FC Bayern: Die möglichen Gewinner und Verlierer des Trainerwechsels

Von Niklas Staiger
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Der FC Bayern München wird mit Thomas Tuchel als Trainer voraussichtlich einiges verändern. Der ehemalige Dortmunder und Mainzer legt hohen Wert auf taktische Disziplin. Wichtig war ihm in der Vergangenheit die Arbeit gegen den Ball und fokussiertes Pressing. Was bedeutet das für die Spieler?

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Eine Grundfrage dürfte sein, in welchem System Tuchel beim FCB agieren wird. Bis vor etwa zwei Jahren hatte der 49-Jährige eine Viererkette bevorzugt. Doch beim FC Chelsea setzte er dann doch fast durchgängig auf eine Dreier- beziehungsweise Fünferkette.

Denn Tuchel agierte selbst dabei fast ausschließlich mit gelernten Außenverteidigern als defensive Flügel - also tatsächlich eher mit einer Fünferkette. Das könnte bei den Bayern jedoch zu Problemen führen, denn offensiv ist der FCB vor allem auf den Flügeln herausragend besetzt. Für Kingsley Coman in seiner aktuellen Form muss er einen Platz in der Startelf finden. Das würde für Bayerns altes 4-2-3-1-System als Grundformation sprechen.

FC Bayern: Mögliche Gewinner des Trainerwechsels

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Joao Cancelo

Egal ob es eine Vierer- oder Fünferkette wird - der neue Übungsleiter setzte in der Vergangenheit auf richtige Außenverteidiger, die gerne ihre Wege in die Offensive finden. Damit dürfte Joao Cancelo plötzlich doch wieder der Topfavorit auf einen Startelf-Platz rechts hinten sein. Unter Julian Nagelsmann war der Portugiese zuletzt mehrfach nur Einwechselspieler.

Das lag vor allem an Coman, der seine rechte Flügelposition bespielte. Er ist bei Tuchel vermutlich keine Konkurrenz mehr - Cancelo muss sich also gegen Benjamin Pavard, Josip Stanisic und Noussair Mazraoui durchsetzen. Und zwar auf der Rechtsverteidiger-Position, nicht in einer Innenverteidiger-Mischrolle. Da hat Cancelo sehr gute Chancen.

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Serge Gnabry

Ein Verlierer der von Julian Nagelsmann zuletzt präferierten Dreierkette war auch Serge Gnabry. Der Rechtsaußen bespielt die Flügelverteidiger-Position nicht gerne und stellte den Ex-Trainer dort auch nicht zufrieden. Nach seiner Halbzeit-Auswechslung gegen Borussia Mönchengladbach kehrte er dort nicht wieder in die erste Elf zurück.

Gegen den FC Augsburg durfte Gnabry zwar nochmal als Mittelstürmer ran, wusste jedoch auch hier nicht zu überzeugen. Bei fünf Mannschafts-Toren war er an keinem beteiligt - gegen Leverkusen saß er erneut auf der Bank. Er hat weder auf der Doppel-Zehn, noch als einfache oder Doppelspitze seine beste Position - er ist ein Rechtsaußen. Kehrt Tuchel zum 4-2-3-1 zurück, dürfte Gnabry wieder auf seiner besten Position ran.

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Sadio Mané

Der große Coup, für den ihn im vergangenen Sommer alle hielten, war Sadio Mané bisher noch nicht. Zunächst begann er als Mittelstürmer, hatte dort aber seine Probleme. Dann schob ihn Nagelsmann wieder auf die Linksaußen-Position, wo er glänzen konnte. Nach einer langen Verletzung, wegen der er auch die WM verpasste, gab es diese Position im neuen System aber nicht mehr. Also ging es für Mané wieder zurück in die Spitze - mit mäßigem Erfolg. Drei Einwechslungen, ein Assist beim Startelf-Einsatz gegen Augsburg und eine Auswechslung nach 45 Minuten gegen Leverkusen stehen seit seiner Rückkehr auf dem Papier.

Das dürfte unter Tuchel besser werden. Wenn wieder eine Viererkette gespielt wird, dürfte Mané voraussichtlich wieder links ran. Außerdem agierte Tuichel bei Chelsea auch häufiger mit Flügelspielern in der Spitze, könnte Mané möglicherweise auch hier effektiver einsetzen. Der neue Übungsleiter soll Hasan Salihamidzic durch sein Konzept für die Bayern überzeugt haben - das wird voraussichtlich eine große Rolle für Brazzos Top-Transfer des vergangenen Sommers beinhaltet haben. Anders würde der Sportchef möglicherweise schlecht dastehen.

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Mathys Tel, Ryan Gravenberch, Noussair Mazraoui

Neben den klaren individuellen Profiteuren bekommen natürlich auch diverse Reservisten ihre Chance, sich neu zu beweisen und für größere Aufgaben zu empfehlen. Mathys Tel bekam zuletzt immer wieder Rotationseinsätze - mit 17 Jahren kann er da eigentlich zufrieden sein. Doch da geht noch mehr. Noussair Mazraoui hatte sich die RV-Position gerade erkämpft, als er verletzt ausfiel. Zuletzt fehlte es an einer Position für ihn. Jetzt muss er sich zwar gegen Cancelo beweisen, doch alles ist offen.

