Europa versohlt Team USA beim Ryder Cup in Paris den Hintern. 17,5:10,5. Sechster Heimsieg in Folge. #In your face. Das Par-10 verneigt sich vor den europäischen Helden und analysiert das Debakel aus Sicht von Tiger Woods und Co. - es gibt Stunk!
10. Moliwood is born!
"Tommy, Tommy, Tommy, Tommy Fleetwood, Moli, Moli, Moli, Moli, Molinari, Tommy, Tommy, Tommy, ..." Alles klar, der Ohrwurm für die nächsten Wochen ist also auch eindeutig. Tommy Fleetwood und Francesco Molinari wurden im Le Golf National zum Dream-Pairing. 4 Matches, 4 Siege. Das hatte ein europäisches Duo zuvor überhaupt noch nicht geschafft. Wenn man bedenkt, dass Fleetwood als Rookie nach Paris kam und Molinari in seinen bisherigen zwei Ryder-Cup-Teilnahmen nur zweimal einen halben Punkt holen konnte, mag es verwundern, dass die beiden Europäer so aufzockten. Aber eigentlich tut es das gar nicht.
Fleetwood ist kein normaler Rookie, sondern seit zwei Jahren einer der absolut besten europäischen Spieler, der im vergangenen Jahr auch die Open de France an gleicher Stelle gewann. Und Molinari? Der ist der amtierende Open Champion und seit Monaten völlig außerirdisch unterwegs. Zwei überragende Spieler und Ballstriker, die auch noch beste Freunde sind und sich auf der Abschluss-Pressekonferenz Küsschen zuwarfen, weil sie für einmal etwas weit auseinandersaßen. Es war einfach ein perfekter Match. Während Fleetwood am Sonntag im Einzel schwächelte (wobei sein Gegner Tony Finau auch überragend spielte), holte Molinari gegen Phil Mickelson auch noch seinen fünften Punkt und machte den Sack im Endeffekt für Europe zu.
5-0! Seit Larry Nelson 1979 war dieses Kunststück keinem Spieler mehr gelungen. "Hey Frankie, wie spielt sich eigentlich die 16 und 17?", scherzte Sergio Garcia nach dem Triumph in Anspielung darauf, dass Molinari alle seine Matches spätestens an der 16 beendete. "Ich habe die 17 und 18 am Dienstag im Training gespielt." Eine klassische Frankie "I am super excited" Molinari-Antwort. Wie cool diese ganze Geschichte ist? Fleetwoods Sohn Frankie wurde am Freitag, als die beiden zusammen in den Ryder Cup starteten, ein Jahr alt. Ja, er heißt wirklich Frankie. Frankie Fleetwood. Solche Geschichten schreibt nur der Golfsport ...
9. Ser-gio! Ser-gio! Ser-gio!
Hat irgendjemand an der Wildcard für Sergio Garcia gezweifelt? Ich gebe zu, ich war mir nicht sicher, ob ich nicht Rafa Cabrera-Bello mitgenommen hätte, aber dieser Gedanke war totaler Nonsens. Thomas Björn hat absolut alles richtig gemacht. Garcia war jetzt in Paris wieder ein völlig anderer Spieler als in den Monaten zu vor. Es war der Ryder-Cup-Garcia. Mit seinen 3 Punkten verbesserte er sein Konto auf 25,5 und verdrängte damit Nick Faldo (25) von Rang eins der ewigen Bestenliste. Das ist ihm aber alles vollkommen egal. Für Garcia und für jeden anderen im europäischen Team zählte nur der Sieg als Team.
Wer die Europäer in der Woche beobachtete, der sah eine extrem fokussierte Truppe, die wie eigentlich immer ein geiles Ensemble von zwölf lässigen Spielern, einem lässigen Captain und lässigen Vice Captains war und zusammen die Zeit ihres Lebens verbrachten. Schauen wir uns doch die Picks von Thomas Björn an? Garcia lieferte brutal ab. Henrik Stenson spielte so gut wie seit Monaten nicht mehr und lochte einen Schlüssel-Putt nach dem anderen, Paul Casey spielte ebenfalls groß auf und weinte nach seiner Rückkehr ins Team nach zehn Jahren, weil es ihm so viel bedeutete.
