"Der beste Linksverteidiger der Welt": Ein einstiger Bad Boy könnte beim FC Bayern Alphonso Davies ersetzen

Von Falko Blöding
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© Getty Images / SPOX

Théo Hernandez hat sich in Mailand prächtig entwickelt. Er gilt als heißester Kandidat auf eine Davies-Nachfolge beim FCB.

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Im Sommer 2019 war zunächst nicht klar, wie es für Théo Hernandez weitergeht. Er stand noch bei Real Madrid unter Vertrag, spielte aber nach seiner Ausleihe zu Real Sociedad keine Rolle in den Planungen der Verantwortlichen. Der Abwehrspieler grübelte über seine Zukunft. Sollte es ein erneutes Engagement in Spanien sein, wo er zehn Jahre lang bei Atlético ausgebildet worden war und auch schon auf Leihbasis bei Deportivo Alavés gekickt hatte? Oder lieber eine Rückkehr in seine Heimat Frankreich? Oder womöglich ein ganz neues Kapitel in einer anderen europäischen Liga?

Hernandez war also unentschlossen, hatte einige Offerten auf dem Tisch liegen und wägte im Urlaub auf Ibiza ab, wohin die Reise gehen könnte. Da bekam er hohen Besuch: Paolo Maldini reiste zu ihm auf die Balearen-Insel. Der vielleicht legendärste Linksverteidiger machte dem hochtalentierten Linksverteidiger das Angebot, zu Milan zu wechseln. Zu jenem Klub, für den Maldini jahrzehntelang erfolgreich gespielt hatte und für den er nun als Technischer Direktor arbeitete.

Hernandez fällte anschließend seine Entscheidung - für die AC Mailand. Für knapp 23 Millionen Euro Ablöse wechselte er zum damals noch recht erfolglosen und einst so erfolgsverwöhnten Klub. Daran, dass Maldini ein wesentlicher Faktor für seinen Wechsel war, ließ er keinen Zweifel. Noch im vergangenen Jahr, als Maldini unfreiwillig gehen musste, schrieb Hernandez auf Instagram: "Es ist traurig, dass ich mich von jemandem verabschieden muss, der mir vertraut und der mir geholfen hat, der Spieler zu werden, der ich heute bin. Ich wünsche Dir das Beste und hoffe, das Leben bringt uns noch einmal zusammen. #SempreMaldini".

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Bayern-Kandidat Théo Hernandez: "Der beste Linksverteidiger der Welt"

Der Spieler, der Hernandez heute ist, hat tatsächlich nicht mehr viel von dem ungeschliffenen Rohdiamanten aus dem Sommer 2019 zu tun. Der Franzose ist längst einer der herausragenden Akteure der Serie A und wird als ganz heißer Kandidat beim FC Bayern für die mögliche Nachfolge des offenbar wechselwilligen Alphonso Davies gehandelt. Verwunderlich wäre ein Interesse des FCB gewiss nicht.

Hernandez wurde in Marseille geboren und wuchs in Spanien auf. Er ist so ziemlich das, was sich ein Trainer von einem Linksverteidiger im modernen Fußball wünscht. Körperlich ist das 1,84 Meter große Kraftpaket eine Wucht und mit enormer Schnelligkeit ausgestattet. Er ist laufstark und verliert auch mit dem Ball am Fuß kaum Geschwindigkeit. Das hilft ihm bei seinen Offensivvorstößen, die längst gefürchtet sind.

Simone Gambino verfolgt Milan für GOAL seit Jahren und sieht in dem 26-Jährigen aktuell das Nonplusultra auf seiner Position: "Ich halte Théo im Moment für den besten Linksverteidiger der Welt. Er kann rennen, er kann passen, er kann Tore schießen und mittlerweile ist er auch ein solider Verteidiger."

Dazu gesellen sich laut Gambino auch ausgeprägte Anführerqualitäten: "Wenn die Momente wirklich wichtig sind, übernimmt er Verantwortung." Dazu passt, dass er in dieser Spielzeit bereits mehrfach mit der Kapitänsbinde auflief. Generell hat er das Image des "Bad Boys", das ihm einst anheftete, abgelegt. Freundin Zoé, Sohn Théo jr und seine vier Hunde sorgen für Erdung.

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Théo Hernandez kann auch als Innenverteidiger spielen

Konzentrationsschwächen waren in seinen ersten Milan-Jahren Hernandez' Manko. Oft schlichen sich Schnitzer ein, die sich meist darin äußerten, dass er sich in der Rückwärtsbewegung übertölpeln ließ. Mittlerweile hat er sich hier gesteigert. "Vor allem die letzten Monate haben ihn da weitergebracht", weiß Gambino. "Ihm hat sehr geholfen, dass er häufiger als Innenverteidiger eingesetzt wurde. Jetzt wirkt jetzt aufmerksamer."

