Borussia Dortmund - Anschlag auf den BVB jährt sich: "Ich hatte Todesangst"

Von SPOX
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Zum sechsten Mal jährt sich der Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund vom 11. April 2017. Die Sprengstoffattacke hatte weitereichende Folgen für die Spieler, den BVB und besonders den damaligen Trainer Thomas Tuchel, der kürzlich beim FC Bayern München unterschrieb. Eine Chronologie der Ereignisse.

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Sechs Jahres ist der Sprengstoffanschlag her. Seitdem entwickelte sich vieles anders als erwartet bei Borussia Dortmund. Kurz vor dem sechsten Jahrestag äußerte sich Hans-Joachim Watzke zur damaligen Trainerentlassung von Thomas Tuchel. SPOX stellt für euch noch einmal die Chronologie der Ereignisse nach.

Borussia Dortmund, BVB, Anschlag
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Der Anschlag auf den Bus

11. April 2017: Am Dienstagabend ist der Mannschaftsbus von Borussia Dortmund auf dem Weg zum Westfalenstadion für das Champions-League-Duell im Viertelfinale gegen AS Monaco. Als der Bus gegen 19.15 Uhr das Hotelgelände verlässt, detonieren drei Sprengsätze am Mannschaftsbus. Marc Bartra wird verletzt und erleidet einen Bruch der Speiche im Handgelenk. Noch in der Nacht muss der BVB-Profi operiert werden.

Um 20.30 Uhr gibt die UEFA bekannt, dass das Spiel abgesagt wird. Die Partie soll jedoch schon am nächsten Tag um 18.45 Uhr nachgeholt werden. BVB-Fans geben den angereisten Franzosen unter dem Motto #BedforAwayfans Obdach.

Kylian Mbappé, AS Monaco, Champions League, Borussia Dortmund
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Das Nachholspiel am Tag nach dem Anschlag

12. April 2017: Der BVB verliert das Hinspiel gegen Monaco mit 2:3. Ein Doppelpack von Kylian Mbappé und ein Eigentor von Sven Bender können Ousmane Dembélé und Shinji Kagawa nicht mehr mit ihren Treffern korrigieren.

BVB-Trainer Thomas Tuchel kritisiert die UEFA anschließend scharf: "Die Termine werden vorgegeben und wir haben zu funktionieren. Wir hatten das Gefühl, dass wir behandelt werden, als wäre eine Bierdose an unseren Bus geflogen."

Auch BVB-Spieler richten nach dem Spiel deutliche Worte an den Verband. "Die UEFA muss verstehen, dass wir keine Tiere sind. Wir sind Menschen, die eine Familie und Kinder zu Hause haben", sagt Innenverteidiger Sokratis Papastathopoulos.

Borussia Dortmund, BVB, Marc Bartra
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Die Woche danach und das Rückspiel

13. April 2017: Zwei zunächst festgenommene Verdächtige werden freigelassen. Das Motiv des Anschlags ist weiter unklar. Die Bundesanwaltschaft nimmt die Ermittlungen auf.

15. April 2017: Marc Bartra verlässt das Krankenhaus. Zuvor berichtet er via Instagram von seiner Gefühlslage. Es seien "die härtesten 15 Minuten meines Lebens" gewesen. Er habe nur "Schmerz, Panik und Unsicherheit" empfunden.

19. April 2017: Der BVB verliert auch das Rückspiel im Fürstentum. Mit einem 1:3 scheiden die Schwarzgelben aus der Champions League aus. Von einem frühen Doppelschlag durch Mbappé und Radamel Falcao erholt sich der BVB nicht mehr.

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Tatverdächtiger Sergej W. wird festgenommen

21. April 2017: Der Tatverdächtige Sergej W. wird am frühen Freitagmorgen in Tübingen von der GSG9 verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Dem 28-Jährigen wird versuchter Mord in 28 Fällen und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.

Auch das Motiv wird bekannt: Sergej W. habe versucht, mit dem Tod möglichst vieler Spieler die BVB-Aktie zum Einsturz zu bringen. Zuvor habe er Verkaufsoptionen für jene Aktie erworben.

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Öffentlicher Zwist zwischen Watzke und Tuchel

6. Mai 2017: BVB-Boss Hans-Joachim Watzke - für viele der Buhmann, weil er der Neuansetzung des CL-Spiels gegen Monaco zu schnell zugestimmt habe, spricht in einem Interview mit der Funke Mediengruppe offen von einem "klaren Dissens" mit Tuchel.

"Irritiert" sei er von Tuchels Kritik an der schnellen Austragung des Monaco-Spiels gewesen: "Ich bewerte alles rund um das Attentat auch vor dem Hintergrund dessen, was wir intern vertraulich miteinander besprochen haben und was möglich war."

Tuchel reagiert vor Spielbeginn gegen die TSG Hoffenheim sichtlich angefressen: "Ich verbiete es mir, zu diesem Zeitpunkt darauf einzugehen oder darüber nachzudenken. Wir können uns in der aktuellen Saisonphase nicht mehr ablenken lassen."

7. Mai 2017: Ein Verbleib von Tuchel über den Sommer hinaus wird immer unwahrscheinlicher. In einer Analyse der Süddeutschen Zeitung üben BVB-Spieler anonym heftige Kritik an ihrem Trainer.

