"Ich habe den Putt 50 oder 60 Mal gesehen"

Von Interview: Florian Regelmann
Für immer unvergessen: Martin Kaymer... to retain the Cup!
© Getty
Cookie-Einstellungen

SPOX: Wann haben Sie zum ersten Mal realisiert, dass Sie zum entscheidenden Mann werden könnten?

Kaymer: Ich habe mir ehrlich gesagt schon Gedanken darüber gemacht, als ich am Samstagabend im Bett lag. Ich wusste, dass unsere Jungs vorne gut drauf sind und viel Selbstvertrauen haben. Deshalb dachte ich mir schon, dass Francesco (Molinari) oder ich den entscheidenden Punkt machen könnten, auch wenn es zu dem Zeitpunkt noch nicht wirklich realistisch war. Bei dem Gedanken bin ich dann schon etwas nervös geworden und habe auch nicht besonders gut geschlafen. Als ich dann nach den ersten neun Löchern auf das Scoreboard geblickt habe, sah ich zu meiner Freude ziemlich viel "blue". Da denkst du dir dann schon: 'Hm, das könnte was werden.'

SPOX: Und es wurde was...

Kaymer: Auf dem Platz war es dann ein geiles Gefühl, in der Verantwortung zu stehen. Dem Team gegenüber, der European Tour gegenüber, die zwei Jahre lang dafür arbeitet und alles macht und tut. Und dann hast du die Möglichkeit, diesen Traum wahrzumachen. Auch für die Fans, die ein paar Meter neben dir stehen und dich komplett anschreien. Olazabal kam an der 16 zu mir und sagte nur: 'Wir brauchen deinen Punkt. I don't care how you do it, deliver. Mir egal, wie du das machst, hol den Punkt.' Es gab nur eine Option, diesen Punkt zu machen. Es war ein super Gefühl und der beste Moment, den ich je auf einem Golfplatz hatte.

SPOX: Gehen Sie die letzten Löcher noch mal für uns durch bitte.

Kaymer: An der 16 habe ich einen schlechten zweiten Schlag gemacht, aber ein super Up-and-Down geschafft. Bei dem kurzen Putt an der 17, der war vielleicht ein, anderthalb Meter, war ich dann am nervösesten. Und an der 18 war ich nur noch wie in Trance. Du bist 1 auf und musst es nach Hause bringen. Ich habe nicht defensiv gespielt, das hat man beim ersten Putt ja eindeutig gesehen. Ich wollte mit dem Birdie aufhören, ich wollte den ultimativen Moment, so sehr war ich in dem Match drin. Ich habe mir nach dem ersten Putt auch gar nicht so viele Gedanken gemacht. Ich hatte ja immer noch einen Putt zum Sieg. Was wollte ich mehr? Es war sensationell, die schönsten drei, vier Löcher, die ich je gespielt habe. Das war einfach geil!

SPOX: Danach ist es dann auch - im Gegensatz zur PGA - aus Ihnen heraus gebrochen.

Kaymer: Die Anspannung ist mit einem Mal komplett abgefallen. Ich muss Bernhard und auch Thomas Björn dafür danken, welche Leidenschaft und welche Emotionen sie in mir freigesetzt haben. So eine Reaktion hatte man bei mir ja noch nie gesehen. Wir haben dann lange gefeiert, aber ich kann mich leider nicht mehr an alles erinnern, das ist ein bisschen schade. (lacht) Wir haben in der Umkleide viel gefeiert und gesungen, aber besonders viele Worte sind gar nicht gefallen. Jeder wusste, warum wir uns so viel Mühe gegeben hatten. Es war für Seve. Es war sehr emotional.

SPOX: Wie fällt der Vergleich mit dem Major-Sieg aus?

Kaymer: Der Major-Sieg war mich für mein persönliches Profil als Einzelsportler bedeutender, aber mental war der Ryder Cup viel wichtiger als die PGA. Der Ryder Cup ist insofern das Highlight der Karriere, weil es nirgends mehr Druck gibt und mehr Emotionen aufgebaut werden. Wenn du so einen Putt lochst, kannst du jeden machen. Es hilft in jedem Turnier. Wenn eine Drucksituation auf mich zukommt, weiß ich, welche Drucksituation ich schon mal bestanden habe. Das ist wichtig zu wissen. Und dann kannst du schauen, ob die anderen auch so tough sind wie du.

SPOX: Wie lauten die Ziele für 2013?