Hernandez ist ein Spieler, der in jedem Spiel auffällt - und das nicht nur durch seine bisweilen ungewöhnlichen Haarfarben. Auch, wenn er mal keinen Sahnetag erwischt, sorgt sein Temperament dafür, dass er in Erscheinung tritt. Also etwa das, was man von einem Spieler erwartet, der seinen Durchbruch als Profi unter Diego Simeone feierte.

Er ist ein Heißsporn, der vor keinem Gegenspieler zurückweicht und bei Rudelbildungen stets vorne dabei ist. So legte er sich unter anderem schon mit Inter Mailands Denzel Dumfries und Matteo Politano von Meister Napoli an. Sechs Platzverweise sammelte er bisher während seiner Laufbahn.

Théo Hernandez: Seine Leistungsdaten für Milan 2023/24

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Théo Hernandez und seine Privatfehde mit Hakan Calhanoglu

Weitere Kostprobe seines Temperaments gefällig? Eine Privatfehde pflegt Hernandez mit Ex-Mitspieler Hakan Calhanoglu. Vor dem Derby zwischen Milan und Inter in der Saison 2022/23 verweigerte Calhanoglu Hernandez während des obligatorischen Abklatschens den Handschlag. Letzterer klopfte ihm stattdessen auf den Rücken und schickte ein paar verbale Nettigkeiten hinterher. Es gab das erste kurze Wortgefecht vor einer Partie, die in dramatischer Art und Weise mit 3:2 für die Rossoneri endete.

Ihren Ursprung hatte der Zwist im Sommer 2021, als der ehemalige Bundesligastar Calhanoglu nach zähen Verhandlungen mit Milan ablösefrei zu Inter wechselte. Es hagelte die übliche Kritik in den Sozialen Netzwerken, mehrere Mitspieler äußerten ihr Unverständnis. Aus Milan-Sicht aber gab es in der Folgesaison die perfekte sportliche Antwort: Der Traditionsklub gewann ohne Calhanoglu den ersten Scudetto nach elf Jahren - in einem Foto-Finish mit zwei Punkten Vorsprung auf Inter.

Die Meisterparty fiel spektakulär aus und dank Hernandez spielte auch Calhanoglu eine Rolle. Der impulsive Franzose, der auch einst mal einen Schiedsrichter auf Social Media mit Kotzsmileys bedachte, hatte den Abgang seines ehemaligen Mannschaftskameraden einige Monate zuvor nicht vergessen. Und so stimmte er während der Busparade durch die Modemetropole per Megafon den Schmähgesang "Calhanoglu H****sohn!" an. Ein gefundenes Fressen für Milans Tifosi, sie grölten begeistert mit.

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FC Bayern: Milan will mit Théo Hernandez verlängern

Es sind Aktionen wie diese, die ihm bei den Fans in Rot und Schwarz Kultstatus bescheren. Er ist einer der beliebtesten Spieler beim eigenen Anhang, sein Trikot zählt im offiziellen Fanshop zu den meistverkauften. Entsprechend groß ist die Sorge, dass sich Hernandez im Sommer verabschiedet.

Der französische Nationalspieler steht in Mailand nach einer vorzeitigen Verlängerung im Februar 2022 noch bis 2026 unter Vertrag. Die Gerüchte um ein Interesse des FC Bayern, wo Théos Bruder Lucas vier Jahre lang spielte und 2020 die Champions League gewann, halten sich hartnäckig. "Zunächst einmal wäre er ein großartiger Nachfolger für Alphonso Davies", ist Milan-Experte Gambino sicher. "Mit seinem offensiven Stil passt er perfekt in das Spiel der Bayern".

Gleichzeitig rechnet er aber nicht mit einem Abschied von Hernandez in diesem Sommer, dieser sei ein "Schlüsselspieler und es wäre nahezu unmöglich, einen Ersatz für ihn zu finden". Er rechnet vielmehr damit, dass Milans Verantwortliche alles daran setzen, ihn mit einem neuen Arbeitspapier noch länger an sich zu binden. "So viel ich weiß, möchte Théo liebend gerne weiter für Milan spielen. Die Chancen auf eine Einigung stehen also gut", so Gambino.

Sollte man doch nicht zueinander finden, rechnet er mit einer Ablöseforderung in Höhe von rund 80 Millionen Euro. Also weniger als die 100 Millionen Euro, die in Medien bereits kolportiert wurden und mehr als die 60 bis 70 Millionen, welche die Bayern gemäß Sky für ihn veranschlagen.

Sollten sich die Bayern ernsthaft um Hernandez' Dienste bemühen, bleibt zu hoffen, dass der sich diesmal nicht von Paolo Maldini beeinflussen lässt. Denn der entschied sich bekanntermaßen während seiner Laufbahn stets für Milan.