Viel Geld für Altlasten und Bankdrücker: Der clevere Verkaufs-Wahn des FC Chelsea

Von Christian Guinin
Pierre-Emerick Aubameyang
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Nach einem aggressiven und vor allem kostenintensiven Transferwinter präsentiert sich der FC Chelsea im aktuellen Sommer-Fenster äußerst zurückhaltend. Hauptsächlich fallen die Blues damit auf, Spieler von ihrer Gehaltsliste zu streichen.

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Insgesamt 329,5 Millionen Euro gab der FC Chelsea im vergangenen Winter für neue Spieler aus. Enzo Fernández, Mykhaylo Mudryk, Benoît Badiashile, Noni Madueke - sie alle wechselten für teils horrende Summen an die Stamford Bridge. Allein für Fernández blätterten die Blues 120 Millionen Euro hin - eine Rekordsumme für die Premier League.

Der sportliche Erfolg ließ jedoch zu wünschen übrig. In beiden Pokalwettbewerben kam man nicht über die dritte Runde hinaus, in der Champions League war im Viertelfinale gegen Real Madrid Endstation. Noch schlimmer erwischte es Chelsea in der Liga. Nach einem katastrophalen Platz 12 wird man in der kommenden Saison das erste Mal seit der Saison 2015/16 nicht im Europapokal antreten.

Für die Blues fallen damit wichtige Einnahmen weg, die man für die Finanzierung des Kaders dringend nötig hätte. Auch deshalb hat Chelsea in diesem Sommer den großen Ausverkauf ausgerufen. Von vielen Spielern hat man sich bereits getrennt, weitere sollen folgen.

Wir werfen einen Blick auf den wilden Verkaufs-Sommer des FC Chelsea.

Tiemoué Bakayoko
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Tiemoué Bakayoko

Ablösefrei zu unbekannt

Der Mittelfeldspieler ist der erste Akteur, der man in dieser Auflistung als klassischen Flop bezeichnen darf. Sechs Jahre lang stand er beim FC Chelsea unter Vertrag, in dieser Zeit kam er aber auf gerade einmal 43 Pflichtspiele.

Nach seinem Wechsel von der AS Monaco im Jahr 2017 bekam er unter Antonio Conte zunächst noch das volle Vertrauen ausgesprochen, nach dessen Entlassung fand sich Bakayoko meist nur noch auf der Bank wieder.

Daran änderte auch eine Vielzahl von Leihgeschäften nichts. Weder bei der SSC Neapel, bei der AC Milan oder einer Rückkehr nach Monaco konnte sich der Mittelfeldspieler für eine dauerhafte Anstellung empfehlen. Sein Ende Juni auslaufender Vertrag bei Chelsea wurde deswegen auch nicht mehr verlängert. Wohin es Bakayoko nun zieht, ist noch nicht bekannt.

David Fofana
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David Fofana

Für unbekannte Ablöse zu Union Berlin

Der Ivorer wurde erst im vergangenen Winter vom norwegischen Klub Molde FK verpflichtet, nun muss er Chelsea schon wieder verlassen. Grund dafür dürfte die äußerst geringe Aussicht auf Einsatzzeiten bei den Blues sein, die ihm schon in der abgelaufenen Rückrunde zum Verhängnis wurde.

Lediglich viermal stand er da für die Londoner auf dem Platz, wobei er eher weniger zu überzeugen wusste. Null Tore und gerade einmal 113 Minuten Spielzeit sind seine dürftige Bilanz.

Bei Union Berlin soll Fofana nun leihweise zu Einsätzen kommen. Ironischerweise ist das "Downgrade" für den Stürmer sogar die Gelegenheit, sich international zu präsentieren. Während Chelsea nämlich die Qualifikation für das internationale Geschäft verpasste, spielen die Berliner im kommenden Jahr Champions League.

Abdul Rahman Baba
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Abdul Rahman Baba

Ablösefrei zu PAOK Saloniki

Die Transferhistorie des Linksverteidigers seit seinem Wechsel zu den Blues liest sich wie die reinste Odyssee. Bei sage und schreibe fünf verschiedenen Klubs stand Baba unter Vertrag, wobei keine einzige wirklich von Erfolg gekrönt war. Oft brachte der Ghanaer schlicht und ergreifend seine Leistung nicht auf den Platz, hier und da behinderten ihn aber auch komplizierte Verletzungen.

