Ein Jahr wie Urlaub in Minas Morgul

Von SPOX
Das Jahr 2016 hatte allerhand zu bieten
© getty
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K wie knien, sich hin-: Der hat... der hat doch nicht... DER HAT DOCH BITTE NICHT?! Doch, das hat er. Colin Kaepernick hat sich hingekniet. Sogar mehrmals. Während der Nationalhymne, aus Protest gegen die Unterdrückung von Farbigen in den Staaten. Was wiederum dem wütenden, weißen Amerikaner (aus Gründen der gender equality: auch der wütenden, weißen Amerikanerin) so ziemlich gar nicht gefiel, bis man sich jenseits des Pazifiks ein derartiges Skandalsüppchen zusammengebraut hatte, dass sich sogar Präsident Barraco Bamer himself einschalten musste. Aber da die SPOX-Redaktion ja auch zu einem überwältigenden Teil aus wütenden, weißen Männern besteht (aus Gründen der gender equality: Hallo Liane!), sind wir natürlich voll auf der Seite der mit Konföderiertenflaggen behangenen Wutbürger: Was fällt diesem Kaepernick denn ein? Gleiche Behandlung und Respekt für Schwarze - geht's noch? Was kommt als nächstes, dass Schwulis heiraten dürfen?

L wie Loch in der Wand: Weil 2016 an sich selbst den Anspruch hatte, auch wirklich bis zum Ende scheiße zu sein, gab's nicht nur im Dezember den zweiten Teil des McLaren-Berichts, sondern vier Tage nach Weihnachten auch die (mittlerweile zurückgezogene, hach, diese Russen...) Bestätigung der RUSADA-Chefin - im ungefähren Wortlaut: Japp, die Gschicht mit dem Loch in der Wand in Sotschi wäre dann doch wahr gewesen, upsi. Den Eisschnelllauf-Weltcup hat Russland bereits entzogen bekommen, genauso die Bob- und Skeleton-WM und den Biathlon-Weltcup. Jetzt hat sogar der IOC (!) Nachprüfungen aller russischen Athleten von Sotschi 2014, London 2012 und Vancouver 2010 angeordnet. Ergebnis und Konsequenzen werden mit Spannung erwartet, denn wir wissen ja...

M wie Mineiros Ohren: "Und als der liebe Gott zu Mineiro gesagt hat: 'Was willst Du lieber, die Ohren ganz nah am Kopf oder Fußball spielen?', da hat er gesagt: 'Fußball spielen'." Hach. Weißt du was, lieber Marcel Reif? Irgendwie vermissen wir dich schon...

N wie Noch ein letztes Wrumm Wrumm: Paul Ripke muss wieder nackte Models in Palm Springs fotografieren, Lewis Hamilton hat gar niemanden mehr, der ihm auf den Sack geht - Nico Rosberg tritt mit seinem ersten WM-Titel nach zehn Jahren Formula Uno ab und hinterlässt mancherorts Lücken, die verkraftbar sind. Darauf ein Pfund Handkäs.

O wie Oberliga Nordost: Der Ort, an dem vor sieben Jahren der Grundstein des Unheils gelegt wurde. Brutstätte des Bösen, faktisch Vorhof zur Hölle. Dort stieg am 8. August 2009 nämlich das erste offizielle Ligapflichtspiel - von RB LEIPZIG! [jetzt hier klicken] Seit diesem 1:1 gegen Carl-Zeiss Jena II ist bekanntermaßen einiges passiert beim Brauseklub. Abgetrennte Bullenköpfe flogen ins Stadion, Timo Werner durch den Strafraum (siehe W wie Werner, Timo) und Farbbeutel auf den Teambus. Die Bullen frästen sich schmerzhaft in das gute Fußballgewissen aller Ballsportromantiker, spielen aber leider trotzdem den besten Fußball in der Bundesliga. Trotzdem möchte man ihnen gerne zurufen: Zurück nach Minas Morgul mit euch!

