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NBA - Warum die Philadelphia 76ers um Joel Embiid und James Harden mehr als nur ein Geheimfavorit sind

Von Robert Arndt
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In der Eastern Conference gelten die Boston Celtics und die Milwaukee Bucks als die absoluten Top-Favoriten, doch in den vergangenen Wochen haben sich im Schatten der beiden Schwergewichte die Philadelphia 76ers gemausert. Können die Sixers den großen Zwei womöglich doch gefährlich werden?

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Boston oder Milwaukee, Milwaukee oder Boston - das ist der Konsens nach der Trade Deadline, wenn es um die Favoriten im Osten in dieser Saison geht. Hier und da werden aber auch die Sixers genannt und die Partie zwischen den Celtics und Philly in der Nacht auf Sonntag unterstrich, dass Philadelphia näher an der Spitze ist, als viele das wahrhaben möchten.

Millisekunden verhinderten eine Verlängerung in Philadelphia, dennoch dürften die Sixers sich ob ihrer Championship-Ambitionen bestätigt fühlen. Dieses Team ist in der Lage, auch mit den absoluten Schwergewichten mitzuhalten. Überhaupt war es eine Partie mit Playoff-Charakter und womöglich eine Vorschau auf das, was uns in der Postseason erwarten wird.

Zwar zogen die Sixers in dieser Spielzeit zum bereits dritten Mal den Kürzeren gegen die Celtics (1-1 gegen die Bucks), doch es kristallisierte sich heraus, dass Philadelphia den besten Spieler auf dem Feld hatte. Joel Embiid machte mit 41 Punkten (12/21 FG, 17/18 FT) eines seiner besten Spiele und schien diesmal vorbereitet auf das, was Boston ihm entgegenwarf.

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Joel Embiid ist in der Form seines Lebens

In der Vergangenheit hatten die Celtics mit ihren Double-Teams gegen den Center großen Erfolg, diesmal war der Kameruner entscheidungsfreudiger und stellte Boston vor unlösbare Aufgaben, auch wenn mit Al Horford oder Robert Williams zwei mehr als fähige Center auf der Gegenseite zur Verfügung standen. "Ich bin nicht zu verteidigen, es ist also egal, was sie machen", gab sich Embiid trotz der Pleite selbstbewusst.

Und Embiid hat damit nicht unrecht. Auch in dieser Saison ist der Big Man eine Scoring-Maschine (nur Luka Doncic übertrifft seine 33,1 Punkte pro Spiel) und mit legalen Mitteln kaum zu stoppen. Gegen Boston marschierte er 18-mal an die Linie, es war das bereits zwölfte Spiel mit mindestens 15 Freiwürfen. Das ist pure Dominanz und erlaubt auch schwächere Shooting-Abende wie zwei Tage zuvor gegen Memphis, als Embiid mit 2/14 startete und am Ende dennoch bei 27 Punkten, 19 Rebounds und 6 Blocks stand.

Embiid spielt schlichtweg den besten Basketball seiner Karriere und befindet sich auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Embiid zieht Fouls am Fließband, trifft fast die Hälfte seiner langen Zweier und hat sein Volumen von Downtown etwas zurückgeschraubt (3,2 Versuche bei 34,2 Prozent), auch wenn er natürlich durchaus in der Lage ist, diese Würfe zu treffen. Dazu stellen die Sixers eine Top-3-Defense, wenn Embiid auf dem Feld ist.

Kurzum kann Embiid auch in einer etwaigen Serie gegen Boston oder Milwaukee der beste Spieler auf dem Court sein, nach dem Abschied von Kevin Durant kommt kein anderer Spieler im Osten an dieses Trio heran. Das ist ein massiver Trumpf für die Sixers.

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James Harden ist wieder mehr Brooklyn-Harden

Embiid spielt zudem die effizienteste Saison seiner Karriere, daran hat auch James Harden einen großen Anteil. Der 33-Jährige ist vielleicht nicht mehr der Harden aus Rockets-Zeiten, aber unter dem Radar spielt der Bärtige eine richtig gute Saison und glänzt wieder als Pilot, was ihn schon nach seinem Trade zu den Nets so wertvoll machte. Harden wirft so wenig wie zuletzt zu OKC-Zeiten, legt aber dennoch fast 22 Punkte pro Spiel auf.

Diese Punkte werden die Sixers in den Playoffs brauchen, vor allem wenn Teams alles auf Embiid werfen, was sie haben. In der Vergangenheit verweigerte Harden teilweise noch offene Catch-and-Shoot-Möglichkeiten, inzwischen nimmt er sie und trifft auch (starke 49,3 Prozent). Gleichzeitig ist Harden endlich auch gewillt, aus der Mitteldistanz abzudrücken und zählt hier zu den besten Spielern der Liga. Harden nimmt zwar bei weitem nicht so viele lange Zweier wie beispielsweise DeMar DeRozan, er trifft aber aktuell 57 Prozent davon, besser geht es quasi kaum.

Es ist der geforderte Konter, nachdem Harden jahrelang mit der Brechstange zum Korb zog und (zu) oft nur auf ein Foul hoffte. Manchmal ist ein ineffizienter Zweier eben doch besser als ein wilder Korbleger, der oft zu zwei Fastbreak-Punkten für den Gegner führt.

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Philadelphia 76ers: Das beste Offensiv-Duo der NBA

Hardens beste Eigenschaft bleibt aber, dass er weiß, wie er Embiid einsetzen muss. Insgesamt 175 direkte Vorlagen spielte Harden nun bereits für den Center - das ist mit weitem Abstand der Bestwert in der NBA (es folgt Haliburton auf Hield mit gerade einmal 126 Assists). Ein besser zusammenpassendes Duo im Angriff gibt es in der NBA nicht, auch wenn Harden in dieser Saison nicht einmal zum All-Star Game eingeladen wurde.

