"Das DFB-Team trainiert katastrophal falsch"

Von Interview: Bärbel Mees
Patrick Heisel beim Gewinn der Deutschen Meisterschaft
© Spox

Patrick Heisel ist mehrfacher Mr. World Fitness und Mr. Universum. Seit 2003 führt der Bodybuilder in der Figurenklasse die Weltrangliste an und arbeitet nebenher als Model. Im Interview mit SPOX spricht der 41-jährige Diplom-Sportlehrer über den Sixpack von Ze Roberto, das katastrophal schlechte Training der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und darüber, warum er immer eine Tupperdose mit Essen dabei hat.

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SPOX: Sie sind mehrfacher Mr. World Fitness in der Figurenklasse des Bodybuildings und stehen in der Weltrangliste auf Platz eins. Wie stolz sind Sie auf Ihren Körper?

Patrick Heisel: Für mich ist der Sport eine Lebenseinstellung. Ich trainiere seit meinem 16. Lebensjahr und versuche, mein ästhetisches Ideal herauszuarbeiten. Ich bin auch ein Perfektionist und versuche, immer alles so hinzubekommen, wie ich es gern hätte. Das lässt sich im Bodybuilding optimal verwirklichen. Ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe, vor allem, da ich nicht die besten genetischen Voraussetzungen für diesen Sport mitbringe.

SPOX: Haben Sie noch eine normale Einstellung zum Körper?

Heisel: Mit übertriebener Eitelkeit hat das überhaupt nichts zu tun. Ich schaue nicht öfter in den Spiegel als andere auch. Wenn ich vor den Wettkämpfen im Fitnessstudio vor dem Spiegel stehe und posiere, hat das alleine etwas mit dem Sport zu tun. Ich schaue also nicht, wie toll ich bin, sondern es dient mir zur Trainingskontrolle in der unmittelbaren Vorwettkampf-Phase. Aber es ist natürlich ein Sport, bei dem es nur um das Aussehen geht, da ist alles andere egal.

SPOX: Wie sind Sie denn überhaupt zum Bodybuilding gekommen? Liegt Ihnen Fußball nicht?

Heisel: Doch. Ich war schon immer ein sportbegeistertes Kind. Ich war eine Wasserratte und habe extrem viel Sport gemacht. Zum Bodybuilding bin ich eher durch Zufall gekommen. Ich habe im Verein Basketball gespielt und bin mehrmals hintereinander mit dem Fuß umgeknickt, was zu längeren Pausen führte. Die habe ich zum Aufbautraining im Fitnessstudio genutzt. Und dabei habe ich gemerkt, dass sich mein Körper durch das Training verändern lässt.

SPOX: Wie hoch ist denn Ihr Körperfettanteil?

Heisel: Zwischen 2,5 und vier Prozent. Das ist aber auch der einzige Sport, wo man sein Körperfettanteil so extrem reduzieren muss. Es geht nun mal hauptsächlich um die Muskulatur und um das Ausdefinieren der einzelnen Muskelsegmente. Man versucht, bis an das Limit zu gehen und die Grenzen auszutesten. Ich bezeichne das auch als Leistungssport.

SPOX: Wie muss man sich einen Tag bei Ihnen vorstellen?

Heisel: Das ist unterschiedlich, je nachdem in welcher Phase man sich befindet. Aber unmittelbar vor dem Wettkampf fahre ich morgens erstmal auf nüchternen Magen 45 Minuten Rad-Ergometer. Dann wird gefrühstückt und gearbeitet. Nachmittags folgt dann das zweite Training, 90 bis 120 Minuten Krafttraining.

SPOX: Man könnte meinen, Ihr Körper erfordert mehr Arbeit.

