Hanning im Interview: "Überbelastung? Die Anzahl der Spiele ist nicht das Problem"

Von DAZN/SPOX
Bob Hanning ist der Geschäftsführer der Füchse Berlin.
© imago

Am Samstag und am Sonntag steigen der THW Kiel, die TSV Hannover-Burgdorf und die Füchse Berlin in den EHF-Cup ein (alle Spiele LIVE auf DAZN).

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Vor dem Auftakt spricht Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning im Interview mit DAZN und SPOX über die komplizierte Gruppe der Berliner und die Zielsetzung.

Das ausgegebene Ziel bei der WM war das Halbfinale. Dieses Ziel wurde erreicht. Sind Sie damit komplett zufrieden, oder sind Sie enttäuscht, dass es nicht für noch mehr gereicht hat?

Bob Hanning: Komplett zufrieden zu sein, schließt sich bei mir schon grundsätzlich aus. Mit dem sportlichen Erfolg sind wir nach der verkorksten WM 2017 und der verkorksten EM 2018 zufrieden. Wenn man aber unter die letzten Vier kommt, dann möchte man auch eine Medaille haben. Gegen Norwegen waren wir chancenlos, gegen Frankreich hätte es an diesem Tag - dem Spiel um Platz drei - aber reichen müssen. Das tut schon ein bisschen weh und ist das Wasser im Wein. Aber wir hatten ausverkaufte Hallen, in der Spitze bis zu 15 Millionen TV-Zuschauer mit einem Marktanteil von bis zu 35 Prozent - damit bin ich sehr zufrieden.

Wie kann man es nun schaffen, die WM-Begeisterung auf die Vereinswettbewerbe zu übertragen?

Hanning: Die Bundesliga kann sich über die Zuschauerzahlen nicht beschweren. Auch wir in Berlin sind mit dem Zuschauerzuspruch sehr glücklich. Natürlich wäre es schön, wenn wir aufgrund der Heim-WM ein Zuschauerplus von um die zehn Prozent erreichen könnten. Wir wissen aber auch - gerade in Berlin -, dass die Topspiele immer gefragt sind, es dafür schwierig ist, die Massen für Spiele gegen mittelmäßige oder unten platzierte Mannschaften zu begeistern. Hier in Berlin hat das damit zu tun, dass wir einen großen Markt in Sachen Spitzensport haben.

Sie haben gefordert, dass es wieder mehr Handball in den Schulen geben müsse. Welche Möglichkeiten gibt es außerdem, die Lücke zum Fußball zumindest etwas zu verkleinern?

Hanning: Es gibt vielerlei Themen, die wir angehen müssen. Wir müssen in die Kultusministerkonferenz, um Handball besser zu verankern. Neben den Schulen geht es darum, beispielsweise Tage des Kinder-Handballs zu initiieren. Damit wollen wir Kinder erreichen, die sich nicht jeden Tag mit der Sportart beschäftigen. Außerdem muss es uns gelingen, die Gesichter, die jetzt auch während der WM geboren worden sind, in TV-Formaten und Zeitungen besser zu platzieren und sie noch bekannter zu machen.

Hanning zum Thema Überbelastung im Handball

Aktuell findet im Handball in jedem Jahr mindestens ein Großereignis statt, zudem geht es in den Vereinswettbewerben Schlag auf Schlag. Entsprechend häufig wird die Belastung im Handball thematisiert. Würden Sie sich eher einen Rhythmus wie im Fußball wünschen?

Hanning: Die Füchse Berlin haben bis zum heutigen Tag keinen Spieler auch nur im Ansatz überbelastet. Der EHF-Cup geht erst im Februar los, bis dahin haben praktisch nur zwei Spiele stattgefunden. Obwohl wir das Final Four erreicht haben, hatten wir nur zwei Spiele im DHB-Pokal. Wenn sich da ein Spieler wegen Überlastung beschwert, sollte er mal schauen, was es wirklich bedeutet, körperlich zu arbeiten. Eine Überbelastung gibt es für die, die Champions League und Nationalmannschaft spielen.

