"Spektakulärer Spieler": Bayern-Trainer Thomas Tuchel und sein Werben um einen Milliarden-Euro-Mann

Von Falko Blöding
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Ronald Araújo hat sich prächtig entwickelt. Das Interesse der Bayern ist logisch, dürfte aber nicht zu einem Transfer führen.

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Die Verantwortlichen des FC Bayern haben sich auf ihrer Suche nach einer Verstärkung für die Defensive die größtmögliche Herausforderung gesucht: Ronald Araújo vom FC Barcelona ist das Objekt der Begierde. Mehrere Medien berichten übereinstimmend von einem Telefonat Thomas Tuchels mit dem vielseitigen Abwehrspieler in den vergangenen Tagen.

Der FCB-Trainer soll überhaupt ziemlich begeistert von Araújo sein: Laut Sky ist Tuchel in den Nationalspieler Uruguays "verliebt" und gemäß Fabrizio Romano sei der Coach von Araújo "nahezu besessen".

Nun ist das große Interesse aus München schön und gut, der Weg zu einem Transfer jedoch steinig bis unschaffbar. Vor allem im Januar und da soll ja eigentlich ein weiterer Verteidiger geholt werden.

Araújo ist in Barcelona absoluter Stammspieler und einer der Mannschaftskapitäne. Sein Vertrag läuft langfristig (bis 2026) und soll nach dem Willen der Barca-Klubchefs vorzeitig und zu verbesserten Bezügen um zwei weitere Jahre verlängert werden. Die festgeschriebene Ablöse liegt bei einer Milliarde Euro.

Zu guter Letzt, so heißt es, strebe auch Araújo selbst keinen Abschied an. Eine Chance hätten die Bayern nur, sollte es zwischen Araújo und Barça keine Einigung wegen eines neuen Vertrags geben und sollten die Blaugrana gleichzeitig bis zum kommenden Sommer sportlich abstürzen.

Während ein Transfer also unrealistisch ist, kommt das Interesse der Bayern an sich nicht überraschend: Araújo wäre der ideale Spieler für die Roten.

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FC Bayern: Ronald Araújo wäre der verspätete Ersatz für Benjamin Pavard

Das liegt zunächst einmal an Araújos Position. Der 16-malige Nationalspieler Uruguays ist gelernter Innenverteidiger, kann aber ohne Qualitätsverlust auch auf der rechten Abwehrseite aufgeboten werden. Er wäre also praktisch der verspätete Ersatz für den zu Inter Mailand abgewanderten Benjamin Pavard.

Da Rechts- und Innenverteidigung neben dem defensiven Mittelfeld die Positionen sind, auf denen die Bayern nachlegen wollen, könnte man mit einer Araújo-Verpflichtung zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. So kommentierte Bayerns Sportchef Christoph Freund am Dienstag bei Amazon Prime auch die entsprechende Feststellung von Matthias Sammer mit einem Lächeln und meinte: "Ja, dann: Gebongt! Oder?"

Weiter meinte der Österreicher: "Im Winter ist es sowieso nicht so einfach, aber wir werden sehen, was uns gelingt. Aber natürlich: Wir wissen, dass wir Bedarf haben."

Araújo verkörpert genau das, was sich Tuchel von einem Verteidiger wünscht: Der 24-Jährige ist ein ungemein aggressiver Spieler, ohne dabei allerdings unfair zu sein. Er geht hart in die Zweikämpfe und lässt in diesen nicht locker. Er führt jedes Duell wirklich "zu Ende" und ist unnachgiebig. Eine Art Gegenspieler, auf die kein Stürmer gerne trifft.

Araújo ist auch ein exzellenter Ballgewinner, der Pässe zu seinen Gegenspielern gut antizipiert und sich dann gerne vor den Stürmer schiebt, um die Kugel abzufangen.

Eine Inspiration war für Araújo dabei der ehemalige Barcelona-Verteidiger Gerard Piqué. Beide spielten noch kurz bei den Profis zusammen. "Ich versuche immer, Gerard zuzuschauen, weil er ein großes Vorbild für mich ist", schilderte Araújo einst: "Seine Ballbehandlung und sein Gespür für die Position! Er ist nicht sehr schnell, aber er ist immer am richtigen Ort. Bei ihm sehe ich die Dinge, die mir noch fehlen."

Ganz so viele Dinge fehlen Araújo aber gar nicht mehr. Er war maßgeblich dafür verantwortlich, dass Barcelona 2022/23 mit nur 20 Gegentoren in 38 Spielen die beste Abwehr in den Spitzenligen Europas stellte und den Meistertitel zurück nach Katalonien holte. In der laufenden Saison ist er der herausragende Akteur Barças, wenngleich es sportlich gerade nicht mehr so prall läuft.