Heisel: Manchmal wundere ich mich auch, wenn andere Sportler ihr Trainingspensum angeben. Die Frage ist allerdings, was genau als Training definiert wird. Denn natürlich ist auch mein ganzer Tag geplant. Beim Bodybuilding spielt die Nahrung eine wichtige Rolle. Ich esse ja nicht irgendwas oder wenig, um Fett abzubauen. Im Gegenteil, ich esse sehr viel, aber eben auch sehr diszipliniert. Ich stehe jeden Tag zwei bis drei Stunden in der Küche, um mein Essen zuzubereiten.

SPOX: In diesem Sport können Sie vermutlich nicht alles essen, worauf Sie gerade Hunger haben. Was ist denn Ihre Lieblingsspeise?

Heisel: Ich esse extrem gern. Meine Lieblingsspeisen sind ganz klar Pizza und Käsekuchen. Aber in den letzten Monaten vor dem Wettkampf esse ich das natürlich nicht.

SPOX: Wie oft reisen Sie denn mit Tupperdosen zu Freunden an, weil Sie Ihr eigenes Essen dabei haben?

Heisel: Ja, darin erkenne ich mich schon. Das muss ich zugeben. Ich esse über den Tag verteilt sechs bis acht Mahlzeiten. Wenn ich aus dem Haus gehe, habe ich also immer Essen dabei. Ich habe auch immer eine Tupperdose im Auto, falls ich mal im Stau stehe. Aber das gehört schon zu meinem Leben dazu.

SPOX: Rocky Balboa trinkt morgens rohe Eier. Sie auch?

Heisel: Das ist natürlich Sensations-Mache. Doch es gibt Leute, die machen das tatsächlich nach. Aber in meiner Gewichtsklasse ist das nicht nötig. Dennoch finden Leute in meinem Umfeld meine Ernährungsgewohnheiten manchmal sehr extrem, das fällt mir aber schon gar nicht mehr auf.

SPOX: Was ist an dem Vorurteil dran, dass Bodybuilder nichts im Kopf haben?

Heisel: Da ist nichts dran. Das ist aber ein Klischee für alle, die mit Kraftsport zu tun haben. Man könnte ja auch fragen, wie die Klitschkos ihre Doktor-Titel bekommen haben. Ist das alles gekauft? Bei Boxern ist das ja noch extremer als bei uns Bodybuildern. Aber das Klischee meine ich eher bei Fußballern zu sehen.

SPOX: Was ist denn mit dem zweiten Klischee, das sich hartnäckig hält: Doping im Bodybuilding...

Heisel: Das ist wie in allen Sportarten ein Problem. Meiner Meinung nach hält sich das Klischee so hartnäckig, weil man als Durchschnittsbürger nicht nachvollziehen kann, wie man einen Körper so herausarbeiten kann. Und dann suchen diejenigen, deren Körper nach einer Brigitte-Diät nicht so durchtrainiert aussieht, nach Gründen. Der erste Grund ist die Verwendung von unerlaubten Substanzen. Aber man sollte sich fragen, warum gedopt wird. Die Sportler machen das, weil in der Öffentlichkeit nur noch der Sieg zählt. Deshalb sind die Zuschauer mitschuldig.

SPOX: Es gibt aber keine Dopingproben bei Wettkämpfen im Bodybuilding.

Heisel: Ja, das stimmt. Es gibt höchstens vereinzelt Proben ein- oder zweimal im Jahr. Aber man sollte die Kirche im Dorf lassen und die Leute in Eigenverantwortung machen lassen, was sie möchten. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Wenn die Öffentlichkeit immer nur den Sieg möchte, dann werden die Leute dazu neigen, Wege zu gehen, die sie nicht einschlagen sollten.

SPOX: Ich kann mir vorstellen, dass der Reiz groß ist, wenn man als Jugendlicher schnellen Erfolg will und es keine Kontrollen gibt. Oder ist Ihnen das nie so gegangen?