Und dann auch noch EM oder WM im gleichen Jahr wie Olympische Spiele stattfinden.

Hanning: Wenn das passiert, ist das nicht gut. Dafür muss es Lösungen geben. Auf der anderen Seite sage ich ganz deutlich: Die Mannschaften, die Champions League spielen, haben durch den hohen wirtschaftlichen Gewinn die Verpflichtung, zwei oder drei Spieler mehr zu verpflichten und Geld in das Thema Reisen und Reisestress zu stecken. Die Anzahl der Spiele ist nicht das Problem. Das Problem ist der Stress, der durch die unzähligen Reisen entsteht. Wenn ich mehr Geld in Reisen stecke, kann ich den Spielern schon eine Menge Stress nehmen.

Hanning äußert sich zur Zukunft von Wiede und Drux

Zurück zur vergangenen WM, bei der mit Fabian Wiede und Paul Drux zwei Spieler aus dem Stall der Füchse Berlin eine wichtige Rolle gespielt haben. Wie stolz macht Sie das?

Hanning: Da schlägt in mir das Herz des Jugendtrainers höher, weil ich Fabi und Paul von der B-Jugend an mit betreut habe und sie auf ihrem Weg in die Profi-Mannschaft der Füchse und in die Nationalmannschaft begleitet habe. Natürlich macht mich das sehr stolz.

Das Herz des Geschäftsführers der Füchse dürfte auch deshalb höherschlagen, weil beide Spieler noch bis 2023 in Berlin unter Vertrag stehen.

Hanning: Und noch länger, das werden wir sehen.

Steht bei Wiede und Drux etwa eine erneute Vertragsverlängerung kurz bevor?

Hanning: Das werden wir uns anschauen und gegebenenfalls mit beiden sprechen. Wir haben ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zu Fabi und Paul, das sind unsere Gesichter und sollen das auch bleiben. Grundsätzlich kann ich den Fans aber versprechen, dass die nächsten Wiedes und Druxs schon in unseren Nachwuchsteams spielen.

Können Sie uns Namen nennen?

Hanning: Wir haben vier bis fünf sehr überdurchschnittlich gute Handballer in unseren Reihen, die teilweise schon in der A-Jugend spielen, obwohl sie noch B-Jugend spielen dürften. Man sollte jetzt aber nicht anfangen, 15- oder 16-Jährige zu hypen, sondern ihnen in ihrer Entwicklung helfen.

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang Füchse-Trainer Velimir Petkovic, dessen Verpflichtung anfangs ja durchaus teilweise kritisch betrachtet worden ist?

Hanning: Petkovic macht bei uns einen sehr guten Job. Er integriert die jungen Spieler so, wie wir das von ihm erwarten. Würde er das nicht tun, wäre er nicht unser Trainer. Uns ist die Philosophie wichtiger als alles andere. Und diese Philosophie besagt, dass wir unsere Jungs bei uns spielen sehen wollen.

Hanning: "Der THW Kiel ist der Topfavorit schlechthin"

Das wird auch im EHF-Cup der Fall sein. Wie schätzen Sie die komplizierte Gruppe der Füchse mit Balatonfüredi (Ungarn), Logrono (Spanien) und Vorjahresfinalist St. Raphael (Frankreich) ein?

Hanning: Wenn man bei den Füchsen arbeitet, dann weiß man, dass so gelost wird. Wir bekommen irgendwie immer die schwerstmöglichen Lose. (lacht) Die Gruppe ist in der Tat sehr kompliziert, bringt aber auch Spaß. Die Zuschauer werden sehr unterschiedlichen Handball zu sehen bekommen. Trotzdem bin ich guter Dinge, dass es uns gelingen wird, uns für das Final Four in Kiel zu qualifizieren.

Wer sind die härtesten Konkurrenten im Kampf um den Titel?

Hanning: Der THW wird in der heimischen Arena der Topfavorit schlechthin sein. Aber auch St. Raphael hat gute Chancen, erneut das Final Four zu erreichen. Ich bin gespannt, wer sich sonst noch herauskristallisiert. Das sieht man meistens ja erst, wenn die ersten Gruppenspiele absolviert sind.

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