Ach so, und dann gab es ja noch diesen Ian Poulter. Sein Sieg an der 18 gegen Dustin Johnson. Seine Umarmung mit seinem Sohn Luke, mit dem er wohl die coolste Daddy-Sohn-Woche ever verbrachte. Seine Liebesbeziehung mit den Fans. Und dann zog sich der Typ auch einfach noch das Briefkasten-Outfit eines Fans über und sprang damit herum. Poults ist und bleibt eine Ryder-Cup-Legende.
8. Ein geiles Team
Aber es waren eben auch nicht nur die Picks. Es war auch nicht nur Rory McIlroy, der sich nach miserablem Start steigerte und zwei Punkte holte, auch wenn er das Einzel gegen Justin Thomas auf katastrophale Weise an der 18 verlor. Es war nicht nur "10 Million Dollar Man" Justin Rose. Jeder Einzelne im Team trug seinen Teil zum Erfolg bei. Denken wir an Thorbjörn Olesen, der sein Debüt-Match an der Seite eines schwachen McIlroy verlor, den ganzen Samstag zuschauen musste und dann am Sonntag in seinem ersten Single mal eben Jordan Spieth völlig an die Wand klatschte.
Oder denken wir an Jon Rahm, der an den ersten beiden Tagen auch etwas unglücklich seine Matches verlor, dann aber am Sonntag Tiger Woods schlug. Und wie! Nachdem Rahm an der 16 einen kurzen Putt vorbeigeschoben hatte, zimmerte er einen überragenden Drive aufs 17. Fairway, nagelte seinen Eisenschlag an den Stock und lochte zum Matchgewinn. Alleine wenn ich an Rahms Reaktion denke, bekomme ich Gänsehaut ohne Ende.
7. Ein Tattoo für den Captain
Wie sehr die Spieler Thomas Björn lieben, zeigt folgende Geschichte: Björn ließ sich auf eine Wette ein. Sollte Europa gewinnen, würde er sich ein Tattoo stechen lassen. Ein bisschen Extra-Motivation, wie es Sergio Garcia nannte. Aus der Nummer kommt Björn jetzt nicht mehr raus. Es komme an eine Stelle, die nur seine Freundin Grace sehen könnte, meinte Björn dazu. Und ergänzte: "Das war die schlimmste Entscheidung der Woche!" "Nein, die beste!", entgegnete Garcia.
Eines ist jedenfalls klar: Björn war ein überragender Captain und die nächsten Kandidaten stehen schon parat. So spricht eigentlich alles dafür, dass der Kapitän in zwei Jahren Padraig Harrington (dieses Mal als Vice Captain dabei) heißen wird. Es wäre wieder eine formidable Wahl.
6. Der entscheidende Putt des Ryder Cups
Ja, es war eine Klatsche für Team USA, aber wir dürfen nicht vergessen, wie kritisch der Beginn für die Europäer war. Es stand 0:3, als Tommy Fleetwood und Francesco Molinari in ihrem Match gegen Tiger Woods und Patrick Reed auf die 16 gingen und genau wussten, dass wenigstens sie das jetzt zwingend gewinnen müssen.
Fleetwood lochte einen überragenden Birdie-Putt zum mega-wichtigen Lochgewinn, ging in die Hocke und setzte zum ersten ganz großen emotionalen Ausbruch an. Mein Gott, war dieser Putt wichtig. Fleetwood/Molinari brachten den ersten Punkt für Europa aufs Scoreboard und hauchten dem Team genau im richtigen Moment Leben ein. Denn Fleetwoods Putt war letztlich der Startschuss für den Momentum bildenden 4-0-Whitewash in den Foursomes am Nachmittag.
5. Der Star heißt auch Le Golf National
Viel wurde im Vorfeld darüber diskutiert, wie groß der Heimvorteil für Europa sein würde. Er war wie erwartet gigantisch groß. Spielte Hazeltine mit seinen breiten Fairways den Amis noch in die Karten, war es jetzt im Le Golf National genau andersherum. Präzision war gefragt angesichts wirklich enger Fairways und der Tatsache, dass du einfach tot bist, wenn du hier links oder rechts im Heu liegst (oder eben im Wasser).
Da kann man noch so viel vom besten US-Team aller Zeiten sprechen mit 11 der Top 17 der Welt im Team, wenn man zu viele wilde Jungs im Team hat, die dieses Golf nicht gewöhnt sind und den Platz entweder gar nicht oder mindestens viel schlechter kennen als ihre Gegner, dann wird es schwierig. Gerade in den Foursomes des ersten Tages wurden die Qualitätsunterschiede im Ballstriking unfassbar deutlich (17 up war Europa in dieser Session in tutto).
