"Das war eine Katastrophe": Jürgen Klopp und der FC Liverpool durchleben eine höllische Woche

Von Mark Doyle / Oliver Maywurm
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Jürgen Klopp wird den FC Liverpool als Legende verlassen. Doch es besteht die Gefahr, dass seine letzten Wochen in Anfield trist werden.

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Es war David Moyes, der vor etwas mehr als einem Jahrzehnt darauf hinwies, dass Manchester United "sich in mehreren Bereichen verbessern muss, einschließlich Passspiel, dem Herausspielen von Chancen und der Abwehrarbeit". Nach der schockierenden 0:1-Niederlage gegen Crystal Palace am Sonntag gab Liverpools Linksverteidiger Andy Robertson nun eine ähnlich unverblümte Einschätzung der aktuellen Probleme der Reds ab und räumte ein, dass man viel zu viele Gegentore kassiere und nicht annähernd genug Tore schieße.

"Das ist nicht gut für den Erfolg", sagte Robertson in seiner gewohnt sachlichen Art. "Wir haben Probleme, eine weiße Weste zu behalten. Ich weiß nicht, wie viele wir in den letzten zehn oder 15 Spielen hatten, aber es werden nicht viele gewesen sein. Und wenn man hinten nicht die Null hält, muss man seine Torchancen nutzen. So einfach ist das."

Es ist jedoch nicht so einfach für Jürgen Klopp, dieses Problem zu lösen. Denn es ist ja nicht so, dass er die Chancen, die seine Stürmer vergeben, einfach wegstecken oder die Fehler, die seine Verteidiger begehen, ausbügeln könnte. Und die schonungslose Quintessenz ist, dass Liverpool seine schlechteste Phase der Saison zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt durchmacht und unter einem kollektiven Vertrauens- und Überzeugungsverlust leidet, den der Trainer nicht erklären, geschweige denn beheben kann.

Nach Klopps Woche aus der Hölle besteht nun tatsächlich die Befürchtung, dass eine neunjährige Amtszeit mit so vielen unvergesslichen Höhepunkten auf einem bitter enttäuschenden Tiefpunkt endet.

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Jürgen Klopp und der FC Liverpool erleben eine Woche aus der Hölle: "War eine Katastrophe"

Nachdem Liverpool am 7. April unnötigerweise zwei Punkte bei Manchester United verloren hatte - nur drei Wochen nach dem Ausscheiden aus dem FA-Cup in Old Trafford -, versuchte Klopp, die Bedeutung der beiden enttäuschenden Ergebnisse gegen ein ziemlich schwaches United herunterzuspielen.

Er hatte schon zugegeben, dass seine Mannschaft in der Verlängerung des verlorenen FA-Cup-Viertelfinales zum ersten Mal in dieser Saison körperlich zu kämpfen hatte. Nach dem 2:2 in der Liga räumte er dann ein, dass die zwei Rückschläge gegen den größten Rivalen kurz hintereinander seine Spieler auch psychologisch getroffen haben könnten.

"Ich bin mir nicht 100-prozentig sicher, dass die Art und Weise, wie wir mit den Spielen gegen United umgegangen sind, besonders hilfreich war", sagte er. "Ich meine, wir haben das Spiel im Pokal verloren und das war eine Katastrophe, weil wir so gut waren und trotzdem verloren haben. Dann haben wir dort (in der Liga, d. Red.) unentschieden gespielt, waren lange Zeit richtig gut, haben aber nur ein Remis geholt."

Aber es sollte noch schlimmer kommen. Viel schlimmer.

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Der FC Liverpool in der Endphase unter Jürgen Klopp: "Ins Stocken geraten"

Vier Tage nach der bitteren Erfahrung in Manchester wurde Liverpool von Atalanta in Anfield auseinandergenommen. Der ehemalige Reds-Star Steve McMananman konstatierte danach auf TNT Sports, dass Klopps Erfolgsmaschine "ins Stocken geraten ist".

Der Trainer hatte mit sechs Änderungen gegenüber dem Spiel in Old Trafford die im Nachhinein falsche Aufstellung gewählt - und Atalanta nutzte die Gunst der Stunde, indem die Italiener das Liverpooler Mittelfeld in der ersten Halbzeit nach Belieben überrannten und sehr dominant auftraten.

Klopp versuchte, die Situation zu retten, wechselte unter anderem Mohamed Salah nach der Pause ein. Doch Liverpool kassierte noch zwei weitere Treffer und Atalanta feierte einen historischen 3:0-Sieg, der das Europa-League-Viertelfinalduell möglicherweise schon vor dem Rückspiel in Bergamo am Donnerstag entschieden hat.

Einige warfen Klopp vor, Atalanta unterschätzt zu haben und bestanden darauf, er hätte seine beste Elf aufstellen sollen - ein verständlicher Einwand. Die letzten Wochen haben jedoch gezeigt, dass der Trainer in einer Zwickmühle steckt, da viele seiner Stammspieler Ermüdungserscheinungen zeigen und gleichzeitig jene Akteure, die für sie einspringen, nicht das erhoffte Niveau erreichen.