Kaymer: Turniere zu gewinnen ist schön und gut, aber in der Weltspitze musst du Majors gewinnen. Wenn du am Ende deiner Karriere sagen kannst, dass du in Italien, Spanien oder anderswo gewonnen hast, ist das schön, aber mein Ziel ist es, die dicken Dinger zu gewinnen. Es geht darum, sich in Position zu bringen, um Majors zu gewinnen. Dann entscheiden Kleinigkeiten. Wir haben an den ganzen Comeback-Siegen in diesem Jahr gesehen, dass man immer bis zum Ende durchspielen muss. Du weißt im Golf nie, was passiert.

SPOX: 2013 spielen Sie auch zum ersten Mal die US PGA Tour. Eine große Herausforderung?

Kaymer: Absolut, eine riesengroße Herausforderung. Ich fühle mich jetzt bereit dazu. Viel verändern wird sich an meinem Turnierplan aber gar nicht. Ich werde zwei, drei Turniere mehr in den USA spielen und dann den FedExCup. Ich will zum einen vermeiden, noch mehr zu reisen, weil ich gemerkt habe, wie schwierig es bei den Strapazen ist, immer Topleistungen zu bringen. Und zum anderen will ich mich auch in den USA durchsetzen. Da werde ich wieder viel lernen können, daran habe ich Spaß.

SPOX: Sind Sie eigentlich für oder gegen das Verbot des Belly Putters, das 2016 in Kraft treten soll?

Kaymer: Wenn Leute sagen, dass es pfuschen sei, finde ich das falsch. Wenn man automatisch besser putten würde, würde ihn ja jeder benutzen. Du musst immer noch trainieren. Ich bin gespannt, wie die Regularien genau aussehen werden, wie genau man den Putter nicht mehr halten darf. Da wird es viele Streitpunkte geben. Ich habe schon immer mit dem kurzen Putter gespielt, für mich macht es also keinen Unterschied.

SPOX: Zum Abschluss noch zwei Nicht-Golf-Fragen: Wie sehr hat Sie die Ausladung bei "Wetten dass ..?" enttäuscht?

Kaymer: Es gab jetzt seit zwei Jahren immer wieder Anfragen von "Wetten dass...?", die erste noch zu Zeiten von Thomas Gottschalk. Es wäre eine große Chance gewesen, um Golf in Deutschland populärer zu machen und ich hatte mich sehr darauf gefreut. Leider wurde mir dann die bekannte Entscheidung mitgeteilt und ein limitierter Auftritt als Special Guest war für mich ehrlich gesagt keine Option. Aber ich bin absolut nicht nachtragend und kann mir nach wie vor vorstellen, in Zukunft bei "Wetten dass ..?" aufzutreten.

SPOX: Ein anderes Thema war der Gemälde-Streit. Der Wiesbadener Maler Alexander Maurer malte ein Porträt von Ihnen, Sie klagten gegen das Bild und bekamen vor dem Landgericht Recht. Was ist der Hintergrund der Geschichte?

Kaymer: Es wurden leider viele Halbwahrheiten erzählt und Dinge hineininterpretiert, die überhaupt nicht stimmen. Ich möchte, dass jeder verstehen und nachvollziehen kann, dass es mir bei der Sache überhaupt nicht um Geld oder Missgunst geht. Es ist außerdem auch nicht das erste Mal, dass so etwas vorgefallen ist. Allerdings war es bis jetzt immer so, dass die Leute eingelenkt haben, wenn wir sie darauf aufmerksam gemacht haben, dass sie dieses oder jenes nicht dürfen. Wie sonst auch haben wir deshalb zunächst eine Unterlassungserklärung verschickt mit der Aufforderung, den kommerziellen Vertrieb der Bilder zu stoppen. Normalerweise wird einen solche Erklärung dann unterschrieben und die Sache ist vom Tisch.

SPOX: Und dieses Mal?

Kaymer: Leider war der Künstler in diesem Fall aber nicht dazu bereit, diese Erklärung abzugeben und wollte es auf einen Prozess ankommen lassen. Es geht dabei auch gar nicht um den Wert der Bilder, sondern vielmehr darum, dass ich auch meinen Partnern verpflichtet bin, Bild- und Namensreche zu schützen. Es war auch nie so, dass ich von ihm Geld wollte, obwohl mir das jetzt im Nachhinein als Schadensersatz sogar zugesprochen werden würde. Und auch diese 20.000 Euro, über die ja immer gesprochen wurde, waren keine Forderung von mir oder meinen Anwälten, sondern ein vom Gericht festgelegter Streitwert. Im Endeffekt ist es sehr schade, dass eine solche Sache erst durch juristische Schritte beendet werden konnte.

Der Stand in der Weltrangliste: Kaymer auf Rang 28

Artikel und Videos zum Thema