Fairerweise muss man anerkennen, dass niemand im US-Team Kritik am toughen Setup übte, sondern alle voll des Lobes für einen überragenden Kurs waren, den sie in dieser Woche einfach deutlich schlechter spielten als die Europäer. Insgesamt präsentierte sich Le Golf National als herausragender Gastgeber. Nicht nur, dass der Platz überragend ist, er bietet auch den Fans dank seiner Stadion-Atmosphäre quasi überall perfekte Möglichkeiten, das Geschehen an mehreren Löchern zu verfolgen. Note 1 für Le Golf National.
4. Der Stunk um Captain America
Ja, Jim Furyk hat das Captain-Duell gegen Thomas Björn verloren. Und zwar eindeutig. Punkt 1: Phil Mickelson am ersten Tag in den Foursomes einzusetzen, kam quasi einem abgeschenkten Punkt gleich. Punkt 2: Das Hammer-Duo Patrick Reed und Jordan Spieth aufzulösen, war eine desaströse Entscheidung, die einen Riss im Team offenbarte. Furyk gab als Erklärung an, er wollte aus einem überragenden Duo zwei machen und hoffte, dass Tiger Woods auch ein perfekter Partner für Reed sein könnte. Der Plan ging aber voll in die Hose.
Wenn man den Aussagen von Reed in einem Telefon-Interview mit der New York Times glaubt, dann war es wirklich so, dass Spieth nicht mehr mit Reed spielen wollte, sondern mit Kumpel Justin Thomas. Reed wurde offensichtlich davon komplett überrascht und prangerte ein "Buddy-System" an. Außerdem sei es angesichts seiner Ryder-Cup-Historie nicht sehr klug gewesen, ihn zweimal auf die Bank zu setzen in den Sessions, so Captain America. Reed hat in Paris teilweise grottig gespielt, keine Frage, aber da hat er trotzdem Recht. Man muss sich schon die Frage stellen, ob Furyk (und ein Buddy-Club aus wenigen Spielern) den wichtigsten Eckpfeiler des Teams schon im Vorfeld zerstört hat.
Außerdem müssen insgesamt die Wildcards thematisiert werden. Tiger und Phil holten nicht einen einzigen Punkt und Bryson Dechambeau, vor Wochen noch der heißeste Spieler auf dem Planeten, wurde in Paris zu Bryson DeShambles, weil er an den ersten beiden Tagen mit Tiger und Phil spielen musste und für die ersten Neun zusammengerechnet 12 down lag! 12 down!
Dass er am Ende noch sein Match gegen Alex Noren auf der 18 verlor, nachdem alles schon längst entschieden war, passte für DeChambeau ins Bild. Der einzige Pick, der einigermaßen aufging, war Tony Finau. Furyk wurde von seinen Spielern - trotz Buddy-Club - im Stich gelassen (abgesehen von Justin Thomas, phasenweise Jordan Spieth und dem bärenstarken Webb Simpson), so muss er sich auch noch mehr fragen lassen, ob er Mickelson nicht hätte sagen müssen, dass er ihn nicht als Wildcard, sondern lieber als Vice Captain mitnehmen will, weil er für diesen Platz einfach eher einen Xander Schauffele oder Kevin Kisner noch im Team gebrauchen kann. Auf der anderen Seite schoss Mickelson kurz vor der Vergabe noch eine 63. Konnte Furyk ahnen, dass Phil danach plötzlich keine Kugel mehr trifft?
3. Eine Albtraum-Woche für Phil:
Es war so bezeichnend, dass Mickelson seinen Abschlag an der 16 ins Wasser schoss und so sein Match gegen Molinari und damit den Ryder Cup beendete. Er habe noch nie so viele Stunden auf der Range verbracht wie in Paris, meinte Lefty. Aber seit einem Monat läuft es einfach nicht mehr und er findet nicht den Schlüssel, um seinen Schwung wieder auf die Reihe zu bekommen.
7 down lag Mickelson in seinem Foursomes-Match am Freitag nach der 9. 7 down nach 9. An der 3 nahm er extra nur ein Eisen vom Tee und schlug den Ball trotzdem ins Wasser. Es war einfach nur verheerend. Man kann eigentlich nur hoffen, dass es nicht Mickelsons letzter Ryder-Cup-Auftritt gewesen ist und er es wie angekündigt als Motivation nimmt für die nächsten zwei Jahre, sonst wäre es ein sehr tragisches Ende.