Den Weg in Chelseas Startelf fand er dementsprechend auch nie. Nur 23-mal kam er für die Blues zum Einsatz, zwischenzeitlich wurde er sogar in die U21 verbannt, da man keine Verwendung mehr für ihn sah.

Sein ablösefreier Wechsel zu Saloniki, wo er zwischen Januar und Juni 2021 schon einmal unter Vertrag stand, ist das Ende eines großen Missverständnisses, welches sich für beide Seiten nie jemals auszahlte.

Pierre-Emerick Aubameyang
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Pierre-Emerick Aubameyang

Ablösefrei zu Olympique Marseille

Als Wunschspieler von Thomas Tuchel zum FC Chelsea gekommen war der Stürmer wohl einer der Hauptleidtragenden der überraschenden Entlassung des Deutschen. Weder unter Nachfolger Graham Potter noch dem für die Saisonendphase interimsweise eingestellten Frank Lampard sollte Aubameyang das Vertrauen erhalten.

Für die Champions League wurde Aubameyang nach der Winterpause gar die Spielberechtigung entzogen, um die im Januar neu verpflichteten Spieler für die Begegnungen der Blues in der Königsklasse anmelden zu können.

César Azpilicueta
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César Azpilicueta

Ablösefrei zu Atlético Madrid

Über zehn Jahre trug der Spanier das Trikot des FC Chelsea, ehe man sich im Sommer - trotz eines laufendenden Vertrages - auf eine Beendigung der Zusammenarbeit verständigte. Azpilicueta wechselt deshalb auch ablösefrei zu Atlético, die Blues bekommen keinen Cent Ablöse.

Das Gehalt wird man bei Chelsea dennoch gerne einsparen, schließlich war der Verteidiger in der vergangenen Saison nicht mehr so unverzichtbar wie noch einige Jahre zuvor. Zwar absolvierte Azpilicueta noch stolze 25 Spiele in der Premier League, immer häufiger musste er aber der jüngeren Garde den Vortritt lassen. Wäre Reece James nicht weite Teile der Saison aufgrund einer Oberschenkelverletzung ausgefallen, hätte der Spanier wohl noch weniger Spielzeit abbekommen.

N'Golo Kanté
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N'Golo Kanté

Ablösefrei zu Al-Ittihad

Der Mittelfeldspieler ist vielleicht der einzige Akteur in dieser Liste, mit dem der FC Chelsea gerne über den Sommer hinaus weiter zusammengearbeitet hätte. Wenn fit war Kanté absoluter Stammspieler an der Stamford Bridge und unter allen Trainern gesetzt.

Der lange Ausfall des Franzosen in der vergangenen Spielzeit ist wohl auch einer der Hauptgründe für die verpatzte Saison der Blues. Lediglich neun Spiele absolvierte Kanté 2022/23, da ihn zunächst eine Oberschenkel- und später eine Leistenverletzung monatelang ausfallen ließ.

In Saudi-Arabien soll Kanté nun über vier Jahre rund 100 Millionen Euro verdienen.

Ethan Ampadu
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Ethan Ampadu

Für 8,1 Millionen Euro zu Leeds United

Trotz einer ordentlichen Saison bei Spezia Calcio verkaufte Chelsea den defensiven Mittelfeldspieler für etwas mehr als acht Millionen Euro an PL-Absteiger Leeds United. Bei den Blues spielte Ampadu in der Vergangenheit ohnehin eine eher untergeordnete Rolle.

Nur zwölf Pflichtspiele absolvierte er in den sechs Jahren, in denen er bei den Londonern unter Vertrag stand. Dafür wurde er viermal ausgeliehen. Neben Spezia lief er auch für Sheffield, Venedig und RB Leipzig auf.

Ruben Loftus-Cheek
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Ruben Loftus-Cheek

Für 16 Millionen Euro zur AC Milan

Lange Zeit galt der Engländer als großes Talent und Spieler für die Zukunft im Blues-Mittelfeld, nach knapp 20 gemeinsamen Jahren muss man aber bilanzieren, dass es für das Kaliber eines FC Chelsea bei Loftus-Cheek nie so ganz reichte.

