Kiefer schlägt auch Dawidenko

SID
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© DPA

Hamburg - Es war kurz nach 19 Uhr, als sich die Zuschauer erhoben und Nicolas Kiefer mit Sprechchören feierten. Die Welle wanderte durch den Center Court - solche Szenen hat man am Hamburger Rothenbaum seit Jahren nicht gesehen.

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"Das ist ein überwältigendes Gefühl", sagte der zum "Hoffnungsträger" des deutschen Tennis erkorene Kiefer nach seinem Überraschungssieg gegen den russischen Dauerläufer Nikolai Dawidenko.

Nach dem 7:5, 6:3 gegen die Nummer vier der Tennis-Welt steht Kiefer erstmals in seiner Karriere am Rothenbaum im Viertelfinale. Der 30-Jährige aus Hannover zog als erster deutscher Profi seit Thomas Haas vor neun Jahren bei dem Traditionsturnier in Hamburg in die Runde der letzten Acht ein.

"Mit diesen Fans im Rücken und dieser Unterstützung kann eigentlich nicht viel passieren", sagte Kiefer mit Blick auf sein erstes Duell gegen den Italiener Andreas Seppi im Kampf um den Einzug ins Halbfinale der mit 2,27 Millionen Euro dotierten Sandplatz-Veranstaltung.

Federer locker weiter

Auch Titelverteidiger Roger Federer und der Weltranglisten-Dritte Novak Djokovic erreichten das Viertelfinale. Der viermalige Rothenbaum-Sieger aus der Schweiz gewann gegen den Schweden Robin Söderling in 64 Minuten mit 6:3, 6:2.

Der serbische Shootingstar Djokovic setzte sich mit 7:6 (7:3), 6:3 gegen den Aufschlagriesen Ivo Karlovic aus Kroatien durch.

"Ich habe die Dinge kontrolliert und bin sehr zufrieden, wie's läuft", sagte Federer vor seinem Duell gegen den Spanier Fernando Verdasco. Djokovic spielt gegen dessen Landsmann Albert Montanes.

Kiefer amüsiert

"Ich finde es schon fast lustig, hier als Hoffnungsträger bezeichnet zu werden", hatte Kiefer nach seinem Achtelfinal-Einzug noch gesagt. "Hoffnungsträger sind doch eigentlich deutlich jünger."

Die jüngeren deutschen Profis wie Philipp Kohlschreiber oder Mischa Zverev waren jedoch allesamt in der ersten Runde gescheitert, was Tennis-Idol Boris Becker zu einem kritischen Zwischenruf veranlasste.

"Dass Nicolas Kiefer als 30-Jähriger der einzige deutsche Spieler im Achtelfinale ist, ist ein Armutszeugnis", hatte der dreimalige Wimbledon-Sieger vor Kiefers Partie gegen Dawidenko gesagt.

Sonderlob vom Boris

Nun hat es der Davis-Cup-Rückkehrer sogar bis ins Viertelfinale geschafft - und verdiente sich diesen Coup gegen den laufstarken Dawidenko durch eine konzentrierte Vorstellung auf dem wieder gut gefüllten Center Court.

"Dass er nochmal so auftrumpft, freut mich natürlich sehr", sagte Becker über den zehn Jahre jüngeren Kiefer. "Er hat es verdient, dass er in der Sonne stehen darf."

Dawidenko machte ungewohnt viele "unforced errors" und hatte auch mit seinem ersten Aufschlag Probleme. Als Kiefer nach exakt einer Stunde seinen ersten Satzball zum 7:5 nutzte, dröhnte der Queen- Klassiker "We will rock you" aus den Boxen und die Zuschauer veranstalteten ein Spektakel wie schon bei Kiefers Siegen gegen den Franzosen Paul-Henri Mathieu und den Schweizer Stanislas Wawrinka.

Tolle Unterstützung für Kiwi

Mit Trillerpfeifen und Kiefer-Sprechchören feuerten die mehr als 10.000 Fans den Hannoveraner an, dessen Beziehung zum Rothenbaum bislang nicht unbedingt eine Liebesgeschichte war.

Doch Kiefer ließ sich von der Atmosphäre anstecken, pushte sich immer wieder mit der geballten Faust und "Come on"-Rufen. Im Laufschritt eilte er nach den Seitenwechseln immer wieder auf den Platz - als könne er die Fortsetzung der Partie kaum erwarten - nach 1:54 Stunden Spielzeit verwandelte Kiefer seinen zweiten Matchball.