An Robert Lewandowski nagt der Zahn der Zeit: Supertalent Vitor Roque kann nicht schnell genug zum FC Barcelona kommen

Von Nicolás De Marco / Patrik Eisenacher
Lewandowski-1200
© getty

Wunderkind Vitor Roque soll ab Januar das große Problem des FC Barcelona lösen: Torgefahr ausstrahlen. Entweder als Vollstrecker oder als Zuarbeiter des schwächelnden Robert Lewandowski.

Cookie-Einstellungen

Den Blaugrana gelang am vergangenen Sonntag der enorm wichtige Sieg gegen Atlético Madrid (1:0). Nach den Erfolgen der Meisterschaftskonkurrenten Girona und Real Madrid brauchte auch die Mannschaft von Xavi unbedingt einen Sieg, um in der Tabelle nicht abreißen lassen zu müssen.

Nachdem sie die wohl beste erste Halbzeit ihrer Saison gespielt hatten, vor allem in Anbetracht des defensiv starken Gegners, gingen die Katalanen dank des Treffers von João Félix mit dem Gefühl in die Pause, dass das Ergebnis nicht deutlich genug ausfiel. Barça war Atleti weit überlegen und das 1:0 schien zu wenig. Daran änderte sich nach der Pause wenig. Barcelona gab den Ton an, erspielte sich zahlreiche Chancen - und ließ diese allesamt liegen. Vor allem Robert Lewandowski schoss wieder mehrere Fahrkarten.

Es verfestigt sich daher der Eindruck: Barcelona erlebt den - logischen - Niedergang des 35-jährigen Ex-Bayern. Die schlechte Form Lewandowskis gibt der jüngsten Forderung von Sportdirektor Deco nur Recht: Brasilien-Juwel Vitor Roque muss jetzt kommen. Und das wird er auch, denn der Stürmer von Athletico Paranaense hat sich bereits von seinen Fans verabschiedet.

robby-lewandowski-1200
© getty

Robert Lewandowskis Abwärtstrend ist unübersehbar

Es ist klar, dass Lewandowski nicht die beste Phase seiner Karriere erlebt, ganz im Gegenteil. So hat er in den letzten zehn Spielen für Barça nur zwei Tore erzielt, beide gegen Alavés (eines davon vom Elfmeterpunkt), und kein einziges vorbereitet. Atléti, Porto (zweimal), Rayo, Real, Madrid, Sevilla, Shakhtar und Mallorca haben ihn in den letzten zweieinhalb Monaten aus dem Spiel genommen.

Am vergangenen Sonntag begann Barcelona zu leiden, als Raphinha und João Félix das Feld verließen. Der Brasilianer und der Portugiese wurden in der 77. Minute ausgewechselt - obwohl sie im Angriff deutlich mehr geleistet hatten als Lewandowski. Aber der Pole genießt noch einen Status, der es Xavi schwer macht, ihn vorzeitig vom Platz zu holen. Einzig bei Real Sociedad nahm er ihn vorzeitig runter 90. Minute, wenn es keine gesundheitlichen Beschwerden gab.

Mit jeder Einsatzminute aber wird deutlicher: Der brillante Bayern-Lewandowski ist nicht mehr da. Oder zumindest beginnt er zu verblassen. Er schlägt nicht mehr so viele Haken wie früher, er ist nicht mehr so gut in der Ballkontrolle, im Passspiel, in der Ballmitnahme ... und jetzt fängt er auch noch an, Chancen zu vergeben, die er früher nicht vergeben hat.

Jener Lewandowski aus der Vergangenheit, selbst der aus seiner ersten Saison im Camp Nou, hat die Tore gemacht, die er jetzt nicht mehr macht. Und das ist normal: Wenn man sich dem Ende seiner Karriere nähert, mit 35 Jahren, wird man körperlich schwächer und es fällt einem schwerer, den Ball zu erreichen, seinen Körper gut einzusetzen oder die ideale Position für den Abschluss zu finden. Er wirkt aktiv und eifrig, aber vor dem Tor tut er sich schwer.

