Der Form-Fokus zementiert auch die Startelf: Kommentar zum DFB-Kader von Julian Nagelsmann

DFB-Team, Voraussichtliche Aufstellung, WM 2022, Katar, Deutschland, Costa Rica, Hansi Flick, Manuel Neuer, Jamal Musiala, Thomas Müller, Niclas Füllkrug, Ilkay Gündogan, Leon Goretzka, Joshua Kimmich, Niklas Süle, Antonio Rüdiger
© getty

Bundestrainer Julian Nagelsmann hat bei seiner Kader-Nominierung für die letzte Testphase vor der Heim-Europameisterschaft mutige Entscheidungen getroffen. Er setzt auf formstarke Neulinge statt DFB-Routiniers, womit er gleichzeitig seine ziemlich offen kommunizierten Startelf-Pläne zementiert. Ein Kommentar.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Bei der Pressekonferenz zum neuen DFB-Kader ging es an diesem Donnerstagnachmittag in Frankfurt so ausgiebig ums Momentum, dass letztlich wohl das Wort Momentum das größte Momentum hatte. Warum Bundestrainer Julian Nagelsmann abgesehen von Niclas Füllkrug auf sämtliche Dortmunder verzichtete? Momentum! Warum er ein Stuttgarter Quartett nominierte, von dem Waldemar Anton, Maximilian Mittelstädt und Deniz Undav sogar erstmals dabei sind? Momentum! Und überhaupt: "Momentum ist auf Nationalmannschafts-Ebene sehr entscheidend."

Im Vergleich zur vorherigen Länderspielphase im November veränderte der Bundestrainer seinen 26-köpfigen Kader auf elf Positionen, darunter sechs Debütanten. Selten zuvor richtete sich ein Bundestrainer bei seiner Kader-Nominierung dermaßen nach der aktuellen Form wie nun Nagelsmann. Selten zuvor standen dermaßen viele Spieler ohne internationale Erfahrungen im Aufgebot. Selten zuvor wurden bestehende Strukturen dermaßen zerbrochen.

Das ist in der letzten Länderspielphase vor der Heim-EM mit Testkicks in Frankreich und gegen die Niederlande zwar ein großes Risiko, aber auch eine völlig verständliche Entscheidung - unabhängig davon, ob sie letztlich zum Erfolg führt. Nach all den Enttäuschungen der vergangenen Jahre und Monate, nach den beiden Pleiten gegen Österreich und die Türkei im November, waren frische Impulse zwingend nötig. Schlechter konnte es eh nicht mehr werden.

Nagelsmann-Goretzka-1600
© getty

Warum Julian Nagelsmann auf Leon Goretzka und Mats Hummels verzichtete

Radikale Entscheidungen traf Nagelsmann speziell in der Kader-Region der ersten Reservisten. Als prominenteste Opfer gelten die beiden langjährigen Nationalspieler Leon Goretzka und Mats Hummels, in diese Kategorie fallen aber auch Hummels' zahlreiche nicht nominierte BVB-Kollegen. Sie alle sieht Nagelsmann weder in der Startelf noch als ideale Kandidaten für "Backup-Rollen". Lieber setzt er dort auf dankbare Neulinge, Fast-Neulinge oder Rückkehrer. "Ihr Reiz muss in den Augen funkeln", forderte Nagelsmann pathetisch.

Das ist einerseits eine Entscheidung für das Momentum, andererseits aber auch eine Entscheidung für Ruhe und Einheit. Beispiel? Waldemar Anton oder Aleksandar Pavlovic werden einen Bankplatz eher still akzeptieren und weiterhin pure Freude ausstrahlen, als Hummels oder Goretzka.

Nur eine Ausnahme machte Nagelsmann bei dieser Strategie und zwar für Thomas Müller. Als "Gesicht des deutschen Fußballs und der Fans" wollte der Bundestrainer die 34-jährige Ikone des FC Bayern München unbedingt dabei haben, obwohl er für die Startelf wohl eher nicht in Frage kommt.

WM 2022, Weltmeisterschaft, Katar, DFB-Team, Deutschland, Nationalmannschaft, Noten, Einzelkritiken, Zeugnis, Bewertung
© getty

DFB-Team: Julian Nagelsmann gibt detaillierte Einblicke in seine Startelf-Pläne

Mit dieser mutigen Nominierungsstrategie zementierte Nagelsmann gleichzeitig seine angedachte Startelf, die er in weiten Teilen überraschend offen kommunizierte. Die Innenverteidiger Antonio Rüdiger und Jonathan Tah seien vor Keeper Manuel Neuer "erstmal gesetzt". Genau wie rechts hinten Joshua Kimmich, der in der Kader-Grafik entsprechend als Verteidiger gelistet war.

Die Doppelsechs bilden Rückkehrer Toni Kroos sowie ein defensivstarker Mittelfeldspieler, in Frage kommen Robert Andrich und Pascal Groß. "Ilkay lasse ich definitiv weiter vorne spielen", betonte Nagelsmann. Gündogan ist als Kapitän in der offensiven Zentrale gesetzt. Für die Posten links und rechts neben Gündogan nannte Nagelsmann Jamal Musiala, Florian Wirtz und den aufgrund seiner aktuellen Rot-Sperre fehlenden Leroy Sané.

Wirkliche Ungewissheit herrscht somit nur links hinten sowie im Sturm, wo diverse Momentums-Spieler auf einen Startplatz hoffen dürfen. Als Linksverteidiger kommen aus dem aktuellen Kader gleich vier Spieler in Frage, überraschend auch Jan-Niklas Beste. Obwohl er beim 1. FC Heidenheim als Linksaußen agiert, listete ihn Nagelsmann in der Kategorie "Abwehr".

Im Sturm fordern Deniz Undav und Maximilian Beier von der TSG Hoffenheim die Platzhirsche Niclas Füllkrug und Kai Havertz heraus. Sollte irgendein deutscher Stürmer in den kommenden Wochen aber eine Torserie hinlegen, sollte er sich unbedingt Hoffnungen auf eine EM-Nominierung machen. Denn vor allem auf den Offensiv-Positionen, erklärte Nagelsmann, "ist das Momentum sehr entscheidend".

DFB-Team: Das Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft

Tor: Oliver Baumann (TSG Hoffenheim), Bernd Leno (FC Fulham), Manuel Neuer (Bayern München), Marc-Andre ter Stegen (FC Barcelona)

Abwehr: Waldemar Anton (VfB Stuttgart), Benjamin Henrichs (RB Leipzig), Joshua Kimmich (Bayern München), Robin Koch (Eintracht Frankfurt), Maximilian Mittelstädt (VfB Stuttgart), David Raum (RB Leipzig), Antonio Rüdiger (Real Madrid), Jonathan Tah (Bayer Leverkusen), Jan-Niklas Beste (1. FC Heidenheim)

Mittelfeld: Robert Andrich (Bayer Leverkusen), Chris Führich (VfB Stuttgart), Pascal Groß (Brighton & Hove Albion), Ilkay Gündogan (FC Barcelona), Toni Kroos (Real Madrid), Jamal Musiala (Bayern München), Aleksander Pavlovic (Bayern München), Florian Wirtz (Bayer Leverkusen)

Angriff: Maximilian Beier (TSG Hoffenheim), Niclas Füllkrug (Borussia Dortmund), Kai Havertz (FC Arsenal), Thomas Müller (Bayern München), Deniz Undav (VfB Stuttgart)