: Chicago kann Madrids Gehalt derzeit nicht ausstechen. Erst 2014 will Bulls General Manager Gar Forman deshalb einen neuen Versuch unternehmen, Mirotic nach Chicago zu holen.

Titelchancen mit Real

Wann und ob dieser überhaupt irgendwann in die USA wechselt, steht derzeit also noch keinesfalls fest. Der Fokus liegt vollständig auf Real. Dort bahnt sich nämlich eine geradezu historische Saison. 18 lange Jahre ist es her, dass die Königlichen sich auch Europas Krone aufsetzen durften, die spanische Liga hat Real seit 2007 nicht mehr gewonnen. Nun steht man im Final Four und auch in der Liga kurz vor Beginn der Playoffs auf Rang eins.

Nur mit einem Titel möchte sich Mirotic da selbstverständlich nicht zufrieden geben. "Ich könnte mich für keinen entscheiden", sagt er. "Das ist die Mentalität des Klubs und ich identifiziere mich damit komplett. Die Liga wäre für uns natürlich sehr wichtig, aber was soll man über die Euroleague noch sagen. Nennt mich egoistisch, aber ich möchte beide."

Final Four: Duell gegen Barcelona

Nun schreibt der Sport gerne seine eigenen Geschichten. Und so will es das Schicksal, dass Mirotic und Real auf ihrem Weg zu zwei Titeln auch gleichzeitig ein weiteres Kapitel im Endlos-Wälzer Clasico schreiben werden. Denn sowohl national als auch international gilt es ausgerechnet Barcelona Regal zu besiegen.

In den spanischen Playoffs ist ein Aufeinandertreffen der beiden Erzrivalen zwar noch nicht gesichert, doch in der Euroleague steht bereits im Halbfinale des Final Four ein erstes Duell an. "Wir sind bereit für ein extrem schweres Spiel", erklärt Mirotic gegenüber SPOX. "Wir alle wissen, dass Barcelona ein herausragendes Team besitzt, das immer auf höchstem Level spielt. Sie sind in Sachen Final Four sehr erfahren und werden versuchen, diese Erfahrung gegen uns zu nutzen. Außerdem kennen wir uns sehr gut."

Die ganz große spanisch-europäische Bühne ist also bereitet und Nikola Mirotic ist erneut dabei - diesmal jedoch mit Sicherheit länger, als nur 2 Minuten.

Das Euroleague Final Four im Überblick