Nach Rummenigge-Machtwort: Beim FC Bayern München findet offenbar ein Umdenken statt

FC Bayern München
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Aufgrund schlechter Erfahrungen ignoriert der FC Bayern seit über 15 Jahren den südamerikanischen Spielermarkt. Das scheint sich nun zu ändern: Die Münchner haben eine Kooperation mit einem Klub aus Uruguay abgeschlossen und interessieren sich dem Vernehmen nach für einen 18-jährigen Brasilianer.

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Gemeinsam mit dem MLS-Klub Los Angeles FC will der FC Bayern München ein internationales Fußball-Netzwerk aufbauen, "Red&Gold Football" nennt sich das Joint Venture. Nach den Gambinos Stars Africa aus Gambia schloss sich im Dezember der uruguayische Erstligist Racing de Montevideo dem Konstrukt an.

"Unser Engagement ist langfristig ausgerichtet", sagt Jochen Sauer, Geschäftsführer von "Red&Gold Football". Über diese Kooperation erhofft sich der FC Bayern direkten Zugang zum südamerikanischen Spielermarkt. Racing könnte vielversprechenden Talenten aus der Region künftig als Zwischenschritt auf dem Weg nach München dienen.

Zum Beispiel Breno Bidon? Laut dem brasilianischen Portal Globoesporte interessiert sich der FC Bayern für den 18-jährigen Mittelfeldspieler von den Corinthians Sao Paulo. Dem Bericht zufolge bestünde bereits Kontakt zu Brenos Management. Sein Vertrag läuft bis 2025, verfügt aber über eine festgeschriebene Ablöse in Höhe von 18,5 Millionen Euro.

Sollte der FC Bayern tatsächlich zuschlagen, würde der Transfer einer gewissen Komik nicht entbehren. Als die Münchner 2008 letztmals einen Spieler direkt aus Südamerika verpflichteten, handelte es sich schließlich ebenfalls um einen Breno. Das Projekt scheiterte krachend und endete im Gefängnis.

"Wir werden keinen jungen Spieler aus Südamerika mehr holen, das hat keinen Sinn", sprach der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge anschließend in der Sport Bild ein Machtwort.

Erfolgt nun das Umdenken? Bricht in München bald wieder die Zeit der Entlauber, Sänger und Isar-Schwimmer an? Ein Rückblick auf alle bisherigen Spieler, die der FC Bayern direkt aus Südamerika verpflichtet hat.

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Ramiro Blacut

1964 ablösefrei von Ferro Carril Oeste im Alter von 20 Jahren

Tatsächlich tätigte der FC Bayern seinen ersten Südamerika-Transfer bereits im Jahr 1964, zumindest so in etwa. Der Bolivianer Ramiro Blacut besuchte in seiner Heimat eine deutsche Schule. Nach einer Episode bei Ferro Carril Oeste in Argentinien übersiedelte er zum Studieren nach Deutschland. Bei einem Sprachkurs in Kochel am See überredeten ihn in München ansässige bolivianische Landsmänner zu einem Probetraining beim FC Bayern.

Tatsächlich bekam Blacut einen Vertrag, verletzte sich aber in der Vorbereitung auf die Saison 1964/65 am Kreuzband. Nach seiner Genesung fand der Rechtsaußen keinen Platz in der aufstrebenden Mannschaft um Franz Beckenbauer und Gerd Müller. Ohne einen einzigen Pflichtspieleinsatz, dafür aber mit einem Universitätsabschluss kehrte Blacut 1967 in seine Heimat zurück. Nach seinem Karriereende als aktiver Spieler trainierte er zweimal die bolivianische Nationalmannschaft.

Mazinho (r.) und Bernardo.
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Mazinho

1991 für 1,8 Millionen Euro von Bragantino im Alter von 25 Jahren (auf dem Foto rechts)

Anfang der 1990er Jahre lagen Verpflichtungen von exotischen Südamerikanern bei europäischen Topklubs voll im Trend. Selbstverständlich machte auch der FC Bayern mit. Nach einem Scouting-Trip einer Reisegruppe bestehend aus dem damaligen Manager Uli Hoeneß, Trainer Jupp Heynckes und Co-Trainer Egon Coordes durch Brasilien fiel die Wahl auf einen gewissen Mazinho.

Dessen Berater knüpfte an einen Transfer aber die Bedingung, dass der FC Bayern mit Bernardo gleichzeitig auch einen weiteren seiner Klienten unter Vertrag nehmen müsse. Nun gut. Während Bernardo komplett floppte, blieb Mazinho immerhin vier Jahre beim FC Bayern. In 56 Pflichtspielen gelangen dem Stürmer 16 Treffer.

Bernardo (l.) und Mazinho.
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Bernardo

1991 für 900.000 Euro vom FC Sao Paulo im Alter von 26 Jahren (auf dem Foto links)

Sportlich hinterließ der Mittelfeldspieler beim FC Bayern keinen bleibenden Eindruck, er absolvierte lediglich fünf Pflichtspiele und war nach wenigen Wochen auch schon wieder weg. In Erinnerung blieb Bernardo dafür wegen einer wunderbaren Anekdote: der berühmten Krokodil-Geschichte.

