FC Barcelona: Es droht ein chaotischer Transfersommer

Von Thomas Hindle und Patrik Eisenacher
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Dem FC Barcelona könnte ein chaotischer Transfersommer bevorstehen. Bei all den finanziellen Unklarheiten vor dem Sommer-Transferfenster gibt es grundlegende Personalwechsel in der Führungsetage der Blaugrana.

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Im Jahr 2021 versuchte Barcelona alles, um Lionel Messi unter Vertrag zu halten. Sie senkten sein Gehalt so weit wie möglich. Sie baten andere Spieler, Gehaltskürzungen in Kauf zu nehmen. Sie schlugen sogar vor, dass er einfach umsonst spielen könnte, was aber schlicht und einfach nicht geht.

Trotz all dieser Versuche, ob legal oder nicht, ist Messi gegangen. Er landete bei Paris Saint-Germain. Barça machte sich derweil an die Arbeit. Sie entließen Trainer Ronald Koeman, gaben jungen Spielern eine Chance und arbeiteten im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten, um eine Mannschaft zu stabilisieren, die sich in La Liga auf Talfahrt befand.

Das hat natürlich nicht gereicht. Der spanische FCB erlebte ein turbulentes Transferfenster, in dem Präsident Joan Laporta die gängigen Konzepte der Finanzierung und des vernünftigen Sponsorings aushebelte, um seinen neuen, besseren Kader zusammenzustellen.

Robert Lewandowski, Raphinha und Jules Koundé kamen und verhalfen den Blaugrana zum LaLiga-Meistertitel. Doch nun fällt das Kartenhaus in sich zusammen. Sportdirektor Jordi Cruyff ist gegangen und Fußballdirektor Mateu Alemany hat seine Kündigung eingereicht.

Deco, der ehemalige portugiesische Barça- und Chelsea-Mittelfeldspieler, hat wenig Erfahrung, aber könnte nun Cruyff beerben. Derweil gibt es in der Führungsetage Unstimmigkeiten darüber, welche Spieler im Sommer kommen soll.

Diese jüngsten Zu- und Abgänge, das ständige Tohuwabohu in einem ohnehin schon turbulenten Verein, lassen auf hektische Monate schließen. Der Verein wird kurz vor einem entscheidenden Transferfenster gespalten.

FC Barcelona, Marco Asensio, Lionel Messi, Thomas Meunier, Inigo Martinez, Bernardo Silva, Rani Khedira, Ilkay Gündogan, Ngolo Kanté
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FC Barcelona: Das Alemany-Problem

Alemany wollte weg. Wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf, wollte er schon seit einiger Zeit weg. Der Fußballdirektor von Barça flirtete seit einigen Monaten mit Aston Villa. Die Engländer wollten ihn für das Projekt mit Trainer und Landsmann Unai Emery gewinnen. Doch wochenlang hatte Alemany abgesagt. Schließlich hatte der Spanier die unmögliche Aufgabe übernommen, Barcelona in der apokalyptischen Ära nach Messi wieder auferstehen zu lassen und sie zum spanischen Meistertitel 2023 zu führen.

Aber er war nun bereit, all das hinter sich zu lassen. Das jüngste Angebot, das Villa Anfang Mai 2023 unterbreitete, war zu verlockend. In einer kurzen Pressemitteilung gab er seine Absicht bekannt, die Blaugrana zu verlassen. Allerdings versprach er, alle Sommertransfers noch abzuwickeln - auch die, die nach seinem offiziellen Abgang abgewickelt werden sollten. Dieses Versprechen sorgte für Aussehen. Warum sollte ein scheidender Direktor noch den Großteil seiner restlichen Arbeit für seinen dann ehemaligen Arbeitgeber erledigen?

Es sah sehr danach aus, dass er einen Fuß in der Tür behalten wollte - nur für den Fall der Fälle. Und es wurde auch schnell klar, warum: Alemany hat seine Absicht, die Blaugrana zu verlassen, letzte Woche zurückgezogen. Warum?

"Ich bin mir bewusst geworden, dass mein Platz bei Barça ist, dem besten Verein der Welt. Ich bin fest entschlossen, dieses Projekt, das einen sehr wichtigen Schritt gemacht hat, weiter zu unterstützen", sagte er. "Aston Villa hat ein beeindruckendes Projekt und einen der besten Trainer in Europa, aber nach persönlichen Überlegungen möchte ich doch hier bleiben."

Jordi Cruyff
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FC Barcelona: Der Cruyff-Abgang

Wenige Tage vor Alemanys Kehrtwende kündigte ein weiteres hochrangiges Mitglied der Barcelona-Familie, Jordi Cruyff, ebenfalls seinen Rücktritt an. Sein Abgang war vielleicht noch unerwarteter. Cruyff war im Verein seines Vaters Johan aufgewachsen, sein katalanischer Vorname galt als Zeichen des guten Willens gegenüber der Stadt. In den Augen vieler war er von Geburt an ein Cule. Zwei Jahre lang war Cruyff die rechte Hand von Alemany, die Hälfte eines Top-Duos, das mit der Neugestaltung Barcelonas betraut war. Es schien ein Traumjob zu sein.

Doch Cruyff entschied sich dafür, all das zu beenden, um "neue Projekte zu verfolgen". Die Sitzung, in der sein Abgang bestätigt wurde, wurde vom Verein selbst als "emotional" beschrieben - nicht zuletzt, weil Trainer Xavi Cruyff öffentlich dazu aufrief zu bleiben.