So wurde auch er in den vergangenen Jahren zweimal verliehen. 2017/18 ging es für eine Spielzeit zu Crystal Palace, 2020/21 wurde er für ein Jahr an den FC Fulham verliehen. Seine Position bei den Blues hat das jedoch kaum verändert. Über den Status eines Ergänzungsspielers ist Loftus-Cheek nie hinausgekommen.

Edouard Mendy
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Edouard Mendy

Für 18,5 Millionen Euro zu Al-Ahli

Der Keeper ersetzte nach seiner Verpflichtung im Spätsommer 2020 den bisherigen Stammtorhüter Kepa umgehend und unterzeichnete einen Fünfjahresvertrag bei den Blues. Die Torwartfrage bei Chelsea galt dadurch über Jahre hinaus geklärt.

Und in seiner ersten Spielzeit wusste Mendy tatsächlich mit außergewöhnlichen Leistungen zu überzeugen. Nicht nur führte er die Londoner 2021 zum Gewinn der Champions League, im selben Jahr wurde er auch zum FIFA-Welttorhüter des Jahres gewählt.

Mit der Zeit häuften sich bei Mendy jedoch die Patzer. Das gipfelte in der vergangenen Saison, als Graham Potter den eigentlich schon aussortierten Kepa wieder zur Nummer eins machte und den Senegalesen auf die Bank beorderte.

Christian Pulisic
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Christian Pulisic

Für 20 Millionen Euro zur AC Milan

Die hohen Erwartungen, die man bei Chelsea nach seiner Verpflichtung 2019 hatte, konnte der US-Amerikaner nie wirklich erfüllen. Die ehemalige Chelsea-Direktorin Marina Granovskaia bezeichnete ihn nach Vertragsunterschrift als "eines der begehrtesten Talente in Europa" und skizzierte die Vision des Vereins für seine Zukunft. Daraus wurde aber nichts.

Einen Großteil seiner 145 Einsätze bei den Blues absolvierte er von der Bank kommend, einen Stammplatz hatte Pulisic unter keinem der Trainer, die zu seiner Zeit den FC Chelsea betreuten, inne. Oft standen ihm längere Verletzungspausen im Weg, insgesamt rief er aber nie sein Potenzial aus Dortmunder Zeiten ab, welches sich die Londoner einst 64 Millionen Euro kosten ließen.

Warum genau Pulisic beim FC Chelsea gescheitert ist, könnt Ihr hier nachlesen.

Kalidou Koulibaly
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Kalidou Koulibaly

Für 23 Millionen Euro zu Al-Hilal

Die einjährige Beziehung zwischen Chelsea und dem Innenverteidiger darf man im Nachhinein auch getrost als Missverständnis bezeichnen. Koulibaly kam in der vergangenen Spielzeit zwar auf immerhin 32 Einsätze, hier und da musste er aber auf der Bank Platz nehmen und der jüngeren Konkurrenz um Benoît Badiashile oder Wesley Fofana den Vortritt lassen.

Das reichte offenbar bei Koulibaly aus, um seine Position bei Chelsea infrage zu stellen. "Ich mag es nicht, auf der Bank zu sitzen und nichts zu tun. Ich ziehe es vor, dorthin zu gehen, wo man mich wirklich will", meinte er nach seinem Wechsel zu Al-Hilal.

Dorthin wechselt er für eine Ablösesumme von 23 Millionen Euro, wobei auch eigene finanzielle Interessen im Vordergrund standen. "Ich kann es nicht leugnen. Ich werde meiner ganzen Familie, von meinen Eltern bis zu meinen Cousins, zu einem guten Leben verhelfen und die Aktivitäten meines Vereins 'Capitaine du Coeur' im Senegal unterstützen können. Wir haben mit dem Bau einer Klinik im Dorf meiner Eltern begonnen. Ich habe viele Projekte, um jungen Menschen zu helfen", so Koulibaly.

Mateo Kovacic
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Mateo Kovacic

Für 29,1 Millionen Euro zu Manchester City

Neben Kanté ist Kovacic die zweite Mittelfeldstütze, die den Blues wegbricht und mit der man wohl lieber weitergemacht hätte, anstatt ihn an die direkte Konkurrenz zu verlieren. 29 Millionen Euro Sockelablöse überweist Manchester City für den Kroaten an die Stamford Bridge, inklusive Bonuszahlungen könnte die Summe sogar noch auf 35 Millionen Euro steigen.