Und auch Ryan Gravenberch wird eine neue Chance erhalten. Für den Niederländer gab es unter Julian Nagelsmann zum Ende hin kaum noch Spielzeit. Starten durfte er im Jahr 2023 nur gegen Gladbach, da ging er nach 45 Minuten vom Platz. Seit der Winter-WM saß er zudem vier Mal ganz ohne Einsatz auf der Bank. Das aggressive Mittelfeld-Pressing Tuchels entspricht zwar kaum Gravenberchs Stärken, doch vielleicht kann er den neuen Chef trotzdem überzeugen.

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Manuel Neuer

Für den Nationaltorhüter mag sich sportlich recht wenig verändert haben. Doch mit Julian Nagelsmann ist nun jener Trainer weg, der mit-, wenn nicht sogar hauptverantwortlich für die Entlassung seines engen Freundes Toni Tapalovic war. Insofern dürfte der Weltmeister von 2014 eher froh über den Trainerwechsel sein. Aber auch für seine sportliche Zukunft ist ein vertrauensvolles Verhältnis zum Cheftrainer sehr wichtig. Ob er das mit Thomas Tuchel haben wird, muss sich zeigen. Das angespannte Verhältnis zu Nagelsmann hätte aber zu weiteren Unruhen führen können.

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Josip Stanisic

Zuletzt wurde der Kroate mehrfach als Julian Nagelsmanns Liebling bezeichnet. Josip Stanisic war klarer Profiteur der Dreierkette, agierte variabel als rechter Innenverteidiger und verschob notfalls in die Viererkette. Nagelsmann setzte auf Bayerns Eigengewächs.

Unter Tuchel gibt es mehrere Hürden zu meistern: Erstmal muss es bei der Dreierkette bleiben, sonst verdoppelt sich die Konkurrenz mit Cancelo und Mazraoui auf rechts. Außerdem muss er den neuen Cheftrainer dann nochmal von sich überzeugen. Möglicherweise wird Stanisic diese Saison nicht mehr allzu viel spielen.

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Benjamin Pavard

Ähnlich wie Stanisic war auch Benjamin Pavard ein Gewinner der Dreierkette. Er zeigte zum einen überragende Leistungen. Zum anderen durfte er endlich wieder auf seiner Wunschposition spielen. Zuletzt hieß es sogar, dass eine Vertragsverlängerung beim FC Bayern wieder eine Möglichkeit wäre. Es soll ein Geheimtreffen mit seinen Beratern gegeben haben.

Doch sollte Tuchel jetzt auf eine Viererkette umstellen, ist das ein schlechtes Zeichen für den Franzosen. Als Innenverteidiger wird er wohl nicht an Matthijs de Ligt und Dayot Upamecano vorbeikommen - und auch rechts ist die Konkurrenz enorm hoch. Es droht die Bank und möglicherweise ein Sommertransfer statt der Verlängerung beim Rekordmeister.

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Joshua Kimmich

Natürlich wird der Mittelfeldstratege nicht seinen Stammplatz verlieren - Joshua Kimmich ist gesetzt. Jedoch dürfte sich seine Rolle unter Thomas Tuchel stark verändern. Der Ex-Dortmunder setzt auf eine strukturierte Spielweise und gab seiner Mannschaft in der Vergangenheit ein klares taktisches Korsett vor.

Aktuell ist Kimmich beim FC Bayern der Freigeist der Mannschaft. Der nominelle Sechser überraschte nicht selten durch offensive Ausflüge und alles andere als strukturiertes Positionsspiel. Zudem galt Joshua Kimmich als ein enger Vertrauer Nagelsmanns. Die beiden sollen eine sehr enge Beziehung gepflegt haben. Auf der DFB-Pressekonferenz am Freitag sortierte Kimmich Nagelsmann "in den Top drei meiner bisherigen Trainer" ein und bezeichnete ihn als "überragenden Trainer".

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Leroy Sané

Ähnlich wie Kimmich könnte auch der Freigeist von Leroy Sané unter Thomas Tuchel nicht mehr frei zur Entfaltung kommen. In seinen bisherigen Teams gab es meist nur einen Spieler, der als Kreativanker agierte - und die "Mason-Mount-Rolle" dürfte beim FC Bayern klar Jamal Musiala innehaben. Sané spielt in seinen guten Spielen Weltklasse, doch für Tuchel könnte es zu selten sein.

Wer an die legendäre Wutrede des damaligen Mainzer Coachs gegenüber Shawn Parker denkt, wird wohl auch einige Ähnlichkeiten bei Leroy Sané entdecken: "Shawn, Shawn! Mit welchen Ideen spielst du Fußball? Du kommst ins Training und machst nur, was du willst. Da ist kein einziger Ball dabei für unser Spiel, es ist nur dein eigenes Spiel. Hier noch ein Trick, da noch ein Trick und hier noch eine Idee - und keine einzige klappt davon. Mir steht es hier oben, ehrlich!", tobte Thomas Tuchel damals.

FC Bayern: Die Trainer der vergangenen zehn Jahre

TrainerVonBis
Thomas Tuchel24.03.202330.06.2025 (voraus.)

Julian Nagelsmann

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Carlo Ancelotti01.07.201628.09.2017
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