Es reicht nicht aus, den Ball gut zu kontrollieren oder gute Pässe zu spielen, um der Mittelstürmer des FC Barcelona zu sein, von dem in jedem Spiel ein Tor gefordert wird. Und gegen Atléti hatte er viele Gelegenheiten, ein Tor zu erzielen. Keine der vergebenen Gelegenheiten war Keeper Jan Oblaks Verdienst: ein unglücklicher Kopfball, ein weiterer Ball, den er unglücklich mit dem Schienbein erwischte, und ein Schuss, den er weit daneben zimmerte.

Bei einem anderen Spieler wäre es eine Frage der Form oder des Momentums, aber im Fall des 35-jährigen Polen ist es eine Frage des Alters. Und da kommt Vitor Roque ins Spiel.

Ranking Spielerberater, International
© getty

Deco bestätigt die Ankunft von Vitor Roque

Barcelonas Sportdirektor Deco hat bestätigt, dass der brasilianische Stürmer Vitor Roque, den der Verein im vergangenen Sommer verpflichtet hat, im Januar 2024 zur ersten Mannschaft stoßen wird. "Nach der Verletzung von Gavi haben wir zusammen mit dem Trainer (Xavi Hernandez) entschieden, dass er im Januar kommen wird", sagte der Barça-Manager gegenüber Movistar am Wochenende.

Deco kündigte auch direkt an, dass "er Minuten bekommen und der Mannschaft helfen wird". Gleichzeitig erklärte er, dass Roque ein Spieler sei, der sich "zwischen den Linien bewegt, den Raum sucht, ein Tor schießt und kämpferisch ist". Er fügte hinzu: "Er wird ein weiterer Spieler sein, er wird der Mannschaft helfen. Das Gute daran ist, dass er Lewandowski vor sich hat, von dem er lernen kann."

Diese Aussage erfolgte, nachdem Athletico Paranaense am Samstag bestätigt hatte, dass der 18-Jährige am Sonntag in Curitiba sein letztes Spiel für den Verein bestreiten wird, bevor er nach Spanien reist. "Tigrinho", so sein Spitzname, hat bei den Katalanen einen Vertrag über acht Spielzeiten und inklusive einer Ausstiegsklausel in Höhe von 500 Millionen Euro unterzeichnet.

xavi-barca-1200
© getty

FC Barcelona: Immer öfter knappe Siege statt Fußballfeste

Seit der Ankunft von Xavi Hernández hat Barcelona 58 Prozent seiner Spiele gewonnen. In 40 dieser 69 Partien setzte sich Barcelona mit einem Tor Vorsprung durch.

Dieser Trend zeichnete sich bereits in der vergangenen Saison ab, als Barça insgesamt 17 Siege mit Minimalvorsprung einfuhr, was laut Eurosport die höchste Anzahl in den letzten 24 Spielzeiten darstellt.

In der laufenden Saison bestritten die Katalanen insgesamt 20 Spiele mit einer Bilanz von 14 Siegen, vier Unentschieden und zwei Niederlagen. Bislang wurden 78,5 Prozent der Siege nur knapp errungen (11 von 14). Nur drei Spiele wurden mit zwei oder mehr Toren gewonnen: Gegen Cádiz (2:0), Betis (5:0) und Antwerpen (5:0).

Das Problem ist jetzt, dass Barcelona deutlich mehr Gegentore kassiert als in der letzten Saison, also muss es mehr Tore schießen, um Spiele zu gewinnen. Deshalb ist es auch so kritisch, dass Lewandowski seinen Torriecher verliert. Die Ankunft Vitor Roques, einem Konkurrenten auf dieser Position (es wird nicht erwartet, dass Ferran Torres den Platz des Polen einnimmt), könnte den ehemaligen Bundesligastar, so die Hoffnung der Klubchefs, aufwecken. Falls das nicht der Fall ist, kann Xavi sein Glück mit dem Brasilianer versuchen.

lewandowski
© getty

Mehr Pausen für Robert Lewandowski

Niemand erwartet von Vitor Roque, dass er sofort nach seiner Ankunft in Barcelona in der Startelf steht. Aber wäre es wirklich verrückt, ihn sich in Xavis Elf vorzustellen, wenn Lewandowski seinen Abschluss nicht verbessert? Vitor Roque könnte dem Ex-Bayern-Angreifer zudem seine benötigten Ruhepausen gegen kleinere Teams ermöglichen.