"Am Tag seiner Ankunft hatten wir eine Isar-Floßfahrt", erzählt Bayern-Veteran Klaus Augenthaler im Gespräch mit SPOX und GOAL. "Die Floßfahrt ging in der Früh los, mittags waren wir bei einem guten Restaurant an der Isar essen und dort wurde Bernardo direkt vom Flughafen hingebracht. Anschließend sind wir weitergefahren und dann habe ich ihn einfach ins Wasser geschmissen und 'Crocodile!' gerufen." Selten soll Bernardo schneller geschwommen sein, laut Augenthaler war er sogar fast so schnell wie Mark Spitz - und der hat immerhin neun olympische Goldmedaillen gewonnen.

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Adolfo Valencia

1993 für 2,55 Millionen Euro von Independiente Santa Fe im Alter von 25 Jahren

Zwei Jahre nach dem brasilianischen Transfer-Doppelschlag bediente sich der FC Bayern in Kolumbien. Adolfo Valencia blieb nur eine Saison in München, erzielte aber immerhin 13 Treffer. Dann zog der Stürmer mit einem neuen Spitznamen ausgestattet zu Atlético Madrid weiter. Weil Valencia beim Torschusstraining regelmäßig die Bäume traf, nannten sie ihn in München "Entlauber".

Roque Santa Cruz
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Roque Santa Cruz

1999 für 5 Millionen Euro von Olimpia Asunción im Alter von 19 Jahren

Der erste Südamerika-Volltreffer des FC Bayern! Roque Santa Cruz überzeugte nicht nur fußballerisch, sondern auch musikalisch und optisch. Der Paraguayer sang mit den Sportfreunden Stiller "Ich, Roque" und avancierte in München zum Frauenschwarm.

In seiner Kerndisziplin Fußball gewann er unter anderem die Champions League. Nach acht Jahren und 52 Treffern wechselte er nach England zu den Blackburn Rovers, später war er unter anderem noch für Manchester City aktiv. Schoss 2023 auch mit 42 Jahren noch Tore für Libertad in Paraguays höchster Spielklasse.

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Martin Demichelis

2003 für 5 Millionen Euro von River Plate im Alter von 22 Jahren

"Als ich zum ersten Mal in München gelandet bin, war es sechs Uhr früh", erzählte Martin Demichelis Jahre später im Interview mit SPOX und GOAL. "Ich habe am Flughafen eine ungefähr 70-jährige Dame gesehen, die eine Weißwurst gegessen und ein Bier getrunken hat. Ich konnte das nicht nachvollziehen."

Trotz des anfänglichen Kulturschocks arrangierte sich Demichelis mit den widrigen Umständen und entpuppte sich beim FC Bayern als voller Erfolg. Acht Jahre kickte der Innenverteidiger in München. Nach Stationen beim FC Malaga, Atlético Madrid, Manchester City und Espanyol Barcelona kehrte er 2019 als Jugendtrainer zum FC Bayern zurück. 2023 zog er in die argentinische Heimat zu seinem Jugendklub River Plate weiter - und coachte ihn direkt zum Meistertitel.

FC Bayern, Meister, Bundesliga, FCB, Julio dos Santos
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Julio dos Santos

2006 für 2,7 Millionen Euro vom Club Cerro Porteño im Alter von 22 Jahren

Der Auftakt einer Reihe Südamerika-Fehlgriffe des FC Bayern. Insgesamt zweieinhalb Jahre stand Julio dos Santos in München unter Vertrag, der Durchbruch gelang ihm aber auch trotz drei Leihgeschäften nicht. Der Mittelfeldspieler aus Paraguay absolvierte lediglich zehn Pflichtspiele für den FC Bayern, ehe er nach Südamerika zurückkehrte.

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José Ernesto Sosa

2007 für neun Millionen Euro von Estudiantes de La Plata im Alter von 22 Jahren

Der nächste junge Mittelfeldspieler aus Südamerika - der nächste Flop. José Ernesto Sosa sammelte zwar mehr Einsatzzeiten als dos Santos, erkämpfte sich aber auch keinen Stammplatz. Nach drei Jahren wechselte Sosa zur SSC Neapel und legte anschließend noch eine passable Karriere in Europa mit Stationen unter anderem bei Atlético Madrid und der AC Milan hin. Seit 2022 zurück bei seinem Jugendklub Estudiantes in Argentinien.

Breno, FC Bayern
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Breno

2008 für 12 Millionen Euro vom FC Sao Paulo im Alter von 18 Jahren

Breno ist bis heute der letzte Spieler, den der FC Bayern direkt aus Südamerika verpflichtet hat. Und das hat seine Gründe: Der brasilianische Innenverteidiger gilt als Paradebeispiel für einen Südamerikaner, der sich im kalten Europa nicht zurechtfindet.

Sportlich floppte Breno während seiner vier Jahre beim FC Bayern, noch schlimmer war aber seine Situation abseits des Platzes. Frustriert von geringen Spielanteilen und Verletzungen zündete Breno unter Alkohol- und Medikamenteneinfluss sein eigenes Haus an und landete deshalb im Gefängnis. Später arbeitete er im Nachwuchsbereich des FC Bayern, ehe er in Brasilien seine aktive Karriere bis 2021 fortsetzte.