Buschmann: "Jetzt bin ich sprachlos"

Von SPOX
Deutschland mit Spielmacher Hamann (r.) gewann die letzten beiden Tests gegen Puerto Rico
© Imago

Eine Generation voller Top-Talente oder doch nur überschätzt? Das DBB-Team polarisiert wie noch nie. Der Basketball-Talk der drei SPOX-Redakteure Philipp Dornhegge, Haruka Gruber und Florian Regelmann mit TV-Kommentator Frank Buschmann über die am Samstag startende WM in der Türkei, die Aussichten der Deutschen, den heimlichen Gold-Favoriten, die Gaucho-Celtics und eine Blamage für den Gastgeber.

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These: Pleiß, Harris und Benzing sind überschätzt.

Frank Buschmann: Es ist Unsinn zu behaupten, dass die Drei überschätzt sind. Sie vertreten die beste Generation seit Ewigkeiten und sind zweifelsfrei Riesentalente. Über Pleiß müssen wir nicht diskutieren, er hat den Körper und den Kopf, um es zumindest in die europäische Spitze zu schaffen. Und Harris hat sein Potenzial am College nachgewiesen. Nur bei Benzing bin ich hin- und hergerissen. Er wird nicht überschätzt, aber jetzt muss er den zweiten Schritt machen und sich vor allem physisch weiterentwickeln.

Florian Regelmann: Bei Pleiß bin ich mir nicht so sicher. Dass er etwas draufhat, ist klar, sonst hätten die Thunder ihn nicht am Draftabend verpflichtet. Aber bei ihm bin ich mir nicht sicher, ob er vom Kopf her ein Großer werden kann. Im SPOX-Interview hat er erzählt, dass er sich überhaupt nicht für die NBA interessiert und noch nie etwas von Nummer-eins-Pick John Wall gehört hat. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Roger Federer konnte überspitzt formuliert die Top 200 der Tennis-Weltrangliste rückwärts aufsagen, als er zehn Jahre alt war. Das drückt eine bedingungslose Leidenschaft für seinen Sport aus und das fehlt mir bei Pleiß. Von daher bin ich mir unschlüssig, ob Pleiß den ganz großen Durchbruch schafft.

Buschmann: Ich habe das Interview auch gelesen und mich über seine Aussage gewundert. Andererseits: Es mag viele überraschen, aber es gibt von Pleiß abgesehen etliche Basketballer, die keine Ahnung haben, was in der NBA und im Weltbasketball passiert. Ich denke eher, dass Pleiß generell nicht besonders gut beraten wird. Das sieht man an seinen vielleicht zu ehrlichen Statements - oder auch daran, dass sein Agent offenbar etwas gepennt hat vor dem Draft. Normalerweise hat man eine klare Zusage, in der ersten Runde gezogen zu werden, stattdessen wurde Pleiß erst als Erster der zweiten Runde ausgewählt. Das alles ändert jedoch nichts daran, dass er basketballerisch alles mitbringt. Er hat Größe, verfügt über einen guten Touch und ist beweglich.

Haruka Gruber: Kann mich Buschi nur anschließen. Sein Desinteresse an der NBA ist kurios, aber das ändert ja nichts am Talent, das in Pleiß schlummert. Was viele gerne vergessen: Er musste mit 18 ein halbes Jahr pausieren - und legt seit der Wiedergenesung unglaubliche Leistungssprünge hin. Vor einem Jahr hat er sich bei der EM von Griechenlands Sofoklis Schortsanitis rumschubsen lassen, nur zwölf Monate später behauptet er sich in den Vorbereitungsspielen gegen internationale Top-Center. Und Harris hat alle Anlagen, um es zumindest zum Rotationsspieler in der NBA zu schaffen, vielleicht vom Kaliber eines Luc Mbah a Moute. Bei Benzing bin ich mir nicht sicher. Seine Beweglichkeit und Motorik ist für einen 2,10-Meter-Mann überragend, aber er findet nicht den Mittelweg. Mal ballert er gewissenlos mehrere Dreier, dann taucht er für ein Viertel komplett ab. Ihm merkt man am meisten an, dass einem 21-Jährigen der Hype vielleicht nicht so gut tut.

Regelmann: Was mir bei Benzing zu denken gibt: Letztes Jahr hat Bundestrainer Dirk Bauermann noch davon geschwärmt, dass man ihn aus der Halle prügeln müsste, damit er mit dem Training aufhört. In diesem Sommer klingt jedoch bei Bauermann durch, dass Benzing härter an sich arbeiten soll. Das ist seltsam und sollte Warnung genug sein.

Bundestrainer Dirk Bauermann kritisiert die Top-Talente

Philipp Dornhegge: Über Benzing muss ich nicht mehr viel reden, es wurde schon alles gesagt. Am meisten begeistert mich Pleiß. Gegen die Türken beim Supercup in Bamberg hatte er am Anfang Probleme, aber kurz vor dem Ende war es beeindruckend, wie er erst Ömer Asik geblockt und dem kommenden Bulls-Center aus zehn Zentimetern ins Gesicht geschrien hat. Das zeigt, aus welchem Holz er geschnitzt ist und wie er sich auch mental entwickelt hat. Seine Einstellung und seine Defense sind klasse. Mehr Zweifel habe ich bei Harris. Er erinnert mich vom Spielertyp und von seiner Größe an Ademola Okulaja: ein Power Forward im Körper eines Small Forwards. Er ist nicht schnell genug für die Drei und nicht groß genug für die Vier. Aus den gleichen Gründen hat es schon bei Okulaja nie für die NBA gereicht.

Buschmann: Vielleicht ist es vorher von mir falsch rübergekommen: Ich setze ein Fragezeichen dahinter, ob es für Harris wirklich für die NBA reicht. Seine Athletik mag für deutsche Verhältnisse überragend sein, in den Staaten ist seine Explosivität aber nicht so einzigartig. Immerhin wird er am College richtig gefordert - anders als Benzing in Ulm. Benzing sollte unbedingt so schnell wie möglich wechseln, sonst wird es nichts. Ich weiß nicht genau, was er den ganzen Tag macht, Hanteln schaut er sich maximal nur aus der Entfernung an. Ich will den Ulmern nicht zu nahe treten, aber abends in der Sporthalle rumdaddeln und sonst nur zugucken, wie die Sonne auf- und untergeht, reicht nicht für europäische Spitzenklasse. Er muss täglich auf höchstem Niveau trainieren - das bieten in Deutschland jedoch nur Bamberg und Berlin. Bei den jungen Serben, Griechen und Litauern sieht man, wie wertvoll es ist, früh Erfahrung in der Euroleague zu sammeln.

These 2: Deutschland schafft das Viertelfinale.

These 3: Spanien und nicht USA ist der Gold-Favorit.

These 4: Argentinien verabschiedet sich aus der Weltspitze.

These 5: Die Türkei erlebt vor heimischem Publikum eine Blamage.