Und kurz nach Cruyffs Abgang versprach Alemany, dass er doch bleiben wolle. Berichten zufolge sollen diese Ereignisse nicht miteinander zusammenhängen. Die spanische Zeitung Mundo Deportivo schrieb, dass Cruyff wirklich gehen wollte und Alemany sich einfach nicht mit Aston Villa identifizieren könne.

Doch es könnte auch mehr dahinterstecken.

Um den Transfer von Ferran Torres möglich zu machen muss der FC Barcelona kreativ werden.
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FC Barcelona: Uneinigkeiten bei Neuverpflichtungen

Vielleicht haben die beiden Streit, einen Zwist. Cruyff war bei Finanzen schon immer ein Realist. Im November 2022 sagte er, dass der FC Barcelona und Lionel Messi nach dessen Rücktritt ein letztes Mal zusammenkommen sollten - eventuell als Trainer, Sportdirektor oder Repräsentant. Er spielte die Möglichkeit ständig herunter, dass der Argentinier als aktiver Profi zurückkehren könnte.

Präsident Joan Laporta hingegen setzt sich seit eh und je für Messi ein. Aus sportlichen, marketingtechnischen und emotionalen Gründen ist der 35-Jährige aus seiner Sicht die Schlüsselverpflichtung des Sommers. Auch Trainer Xavi macht sich für seinen früheren Mitspieler stark.

Alemany ist jedoch nicht ganz so überzeugt davon. Immerhin handelt es sich hier um einen Direktor, dessen Erfolg daran gemessen wurde, ein Barcelona ohne Messi zusammenzustellen. Weil ihm das mit dem LaLiga-Titel gelang, wird er im Verein so gelobt. Im Gegensatz zu Laporta und Xavi hat er sich nicht auf Messi eingeschossen. Er spricht nur im Konjunktiv oder floskelhaft über Messi: "Wir werden sehen" ist derzeit ein wesentlicher Bestandteil von Alemanys Vokabular.

Diese Uneinigkeiten sorgen für Streit. Alemanys Projekt, ein Barcelona ohne Messi, könnte so zerschlagen werden und für noch mehr Turbulenzen sorgen.

Auch auf anderen Positionen gibt es kleinere Probleme. Laporta will Wolverhampton-Kapitän Ruben Neves als Ersatz für den scheidenden Sergio Busquets. Xavi seinerseits will den Portugiesen nicht. Er hat Real Sociedads Martin Zubimendi öffentlich gelobt, der Busquets spielerisch ähnelt.

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FC Barcelona: Deco und Raphinha

Dem FC Barcelona wurde unmissverständlich mitgeteilt, dass er sein Budget kürzen muss, um die ersehnten Transfers zu tätigen. LaLiga-Präsident Javier Tebas schätzt, dass die Blaugrana 200 Millionen Euro einsparen muss - allein, um die Vertragsverlängerungen von Gavi, Alejandro Balde und Ronald Araujo zu finalisieren.

Das ist ein Problem. Allerdings haben sie einen Spieler, der eine hohe Ablösesumme einbringen könnte. Raphinha, der brasilianische Flügelspieler hat eine durchwachsene erste Saison im Camp Nou hinter sich und konnte die 65 Millionen Euro, die Barça im letzten Sommer für ihn bezahlt hat, nicht rechtfertigen. Obwohl seine 14 Torvorlagen beeindruckend sind, hat er wegen seiner allzu häufigen Fehlentscheidungen immer wieder frustrierte Blicke geerntet.

Doch mit seinen 26 Jahren, seiner beeindruckenden Vorlagen-Quote und seinen spielentscheidenden Dribblings könnte Raphinha eine hervorragende Verpflichtung für ein Team sein, das noch einen Rechtsaußen braucht. Vielleicht bekommt Barça seine einstigen 65 Millionen Euro sogar wieder zurück. Sein Verkauf ist eine Priorität.

Da wartet schon wieder ein Problem: Deco, der frühere Mittelfeldspieler der Blaugrana. Mittlerweile hat er eine eigene Berateragentur und Raphinha ist einer seiner Klienten. Dank dem Portugiesen landete der Flügelstürmer vor einem Jahr in Barcelona und nicht bei Chelsea. Jetzt möchte der FCB Deco jedoch als Cruyff-Ersatz holen. Die Katastrophe scheint vorprogrammiert zu sein.

LIONEL MESSI: Barça kokettiert weiterhin mit einer Rückkehr von La Pulga (Vertrag bis 2023). Nach Präsident Joan Laporta äußerte sich nun sein Vize Eduard Romeu: "Es ist nicht meine Entscheidung, aber es ist finanziell möglich. Als freier Transfer."
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FC Barcelona: Auf der Suche nach dem letzten Cent

Aber was kann Barcelona noch tun? LaLiga-Konkurrent Real Madrid wird sich wohl bald mit Jude Bellingham verstärken. Für die Blaugrana muss es in der kommenden Saison das Ziel sein, in der Champions League erfolgreich zu sein. Die nächsten drei Monate auf dem Transfermarkt werden also entscheidend.

Messi ist das vorrangige Ziel, aber Barça sucht auch dringend einen Sechser und vielleicht auch einen Rechtsverteidiger. Im letzten Sommer hatte Barcelona tatsächlich Glück.

Das reichte für einen ordentlichen Kader. Doch jetzt ist es an der Zeit, die Mannschaft in die Weltklasse zu heben.

Streitigkeiten in der Führungsetage machen ein bevorstehendes, wichtiges Sommer-Transferfenster nur noch komplizierter. Geht das Chaos in der Chefetage weiter, droht dem gesamten Verein ein erneuter Kollaps.

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