Rüdiger Fritsch im Interview: "Wenn das Schule macht, haben wir irgendwann Firmenfußball"

Rüdiger Fritsch ist seit vielen Jahren Präsident des SV Darmstadt 98.
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SPOX: Darmstadt 98 steht für viel Romantik und Tradition. Dennoch müssen Sie als Präsident dafür sorgen, dass sich der Klub mit dem modernen Fußball entwickelt, ohne sein eigenes Selbstverständnis zu verlieren. Bedauern Sie es, dass man das so machen muss, weil es keine andere Auswahlmöglichkeit gibt?

Fritsch: Es gibt keine andere Möglichkeit, das ist de facto so. Wenn man wie ich in einer anderen Fußball-Welt groß geworden ist, tun einem bestimmte Entscheidungen manchmal schon weh. Da schlagen dann zwei oder mehrere Herzen in meiner Brust. Am Ende geht es aber nicht um mein eigenes Empfinden. Das rufe ich auch den verschiedenen Interessengruppen wie Fans, Sponsoren oder Politik zu. Man sollte das machen, was für die Gesamtentwicklung des Fußballs sinnvoll ist. Und da stellt sich direkt wieder die Frage: Geht es dabei um die Entwicklung des Fußballs in Deutschland oder in Europa oder in der Welt?

SPOX: Was glauben Sie?

Fritsch: Es dreht sich irgendwie um alle Themen. Als Verantwortungsträger eines Vereins, und da kann mir auch keiner etwas anderes erzählen, will man seinen Klub gewinnen sehen. Dafür braucht man Spielerqualität und die bekommt man nicht geschenkt. Es geht darum, Geld zu verdienen - und wer keines hat, wird keine guten Spieler bekommen. An Geld komme ich wiederum nur, wenn ich mich an den Marktmechanismen orientiere. Manche Mechanismen passen vielleicht gar nicht zu den Grundsätzen eines Vereins, doch ignoriert man sie, muss man sich mit der 4. Liga und abwärts begnügen. Fußball-Purismus und Nostalgie schießen auf Dauer eben keine Tore. Ich propagiere für Darmstadt 98 den Mittelweg.

SPOX: Können Sie es nachvollziehen, wenn Fans trotz der Kenntnis der Sachlage gegen alles sind, was mit Kommerzialisierung verbunden ist, auch wenn damit ihrem eigenen Verein geholfen wäre?

Fritsch: In Darmstadt haben wir das meist gut hinbekommen. Es macht letztlich keinen Sinn, wie die Indianer gegen die Dampflok zu sein und unaufhörlich dagegen anzukämpfen. Man muss die Dinge als Verein aber erklären und darf sie nicht nur einfach umsetzen. Denn es ist in dieser Gemengelage durchaus möglich, bei den Leuten ein Verständnis und eine Akzeptanz für wirtschaftliche Vorgänge zu schaffen. Sollte diese Rakete künftig aber immer weiter steigen, dürfte es schwieriger werden und noch größere Diskussionen nach sich ziehen.

SPOX: Sie selbst sagten schon, dass Sie "dem Projekt Red Bull und Fußball überhaupt nichts Positives oder Interessantes abgewinnen" können, weil dort ein Weltkonzern einen Dorfklub übernahm. Gehören solche Konstrukte aber nicht auch zur Entwicklung des modernen Fußballs?

Fritsch: Es wird so sein, weil es schwer ist, die Gesamtentwicklung aufzuhalten, egal ob man das subjektiv gut oder schlecht findet. Damit allerdings keine Missverständnisse aufkommen: Der sportliche Output des Modells Red Bull, also was dort mit dem Geld gemacht wird, ist ziemlich gut. Es ist auch nicht so, dass man in Leipzig über dreimal so viel Geld verfügt wie an anderen Standorten größerer Vereine. Das ist unstrittig. Was ich damals meinte, bezog sich eher auf mein persönliches Empfinden. Nach dem Motto: Wenn das Schule macht, haben wir vielleicht irgendwann "Firmenfußball", der nur dem product placement dient. Das wäre dann nicht mehr mein Fußball, weil es nichts mehr mit dem Verein zu tun hätte, dem man aus welchen Gründen auch immer jahrelang die Daumen gedrückt hat.

SPOX: Sie sind seit 2008 im Präsidium des SVD. Rund um die nun geklärte Frage nach einem Stadionausbau gab es auch erstmals Wechselgerüchte um Sie. Wie viel war da dran?

Fritsch: Ich weiß nicht, woher diese Gerüchte kamen. Von mir jedenfalls nicht. Ich bin ein Kind des Rhein-Main-Gebietes und keine 35 mehr, ich muss nicht mehr die Welt erobern. Der Stadionausbau ist ein klarer Meilenstein für die Weiterentwicklung und Etablierung des Vereins, den ich gerne weiter begleiten möchte. Da wird in Zukunft noch viel Arbeit auf uns zukommen.

SPOX: Und wenn morgen RB Leipzig anruft und Ihnen ein unwiderstehliches Angebot macht?

Fritsch: Dann wird daraus nichts werden. (lacht)

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