Für Kovacic selbst macht ein Wechsel Sinn, nimmt er bei City den freigewordenen Platz von Ilkay Gübdogan ein, der sich seinen Traum von FC Barcelona erfüllte. Bei Chelsea war der Mittelfeldspieler in der abgelaufenen Saison unumstrittener Stammspieler mit 37 Einsätzen, wobei er die Blues zeitweise sogar als Kapitän auf den Platz führte.

Mason Mount
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Mason Mount

Für 64,2 Millionen Euro zu Manchester United

Stolze 195 Einsätze absolvierte der Engländer in vier Jahren bei den Chelsea-Profis - und das mit gerade einmal 24 Jahren. Ohne Frage zählt Mount zu den vielversprechendsten Fußballern seines Landes, dennoch konnte man sich mit den Blues nicht auf eine Verlängerung des ursprünglich bis 2024 datierten Vertrages einigen.

Chelsea setzte Mount in der Folge auf die Transferliste und fand in Manchester United einen Abnehmer, der bereit war, knapp 65 Millionen Euro hinzublättern.

Ein ordentlicher Deal für Chelsea, schließlich absolvierte Mount, trotz seines Status als Stammspieler, keine sonderlich überragende Saison im Chelse-Dress. In wettbewerbsübergreifend 35 Spielen erzielte er drei Tore und bereitete sechs Treffer vor, hinzu kamen Verletzungsprobleme am Saisonende.

Kai Havertz
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Kai Havertz

Für 75 Millionen Euro zum FC Arsenal

Für die Chelsea-Fans wird der Deutsche wohl immer mit dem entscheidenden Tor im Champions-League-Finale 2021 gegen Manchester City in Verbindung gebracht werden, unterm Strich war sein Treffer im Königsklassen-Endspiel aber eines der wenigen Highlights seiner Zeit bei den Blues.

Frank Lampard, Thomas Tuchel und Graham Potter haben es allesamt nicht geschafft, das Maximum aus Havertz herauszuholen, der in verschiedenen Formationen und Systemen vor allem mit Konstanz zu kämpfen hatte.

Am Ende stehen in 139 Einsätzen deshalb auch "nur" 32 Tore zu Buche, obwohl Havertz weite Teile seiner Chelsea-Zeit als Neuner aufgeboten wurde. Bei den Gunners soll Havertz nun aufblühen - dank der Ablösesumme von 75 Millionen Euro machen die Blues immerhin ein gutes Geschäft.

Mauricio Pochettino
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FC Chelsea, Verkäufe: Das Fazit (253,9 Millionen Euro Einnahmen)

Insgesamt muss man dem FC Chelsea zu seinem bisherigen Vorgehen im Sommer-Transferfenster gratulieren. Die Blues haben es geschafft, sich von vielen Altlasten zu trennen, die in den Planungen von Mauricio Pochettino ohnehin keine große Rolle mehr gespielt hätten.

Damit wurden nicht nur wichtige und teilweise hohe Ablösesummen eingenommen - die Chelsea nach der Winter-Shoppingtour auch dringend nötig hat - es wurden auch die Gehaltskosten drastisch gesenkt.

Auf der Liste der "Wunsch"-Abgänge sind lediglich noch Callum Hudson-Odoi, Hakim Ziyech und Romelu Lukaku übrig. Letzterer wird hartnäckig mit einem Transfer zu Juventus Turin in Verbindung gebracht, auch bei Hudson-Odoi und Ziyech gibt es potenzielle Abnehmer. Der englische Stürmer und Ex-Bayern-Flirt hat wohl das Interesse von Lazio Rom auf sich gezogen, den Marokkaner zieht es aller Voraussicht nach nach Saudi-Arabien.

Vor allem mit Lukaku und Ziyech könnte man zwei weitere Großverdiener von der Gehaltsliste streichen. Darüber hinaus wird bei allen drei Spielern wohl eine Ablöse fällig werden, mit der man die klamme Kasse ebenfalls etwas entlasten könnte.