2. Tiger schläft gleich ein
Phil Mickelson hat jetzt unglaubliche 22 Matches in seiner Ryder-Cup-Karriere verloren, aber Tiger Woods holt auf ... Dank seiner desaströsen 0-4-Bilanz (seit 1979 haben nur vier Spieler überhaupt eine 0-4-Bilanz fabriziert) in Paris steht Tiger jetzt bei 21 Pleiten schon auf Rang zwei. Mit einem Partner zusammen steht seine Bilanz bei 9-19-1. Es ist kaum zu fassen. Woran liegt das? Tiger hat in all den Jahren mit den unterschiedlichsten Partnern zusammengespielt, aber geklickt hat es nie. Und das ist sicher nicht so, weil es Tiger nicht so viel bedeutet oder er kein guter Partner wäre. Im Gegenteil. Aber irgendwas scheint seine Aura mit seinen Partnern zu machen. Sie zu hemmen statt zu beflügeln.
In Paris kam jetzt dazu, dass Tiger das Pech hatte, ständig gegen Moliwood spielen zu müssen. Aber der wohl größte Faktor heißt Müdigkeit. Auf der Abschluss-Pressekonferenz schien es so, Tiger könne kaum die Augen offenhalten. Jeder einzelne Schritt zuvor auf dem Platz schien eine Qual zu sein. Was irgendwie verständlich ist, nachdem Tiger jetzt sieben der letzten neun Wochen unter höchster Belastung Golf gespielt hat und kurz vor dem Ryder Cup mit dem Sieg bei der Tour Championship einen extrem emotionalen Sieg landete, vielleicht den emotionalsten überhaupt in seiner Karriere. Er war einfach fertig, physisch und vor allem psychisch.
Bis auf ein sensationelles Eagle an der 9 im Singles-Match war kaum was von dem Tiger zu sehen, der 2018 so ein atemberaubendes Comeback hingelegt hat. War es vielleicht auch sein letzter Ryder Cup als Spieler? Das Par-10 sagt Nein, dafür ist Woods mit 42 noch zu jung. Eines sei außerdem gesagt: Es wäre zu einfach, alles an Tiger (und Phil) festzumachen. DJ (1-3) war auch nicht gerade überragend, Jordan Spieth verlor schon wieder sein Single in einem Team-Wettbewerb (jetzt 0-6)und von Rickie Fowler kam beispielsweise auch wenig bis nichts.
1. Drive the Bus, Tiger!
So, Franzosen, Zeit fürs Fazit für euren ersten Ryder Cup. Den Freitagmorgen habt ihr etwas versemmelt, weil ihr offensichtlich nicht verstanden habt, dass der Ryder Cup kein Club-Urlaub und auch kein Beachvolleyball-Turnier ist. "Let's make some noise!"? "Hey Baby!" Vous êtes fou, oder was? Aber okay, der DJ war zwar unerträglich, aber selbst das kann einem Freitagmorgen beim Ryder Cup nicht ein bisschen von seiner Magie nehmen. Spätestens als Ian Poulter auftauchte und es sich nicht nehmen ließ, selbst auf den gigantischen Grandstand zu klettern und mit den Fans Stimmung zu machen, war die Atmosphäre wie immer einzigartig.
Und es wurde natürlich im Laufe des Wochenendes besser und besser. Ich sag mal so: Wenn man abends im Dunkeln von der Anlage läuft (übrigens ca. 3000 km vom Mediencenter bis zum Ausgang, stört einen aber alles nicht) und in einen Shuttle-Bus mit verrückten Briten steigt, wird es eh legendär. Ein kurzer Einblick in die Song- und Sprechchöre-Auswahl. "Drive the bus, Tiger!" "Jump around if you're 4 points up!" (das macht man dann auch mal 5 Minuten lang) "There is only 2 Molinaris!" "There is only 3 Molinaris!" "There is only 4 Molinaris!" "There is only 5 Molinaris!" Das ging natürlich noch weiter...
Wer einmal beim Ryder Cup ist (ich stehe übrigens jetzt 3-0) und danach nicht sagt, dass es das mit Abstand beste Sportevent der Welt ist, der soll bitte abhauen. Sorry auch schon mal an alle Fahrgäste, die mit mir in nächster Zeit in München Bus fahren. Es kann passieren, dass ich ab und zu "God damn it, Jordan!" rufe. Das ist jetzt so antrainiert. Whitling Straits in zwei und Rom in vier Jahren kann gar nicht früh genug kommen. Der Ryder Cup ist ein Traum.
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