WM 2022, Weltmeisterschaft, Katar, Verletzte, Top-11
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Ronald Araújos Transfer als Glücksgriff für den FC Barcelona

Zu den defensiven Vorzügen gesellen sich auch Stärken im Angriff. Araújo ist vor allem bei Standards torgefährlich. Acht Treffer hat er für die Profis der Blaugrana erzielt, darunter vor einigen Wochen das umjubelte Siegtor gegen Real Sociedad.

Mit seinen 1,92 Metern und starker Physis ist er körperlich eine Wucht und dadurch sehr durchsetzungsfähig. Das gilt sowohl für Zweikämpfe am Boden als auch für jene in der Luft.

Wenn Araújo auf der rechten Seite spielt, kann er durchaus gescheite Flanken schlagen und als Schienenspieler neben einer Dreier-Abwehrkette auflaufen, wie Tuchel ihn 2021 beim Gewinn der Champions League bei Chelsea mit Reece James hatte.

Dass Araújo nicht nur im Barcelona-Dress Leistungsträger ist, sondern mittlerweile auch zu den besten Defensivspielern überhaupt gehört, weiß man natürlich auch bei seinem Verein. Bei allen Fehlgriffen, die sich der FC Barcelona in den letzten Jahren auf dem Transfermarkt geleistet hat, war die Verpflichtung Araújos ein Glücksgriff.

2018 holte der Klub den damaligen Teenager für 4,7 Millionen Euro Ablöse von Boston River aus Uruguay nach Spanien. Araújo war damals noch deutlich wilder unterwegs. In Barcelonas zweiter Mannschaft wurde er geschliffen und schnupperte 2020/21 erstmals bei den Profis rein. Mittlerweile ist er ungefähr das 20-fache der ursprünglichen Investition wert.

Kein Wunder also, dass der Defensivakteur kurz vor der WM 2022, die er verletzungsbedingt verpasste, seinen Vertrag vorzeitig verlängerte.

Ronald Araújos Leistungsnachweis beim FC Barcelona

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Ronald Araújo: Lob von Xavi, Zoff mit Vinícius Júnior

Für Araújo selbst war der Trainerwechsel hin zu Xavi 2021 maßgeblich für seine gute Entwicklung. EFE sagt er: "Seit Xavi hier ist, habe ich so viel mehr gelernt. Er ist zur Barça-Philosophie zurückgekehrt, die in den vergangenen Jahren verloren gegangen war. Ich bin derjenige, der am meisten gelernt hat."

Xavi gab das Lob regelmäßig zurück und bezeichnete Araújo unter anderem als "spektakulären Spieler". Weiter meinte er: "Ronald ist defensiv außergewöhnlich, wahrscheinlich einer der besten der Welt. Es ist unglaublich, was er in unserem Spiel repariert. Er verleiht uns Sicherheit und ist ein Anführer."

Das zeigt sich auch an Araújos Stellung innerhalb der Mannschaft. Mittlerweile ist er einer von Xavis Kapitänen und lief in den vergangenen beiden LaLiga-Spielen jeweils mit der Binde am Arm auf.

Dass er keinen Konflikt scheut und seine Mitspieler verteidigt, wurde beim bitteren 0:4 im Clásico gegen den Erzrivalen Real Madrid im April deutlich. Reals Vinícius Júnior hatte eine Privatfehde mit Ferran Torres angezettelt, zum Ende der Partie kochten die Emotionen hoch, es gab eine Rudelbildung, weil Araújo den Brasilianer zur Rede gestellt hatte.

Er erklärte später: "Ich habe mich aufgeregt, weil er meine Mannschaftskameraden das ganze Spiel über vollgequatscht und provoziert hat. Ich habe ihm gesagt, dass er ein toller Spieler ist, der noch besser wird, wenn er sich nur auf das Spiel konzentriert. Ich habe immer Respekt, aber er hat so viel geredet und dadurch hat es sich hochgeschaukelt."

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Ronald Araújo: Slapstick gegen Getafe

Und wenn er mal nicht mit seinen Leistungen oder Transfergerüchten für Gesprächsstoff sorgt, dann mit einer Slapstickeinlage auf dem Feld. So geschehen vor wenigen Monaten bei der Nullnummer gegen Getafe. Da pflückte er einen hohen Ball in bester Basketballmanier stumpf mit beiden Händen aus der Luft und sorgte bei Social Media für jede Menge Spott.

Auch der Schiedsrichter war offensichtlich geschockt, denn eine Verwarnung gab es für Araújo anschließend kurioserweise nicht.