P wie Patschehändchen, verharzte: Die größte Sensation im Handball seit der Erfindung dieses ekligen Harz-Schlonzes für die Patschehändchen wuppten Anfang des Jahres die Bad Boys. Mit einer Rumpftruppe ohne Stars wie Uwe Gensheimer, Stefan Kretzschmar, Andreas Thiel oder Will Smith holten die deutschen Handballer tatsächlich den EM-Titel. Wer da im Februar auch nur einen Pfifferling drauf verwettet hatte, der isst heute noch jeden Tag Pilzpfanne. Zu MVP und Kultfigur stieg Keeper Andreas Wolff auf, der sein persönliches Meisterstück im Finale gegen verzweifelte Spanier ablieferte. Der Vollständigkeit halber:

"Herr Wolff, was halten sie eigentlich von Spanien?"

"Fast alles."

Q wie Qualität, grose, grose: Erhoffte sich Pep Guardiola bei Manchester City vorzufinden. Fand dann aber Wilfried Bony und Martin Demichelis. Konnte beide aber recht schnell verkaufen, dem Aufstieg Citys zur Weltmacht steht also nichts mehr im Weg. Generell gab's im grauen Manchester schon Anlässe, die weniger Euphorie verursachten, als Peps Amtsantritt beim Scheichklub. Dennoch durfte auch Guardiola schon den rauen Gegenwind der britischen Presse genießen, zum Beispiel, als er skandalöserweise sagte, er sei kein Trainer für Grätschen. Die würden ihn eher weniger interessieren. In München ist man derweil sowas von froh, endlich von Peps Ketten befreit zu sein. Das merkt man auch der Mannschaft an, immerhin gab's unter Carlo Ancelotti jetzt schon eineinhalb gute Fußballspiele! Quod erat demonstrandum.

R wie Renminbi, ganz schön viele: Genauer gesagt fast fünfeinhalb Millionen Renminbi. Was wiederum 725.000 Euro sind. Was wiederum das künftige Gehalt von Carlos Tevez sein soll. Bei Shanghai Shenhua. In. Der. Woche. Darüber, und freilich auch über all die anderen ambitionierten Neu-Chinesen, könnte man jetzt viele Witze machen. Da aber niemand in der SPOX-Redaktion auch nur annähernd so viel Humor hat wie Oscar, würden wir ihm gerne das Wort überlassen:

"Es war immer ein Traum für mich, für einen Klub wie Shanghai zu spielen. Ich erinnere mich noch, als ich in Sao Paulo aufgewachsen bin, habe ich auf dem kleinen Fernseher meiner Familie immer die Spiele der Red Eagles verfolgt. Ich bin so glücklich, meine Karriere mit einem solch prestigeträchtigen Klub erweitern zu können. Es wird der beste Klub sein, für den ich je gespielt habe. Ich komme nicht wegen des Geldes."

Was haben wir gelacht.

S wie Scheißstimmung, da seid ihr doch dafür verantwortlich: Bis nach Alaska vernahm man die frohe Kunde aus Sendling-Westpark: Die erneute Inthronisierung von König Uli war unter tosendem Beifall des Proletariats vollzogen worden. Die erste erlassene Doktrin: Kriegserklärung an die Feinde aus Preußen und das Königreich Sachsen. Uli... haben wir dich vermisst?

T wie The Machine: Immer schön zu sehen, wenn Leute, die Jahrelang erfolgs- und antriebslos in einem Job feststecken, sich endlich selbstverwirklichen können. Umso schöner, dass Tim Wiese nach seinen ersten Schritten im Kampfsport vor fünf Jahren (siehe unten) jetzt The Machine heißen und hauptberuflich andere Proleten verdreschen und rumpöbeln darf. Congrats!