Der eng getaktete Spielplan mit der Champions League, den nationalen Pokalwettbewerben und der Länderspielpause lässt nur wenig Zeit zur Erholung. Daher ist es gut, dass bald Verstärkung kommt. Und Roque scheint ein besonders guter Kandidat zu sein. Er wird als der nächste Ronaldo Nazario gehandelt und verfügt über das gleiche Tempo und die gleiche Kraft, die 'R9' in so jungen Jahren zu einer solchen Urgewalt machten.

Allerdings gibt es hier einige Vorbehalte: Ronaldo ist einer der besten Stürmer der Geschichte; Roque kann da logischerweise noch nicht mithalten. Sich auf junge Spieler zu verlassen, ist eine riskante Angelegenheit - vor allem wenn sie noch nie in Europa gespielt haben. Doch Xavi hatte noch nie ein Problem damit, junge Spieler reinzuwerfen.

Vitor-Roque
© (C)Getty Images

Vitor Roque hat sich in Brasilien einen Namen gemacht

Vitor Roque hat sich also bereits von Athletico Paranaense verabschiedet. Beim 3:0-Sieg gegen Santos war der 18-jährige Brasilianer der Star in der Arena da Baixada, bis er in der 84. Minute ausgewechselt wurde und das Spielfeld unter stehenden Ovationen der Tribüne verließ.

Sein letztes Spiel bestritt der junge Angreifer anschließend in Curitiba gegen Peixe. Roque hatte einen Aufnäher auf seinem Trikot, auf dem sein Gesicht abgebildet war und der seinen "Tigrinho"-Jubel zeigte. Außerdem überreichte ihm der Geschäftsführer des Vereins, Alexandre Mattos, der für die Verhandlungen mit Barcelona zuständig war, beim Aufwärmen ein Trikot mit der Aufschrift "Bis bald". Gegen Ende des Spiels wurde er durch William Bigode ersetzt. Roque konnte seine Emotionen nicht unterdrücken, als er das Spielfeld verließ und seinen Trainer Wesley Carvalho umarmte.

Nach dem Spiel sprach der zukünftige Culé-Spieler in alle Kameras und Mikrofone, um Paranaense. "Seit meiner Ankunft haben sie mich hier sehr gut aufgenommen. Ich bin glücklich und es ist ein Traum für mich, nach Europa zu gehen, und jetzt muss ich weiter arbeiten."

Robert Lewandowski
© getty

Wie lange kann Robert Lewandowski noch auf Spitzenniveau spielen?

Barça könnte auch den Wechsel von Vitor Roque perfekt getimt haben. Lewandowski steht noch bis zum Ende der Saison 2025 unter Vertrag - mit der Option, ein weiteres Jahr zu bleiben, wenn auch zu einem geringeren Gehalt. Wenn er sich dann für einen Verbleib entscheidet, ist Lewandowski 38 Jahre alt und hat seine besten Zeiten hinter sich.

In der Zwischenzeit wird von Roque erwartet, dass er sein Potenzial auf der europäischen Bühne ausschöpft. Dann wird die Lewandowski-Durststrecke vielleicht überwindbar sein. Roque wird nicht sofort ein Star sein, und er bietet auch nicht die gleichen Fähigkeiten wie Lewandowski. Er ist ein Spieler, der sein Spiel auf Tempo und Kraft aufbaut; Innenverteidiger einzuschüchtern ist nicht seine Stärke. Dennoch hat er ein immenses Potenzial und sollte dem polnischen Stürmer zumindest Zeit zum Durchatmen verschaffen.

Vielleicht ist es das, was sein alternder Körper am dringendsten braucht: Ruhe. Lewandowski ist noch nicht am Ende. Aber die letzten Monate haben Barça gezeigt, wie das Leben aussehen könnte, wenn er nicht mehr da ist. Die frischen Beine von Roque sind längst überfällig.

Artikel und Videos zum Thema