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Liverpool im Saisonendspurt: Müdigkeit ist nun ein Faktor

Da die Backups nicht so gut ablieferten wie erhofft, hat sich Klopp stärker auf Spieler wie Alexis Mac Allister und Wataru Endo verlassen müssen, als ihm lieb war. Kein Wunder also, dass beide Mittelfeldspieler gegen Palace nicht ganz auf der Höhe schienen.

"Haben Wataru (Endo, d. Red.) und Macca (Mac Allister, d. Red.) in den letzten Wochen ein bisschen zu viel gespielt? Vielleicht, sie waren die beiden Spieler, die am meisten eingesetzt wurden, vor allem Macca", sagte Klopp, bevor er darauf hinwies, dass die vielen verletzungsbedingten Ausfälle der letzten Monate Liverpools Lage zusätzlich erschwert haben.

Trent Alexander-Arnold und Alisson Becker bestritten am Sonntag ihr jeweils erstes Spiel seit vielen Wochen, Dominik Szoboszlai war in der zweiten Saisonhälfte nach einer Reihe von Blessuren nicht mehr derselbe Spieler wie zuvor. Und Mohamed Salah hat nach seiner längeren Verletzungspause noch nicht wieder zu seiner Bestform zurückgefunden.

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Liverpool-Legende sah die Lage nach Atalanta noch nicht so dramatisch

Der ehemalige Liverpool-Verteidiger Jamie Carragher forderte daher, dass Klopp im Rückspiel gegen Atalanta "eine komplette B-Mannschaft" aufstellen und "alles auf die Liga setzen" solle.

"Wir sind in der Liga in einer besseren Position als jetzt in der Europa League, also denke ich, dass die Liga einfach zu wichtig ist", sagte er dem Liverpool Echo. "Fulham ist viel wichtiger als Atalanta und selbst als das Weiterkommen."

Carragher geht zwar davon aus, dass sich Manchester City am Ende zum englischen Meister krönen wird. "Aber wir haben immer noch eine große Chance, also gibt es keinen Grund, nach dem, was am Donnerstag passiert ist (gegen Atalanta, d. Red.), zu niedergeschlagen zu sein", so der frühere englische Nationalspieler.

Allerdings sagte Carragher das alles vor dem Desaster vom Sonntag, als Liverpool seine 28 Spiele andauernde Ungeschlagen-Serie in der Liga gegen eine Mannschaft einbüßte, die zuvor seit November kein Auswärtsspiel mehr gewonnen hatte.

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FC Liverpool kassiert herben Dämpfer: Pressing und Gegenpressing? "Das war gar nichts"

Die Reds wurden natürlich dafür bestraft, dass sie die vielen klaren Chancen, die sie gegen Palace hatten, nicht nutzten. Aber es war die Leistung in der ersten Halbzeit, die besonders besorgniserregend war.

Wieder einmal begann Liverpool unerklärlich behäbig und wieder einmal erhielten die Reds die Quittung dafür, gerieten zum vierten Mal in den letzten fünf Spielen in Anfield in Rückstand. Klopp kann natürlich nicht für die Nachlässigkeit seiner Stürmer verantwortlich gemacht werden, aber die Trägheit und mangelnde Organisation seiner Mannschaft wirft verständlicherweise Fragen auf. Wie er selbst zugab, gab es "zu viele Momente, in denen wir in die falsche Richtung gelaufen sind".

Klopp führte aus: "Wenn man sich meine Mannschaften aus über 20 Jahren ansieht ist das Pressing und Gegenpressing immer ziemlich gut, an manchen Tagen ist es sogar hervorragend. In der ersten Halbzeit heute war das gar nichts."

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Bekommt Liverpool nochmal die Kurve? Es wird noch härter

Liverpool spielte gegen Palace schlichtweg wie eine Mannschaft, die in dieser Saison bereits 51 Spiele absolviert hat. Man wirkte lethargisch und beunruhigend anfällig für Konter.

Und das Problem ist, dass es in naher Zukunft nur noch härter wird. Die Reise nach Bergamo am Donnerstag ist das erste von vier aufeinanderfolgenden Auswärtsspielen, in der Liga muss Liverpool danach zu Fulham, Everton und West Ham.

Bei der derzeitigen Form bringt keines dieser Spiele garantierte drei Punkte - und da sich die Reds bis zum Ende der Saison keine weiteren Punktverluste mehr leisten können, könnte die Spielzeit für Liverpool im schlimmsten Fall schon Ende nächster Woche praktisch vorbei sein. Es wäre ein furchtbar enttäuschender Ausklang für Klopps großartige Amtszeit.

Natürlich ist noch nicht alles verloren. Auch Robertson sagte, dass er und seine Mannschaftskameraden bis zum Ende kämpfen werden - und Liverpool hat immer noch Zeit, die Lage wieder ins Gegenteil umzukehren. Aber Klopps Jungs müssten sich dafür in jedem Bereich verbessern. So einfach ist das. Und so schwierig.

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