U wie Unerwartet: Mitten in der Skandal- und Unheilssuppe, die sich das Jahr kontinuierlich zusammenrührte, stand da im Sommer plötzlich Christian Fuchs und war englischer Meister. Das Märchen von Leicester City war ein bitter nötiger Hoffnungsschimmer, das vielleicht nicht alles verheerend ist. Sänk ju nochmal dafür.

V wie Virgin Islands: Der Sitz der Briefkastenfirma, über die Cristiano Ronaldo (siehe B wie Blumenbeet) Millionen von Euro aus Werbeeinnahmen am bösen Onkel Fiskus vorbeigeschleust haben soll. Sagt zumindest Football Leaks. Was das Thema Steuern angeht, war 2016 ohnehin nicht sonderlich ruhmreich für die kickende Riege. Lionel Messi wurde wegen Steuerhinterziehung zu 21 Monaten auf Bewährung verurteilt, der vogelwilde Neymar-Deal wurde aus gleichem Grund wieder aufgerollt und Samuel Eto'o soll in seiner Zeit beim FC Barcelona so wenig Steuern gezahlt haben, dass es für zehn Jahre Knast reicht. Wobei man ja auch mal ein Nachsehen haben muss. Schließlich sind das keine gierigen, millionenschwere Arschkrampen, sondern arme, am Existenzminimum wandelnden Kreaturen. Die verdienen ja sogar weniger als irgendwelche argentinischen Gastarbeiter in China (siehe R wie Renminbi, ganz schön viele). Lasst denen doch das bisschen, das sie haben.

W wie Werner, Timo: "Tut mir leid, dass es vielleicht nach einer Schwalbe aussieht, aber das war nicht meine Intention." Trolololololo...

X fällt heuer leider aus: Wie wär's mit der Passstatistik von Florent Hadergjonaj im Spiel gegen Mainz als Entschädigung. Na?

Y wie Yarra River: Für einen A-bis-Z-Schreiber ist es ja wie Weihnachten, Ostern und ein Date mit Kate Upton zusammen, wenn wie von Geisterhand ein tatsächlich sinnvoller Begriff zu Buchstaben wie Q, Y oder X auftaucht (siehe Q wie Qualität, grose, grose oder X fällt heuer aus). Deswegen ehren wir hiermit höchst feierlich Angelique Kerber, Siegerin der Australian- und US-Open, Sportlerin des Jahres und neue Nummer eins der Welt im Damen-Tennis mit einem - tadaaaa - Y wie Yarra River! Das ist nämlich die schlammbraune und schwermetallverseuchte Brühe zu Melbourne, in die sich Angie zwecks Wettschulden nach dem ersten deutschen Damen-Grand-Slam-Titel seit Graf anno '99 stürzte.

Z wie Ziegenbock Billy: Baserunner, Inning, Schläger - mit dieser Baseball-Fachsprache kennt sich doch kein Mensch aus (außer Kollege Blumberg vielleicht, dieser Obernerd). Um das Wunder um die Chicago Cubs zu verstehen, muss man allerdings nur wissen, was eine Ziege ist. Das klingt machbar. Dass die Cubbies nämlich nach 108 Jahren gegen die Cleveland Indians (zum Verständnis: das ist das Darmstadt gegen Wolfsburg der MLB) wieder die World Series gewannen, bedeutete nicht nur, dass die längste Durststrecke im gesamten US-Profisport beendet wurde - sondern auch das Ende des Fluches von Billy, dem Ziegenbock. Der wurde der Legende nach nämlich trotz gültigem Ticket ob seines Odeurs samt Besitzer Billy Sianis 1945 aus dem Stadion geworfen. Sianis soll in einem Telegramm an den Klub dann seiner Erbostheit über die Diskriminierung seines gepaarhuften Freundes mit einem Fluch freien Lauf gelassen haben: Nie wieder würden die Cubs in einer World Series spielen. Gehalten hat's immerhin über 70 Jahre...

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