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Saisonende und Tuchel-Trennung

27. Mai 2017: Der BVB findet tatsächlich einen versöhnlichen Saisonabschluss und gewinnt das Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt mit 2:1. Doch trotzdem schwebt eine Frage über allem: Wie steht es um Tuchels Zukunft?

29. Mai 2017: Nur zwei Tage nach dem Pokalgewinn herrscht dann Klarheit. Borussia Dortmund gibt die Trennung von Tuchel bekannt. Über die genauen Gründe der Freistellungen macht der BVB keine Angaben.

Allerdings betont Schwarzgelb klar, dass "es sich bei der Ursache der Trennung keinesfalls um eine Meinungsverschiedenheizt zwischen zwei Personen" handelte. Die Maßnahme sei im Vorstand einstimmig beschlossen worden, hieß es später.

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Der Gerichtsprozess gegen Sergej W.

29. August 2017: Rund viereinhalb Monate nach dem Anschlag wird Sergej W. von der Staatsanwaltschaft angeklagt. Insgesamt schließen sich der Klage 16 Nebenkläger, darunter auch BVB-Spieler, an.

8. Januar 2018: Nach zähen Verhandlungen legt Sergej W. ein Geständnis ab, bestreitet aber jede Mordabsicht. Demnach habe er den Anschlag nur vortäuschen wollen. Die Sprengsätze seien so konzipiert worden, dass Personenschäden nicht erwartbar waren.

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BVB-Spieler sagen vor Gericht aus

21. Januar 2018: Marca Bartra berichtete im Zeugenstand von seiner Gefühlswelt. "Ich habe den Anschlag bis heute nicht verarbeitet und leide nach wie vor. Ich hatte Todesangst und Angst, meine Familie niemals wiederzusehen", sagte er.

19. März 2018: Mehrere Spieler und Thomas Tuchel sagen vor Gericht aus. Der ehemalige BVB-Coach sieht einen direkten Zusammenhang zwischen seiner Entlassung und dem Anschlag. Nachwirkungen spüre er aber nicht.

Marcel Schmelzer berichtet hingegen von traumatischen Folgen. Er zucke "noch immer zusammen, wenn irgendwo ein Teller runterfällt oder wenn Fahrzeuge langsam an uns vorbeifahren".

Roman Weidenfeller erklärt: "Das ist noch immer Thema in der Mannschaft." Er kenne Spieler, die noch immer darunter leiden. Der Anschlag habe sein Leben "verändert".

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Sergej W. ist des 28-fachen Mordversuchs schuldig

1. Juli 2018: Nachdem er das Ende seines Vertrages abgewartet hatte und dem BVB somit ein Jahr auf der Tasche lag, heuerte Tuchel im Sommer 2018 bei Paris-Saint Germain an. Anfang 2021 ging er zu Chelsea und holte prompt den CL-Titel.

27. November 2018: Das Dortmunder Schwurgericht verurteilt Sergej W. zu 14 Jahren Haft. Er wird für 28-fachen Mordversuch und die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion schuldig gesprochen.

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Pit Gottschalk enthüllt neue Details zum Ablauf

15. Februar 2019: Neue Informationen zum Konflikt zwischen Tuchel und Watzke tauchen auf. In seinem Buch "Kabinengeflüster" beschreibt der Sportjournalist Pit Gottschalk die Einstellung von Tuchel zu jenem Spiel als gänzlich anders. Tuchel behauptete beispielsweise, nur per SMS von der Neuansetzung des Monaco-Spiels zu haben. "Wir wurden überhaupt zu keiner Zeit gefragt", kritisierte er nach dem 2:3.

Allerdings soll es tagsüber eine Mannschaftsbesprechung gegeben haben, in der den Spielern freigestellt worden sei, ob sie auflaufen wollen. Angeblich seien auch Tränen geflossen. Ein Verhalten, womit Tuchel so gar nicht einverstanden gewesen sei.

Es heißt, dass Tuchel sein Team nach dem traumatischen Erlebnis an den Pranger gestellt habe. "Und mit den Weicheiern soll ich die Bayern schlagen?", soll Tuchel verlauten haben. Was letztlich stimmt und was nicht, wird wohl nie ans Licht kommen. Nach Einschätzung von Watzke leidet heute keiner der Leidtragenden mehr unter schlaflosen Nächten. "Die Spieler, die betroffen waren, haben es verarbeitet", sagte er.

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Watzke nennt Anschlag als Tuchel-Trennungsgrund

25. März 2023: Thomas Tuchel kehrt als neuer Trainer des FC Bayern München in die Bundesliga zurück.

1. April 2023: Der Gegner bei Tuchels Debüt auf der Bayern-Bank heißt ausgerechnet Dortmund. In der Allianz-Arena siegt der alte BVB-Coach mit 4:2. Aus dem Bus von vor sechs Jahren sind nur noch Raphael Guerreiro und Felix Passlack im Borussia-Kader. Marco Reus war damals nicht beim Team, als der Anschlag stattfand.

10. April 2023: In der Sky-Dokumentation "Der Anschlag - Angriff auf den BVB" berichtet Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke über die Trennung von Thomas Tuchel. Zum ersten Mal wurde der Bombenanschlag auf den Mannschaftsbus klar als Trennungsursache benannt.

"Da ist viel kaputtgegangen - in vielen Bereichen. Zwischen dem Trainer und mir ist einiges kaputtgegangen", beschrieb Watzke die Situation, "sonst wäre es wahrscheinlich nicht zur Trennung im Sommer gekommen."