Der Ärger darüber ("respektlos") ist inzwischen verraucht, stattdessen liegt der Fokus auf dem ersten tiefen Playoff-Run seit 2001. "Wir kümmern uns nicht um Boston oder Milwaukee", meinte Embiid vor dem Celtics-Spiel. "Wir müssen uns auf uns konzentrieren und Spiel für Spiel besser werden." Und in dieser Hinsicht gibt es durchaus noch Luft nach oben.

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Philadelphia 76ers: Wer ist der fünfte Starter?

Zum einen wäre da die Frage nach dem fünften Starter. Tyrese Maxey hat nach seiner Verletzung diesen Platz an den defensiv stärkeren De'Anthony Melton verloren. Kurioserweise wurde nach dem Wechsel aber die Offense besser und die Verteidigung schlechter. Dennoch dürfte Coach Doc Rivers das beibehalten, auch wenn gerade Maxey in seiner Bankrolle sehr schwankend agiert.

Zu oft hat der kleine Guard noch die Tendenz, zu sehr den eigenen Abschluss zu suchen. Auch gegen Boston war das wieder erkennbar, als die Sixers jeweils Runs mit diesen Units kassierten. Der Ball lief kaum und gegen eine gute Switching-Defense, wie es Boston nun mal ist, fehlten Lösungen. Das scheint Rivers ähnlich zu sehen, weswegen er über 48 Minuten stets Harden oder Embiid auf dem Feld hatte. Angesichts von Rivers' berüchtigter Liebe für Bench-Units sagt das viel über das Vertrauen für seine Reservisten aus.

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Philadelphia 76ers: Wer ist Embiids Backup?

Noch größer sind (mal wieder) die Fragezeichen für die Backup-Center-Rolle. Greg Monroe, Dwight Howard, Andre Drummond, DeAndre Jordan, nun Montrezl Harrell, Paul Reed oder der kürzlich geholte Dewayne Dedmon - das Center-Bingo der Sixers geht munter weiter und es fehlt weiterhin die passende Antwortung.

Gegen die Celtics durfte sich Reed versuchen (Dedmon fehlte verletzt), seine Leine war mit knapp fünf Minuten aber extrem kurz, stattdessen zog Rivers seinen Joker und setzte auf die Variante mit P.J. Tucker als Smallball-Fünfer. Wirklich zufriedenstellend war das bisher nicht (Defensiv-Rating: 122,8 mit Tucker auf der Fünf), aber die wenigen Minuten gegen die Celtics machten Hoffnung. Für Tucker spricht auch die Chemie mit Harden, da ähnliche Lineups in Houston über Jahre funktionierten (das "Tuckwagon-Lineup").

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Philadelphia 76ers: Das Restprogramm hat es in sich

Das alles sind aber Kleinigkeiten und im Vergleich zu den Vorjahren war es bisher eine erstaunlich ruhige Saison für die Sixers. Über die letzten 35 Spiele stehen die Sixers bei 27-8, das Quartett aus Harden, Tobias Harris, Tucker und Embiid hat ein Net-Rating von +10,6. Die Sixers sind in Lauerstellung, auch wenn der Rückstand auf die Celtics durch die Pleite auf 4 Spiele angewachsen ist.

Vieles spricht stattdessen dafür, dass Philly Dritter oder Vierter im Osten wird. Denn: Der Restspielplan hat es in sich. Kein Team hat noch mehr Auswärtsspiele vor der Brust (16), alleine im März absolvieren die Sixers gleich 17 Spiele (11 auswärts). Dazu gibt es nur noch acht Partien gegen Teams mit negativer Bilanz, von den klaren "Tankern" wird nur noch Charlotte einmal bespielt - natürlich auswärts. Gemäß Tankathon hat nur Toronto ein härteres Restprogramm.

Eastern Conference: Die Tabelle

PlatzTeamBilanzRückstand
1Boston Celtics44-17-
2Milwaukee Bucks43-170,5
3Philadelphia 76ers39-204
4Cleveland Cavaliers39-256,5
5Brooklyn Nets34-269,5
6New York Knicks35-279,5
7Miami Heat32-2912
Joel Embiid hofft in diesem Jahr endlich auf den ganz großen Wurf.
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Philadelphia 76ers: Wird es Embiids großes Jahr?

Die Sixers werden das nutzen, um sich weiter einzuspielen. Und dann ist da die Hoffnung, dass Embiid endlich mal eine Postseason ohne Verletzungen absolvieren kann. Außer 2019, als Philly den späteren Champion aus Toronto am Rande einer Niederlage hatte, war Embiid stets angeschlagen oder beeinträchtigt. Auch das ist ein Grund, warum die Sixers in der Process-Ära nie über die zweite Runde herauskamen.

Für beide Stars steht in den kommenden Monaten viel auf dem Spiel. Auch Harden dürfte mal wieder mit Argusaugen beäugt werden, seine Playoff-Einbrüche sind bestens dokumentiert. Der Weg zum Erfolg dürfte steinig werden, vermutlich muss Philadelphia sowohl Milwaukee als auch Boston aus dem Weg räumen, wenn es mit den Finals klappen soll.

In beiden Serien wären die Sixers Underdogs. Vielleicht ist das eine Hilfe, nachdem das Team in den vergangenen beiden Jahren jeweils als Favorit in der zweiten Runde die Segel streichen musste.

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