Heisel: Doch, natürlich. Als Jugendlicher ist man ja allen möglichen Reizen ausgesetzt. Aber ein Patentrezept weiß ich auch nicht, wie man das verhindern kann. Mich hat mein Körper auch 20 Jahre an Arbeit gekostet. Meinen ersten Wettkampf habe ich erst nach 13 Jahren Training gemacht. Im Bodybuilding braucht alles seine Zeit, das wird leider immer wieder vergessen.

SPOX: Die Figurenklasse der Frauen gibt es schon länger. Finden Sie die Damen attraktiv?

Heisel: Das gefällt mir bis zu einem gewissen Niveau sehr gut. Wenn es allerdings zu sehr in den extremen Bereich geht, auch nicht mehr. Mit gefällt die Stabhochspringerin Jelena Isinbajewa sehr, da sie extrem austrainiert ist. Mit sechs Wochen Vorbereitungszeit könnte sie sich auch auf einem Wettkampf in der Figuren-Klasse sehen lassen.

SPOX: Wie reagieren Frauen denn auf Ihre Muskeln?

Heisel: Es sind ja nicht zu viele Muskeln. Wenn ich ganz normal angezogen bin, fragen die Leute schon, ob ich jemals eine Hantel in der Hand gehabt habe. Man sieht es mir also nicht an. Dahingehend bekomme ich von Frauen fast nur Komplimente. Wenn sie allerdings meine Fotos von den Wettkämpfen sehen, sind es manchen dann doch ein wenig zu viel Muskeln.

SPOX: Sie trainieren nicht nur selbst, sondern arbeiten auch als Personal Trainer. Einer Ihrer Kunden ist der Wundergeiger David Garrett. Wie ist er denn privat so drauf?

Heisel: Sehr locker. Es hat sehr viel Spaß gemacht, ihn zu trainieren. Er hat in der Nähe zufällig ein Konzert gegeben und wollte danach noch trainieren. Also habe ich nachts mein Studio aufgeschlossen und wir haben noch eine Runde Personal-Training gemacht. Diesen Perfektionismus, den er beim Geigen an den Tag legt, hat er auch im Sport. Er nimmt das ernst und war sehr konzentriert.

SPOX: Der Fußballer Ze Roberto hat einen schönen Sixpack... Ist er auch ein Kunde von Ihnen?

Heisel: (lacht) Nein, hier im Saarland ist die Bundesliga fern. Ich glaube, dass er nicht mehr Bauchmuskeltraining absolviert als jeder andere Fußballer auch. Aber er hat aufgrund seiner Herkunft eine günstige genetische Komponente. Ich nehme an, dass er wenig Körperfett aufbaut. Aber ich habe schon einige Fußballer der Nationalmannschaft beim Training gesehen und die haben katastrophal schlecht trainiert. Das war wirklich falsch.

SPOX: Würde es Sie mal reizen, die Fußball-Nationalmannschaft zu trainieren?

Heisel: Definitiv. Ich habe schon einige Leistungssportler trainieren sehen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich noch einiges aus denen rausholen kann. Viele trainieren dermaßen falsch und ohne Aufsicht. Das lässt sich definitiv noch optimieren. Sie können sich gar nicht vorstellen, was ich schon gesehen habe. Also wie sich beispielsweise die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft dehnt - das ist eine Katastrophe. Da dreht jeder Sportwissenschaftler den Kopf weg.

SPOX: Welche Ziele bleiben bei Ihnen sportlich noch übrig?

Heisel: Von den Titeln gibt es nichts mehr, was mich motiviert. Seit 2003 bin ich ununterbrochen die Nummer Eins in der Weltrangliste. Ich bin jetzt da, wo ich niemals auch nur ansatzweise gedacht hätte, jemals hinzukommen. Aber die Ziele gehen mir dennoch nicht aus. Im Bereich Modeln möchte ich mich noch weiterentwickeln. Ich hatte dieses Jahr bereits ein Shooting mit dem Star-Fotograf Andreas Bitesnich. Das würde ich gerne öfter machen.