"Von Heidel höre ich jetzt nichts mehr"

Ralph Hasenhüttl spielte in Deutschland für Köln, Fürth und die Amateure des FC Bayern
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SPOX: Nach dem Aufstieg erkrankten Sie während der Saisonvorbereitung plötzlich am Hantavirus und plagten sich wochenlang mit hohem Fieber herum. Der Verein stand kurz davor, Sie zu entlassen, weil niemand wusste, wie es mit Ihnen weiterging. Wie sind Sie psychisch mit dieser plötzlichen Veränderung umgegangen?

Hasenhüttl: Es war eine Extremsituation mit großen Schmerzen, die ich in der Form noch nie erlebt habe. Ich wusste eine Woche lang nicht, was mit mir los ist, konnte nachts kein Auge zudrücken und hatte unerträgliche Kopfschmerzen. Das war abartig und hat mich so kaputt gemacht, dass ich über die berufliche Seite gar nicht mehr nachdenken konnte. Mir war die Mannschaft scheißegal, um das einmal so deutlich zu sagen. Ich war so weit, dass mir auch eine Entlassung vollkommen wurscht gewesen wäre. Ich wollte einfach nur wieder gesund werden.

SPOX: Wie kam es denn überhaupt zu der Erkrankung?

Hasenhüttl: Aalen ist ein Inkubationsgebiet, da die Rötelmaus dort sehr verbreitet ist. Wenn der ausgetrocknete Kot der Rötelmaus zerbröselt, kann der Staub in die Atemwege des Menschen gelangen und den Virus auslösen. Ich kann nicht genau sagen, wie ich mir das eingefangen habe. Ich weiß nur, dass wir in unserem Garten immer eine Katze hatten und ich eines Tages einmal den Fußabtreter auf der Terrasse ausgeklopft habe. Da könnte es passiert sein.

SPOX: Wann haben sich die Symptome das erste Mal bemerkbar gemacht?

Hasenhüttl: Als ich im Trainingslager an unserem freien Nachmittag mit meinem Trainerteam einen Berg hinauf geradelt bin. Am Abend war mir bereits schwindlig, dann kam das Fieber. Ich dachte zunächst, ich Idiot habe mich einfach überanstrengt, doch nach ein paar Tagen im Bett musste ich ins Krankenhaus gebracht werden. Ein Aalener Arzt erkannte die Symptome und fand heraus, dass es der Hantavirus ist. Ab dann musste ich im Endeffekt nur noch warten, bis der Körper die Antikörper bildet, danach war das Thema gottseidank erledigt.

SPOX: Diese Zeit war auch für den Verein nicht leicht, er musste sich parallel auf die Suche nach einem Nachfolger machen.

Hasenhüttl: Man war im Klub vor der ersten Zweitligasaison der Geschichte natürlich auch etwas nervös, erst Recht nach dieser Geschichte. Ich war eigentlich schon entlassen, mein Nachfolger stand bereits parat. Hätte ich nicht noch ein Gespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden geführt, wäre ich nicht mehr Trainer gewesen. Ich wollte das Erarbeitete aber unbedingt fortführen.

SPOX: Obwohl Sie mit Aalen als Neunter der beste Aufsteiger der Liga wurden, lösten Sie nach der Saison Ihren Vertrag auf. Lag das am Sparkurs, den sich der Klub dann auferlegte?

Hasenhüttl: Ein Weitermachen hatte keinen Sinn mehr. Nach zweieinhalb Jahren sehr erfolgreicher Arbeit mit dieser Mannschaft war der Moment gekommen, wo man neuen personellen Input brauchte, um den nächsten Schritt gehen zu können. Da dies aber nicht möglich war, stand für mich fest, dass der Input dann eben auf Trainerseite kommen muss. Außerdem war ich ein Stück weit leer, konnte mich auch nicht damit motivieren, nach Platz neun nun gegen den Abstieg spielen zu müssen.

SPOX: Das mussten Sie aber in Ingolstadt, wo Sie im Oktober 2013. Der Klub stand auf dem letzten Tabellenplatz. Wieso haben Sie sich das angetan?

Hasenhüttl: Ich führte auch Gespräche mit 1860 München, bin aber sehr froh, dass es dann der FCI geworden ist. Einen Tabellenletzten übernehmen zu können ist das Beste, das einem als Trainer passieren kann. Natürlich kann es auch nach hinten losgehen, aber das Potential, dass das Gegenteil eintritt, ist deutlich größer.

SPOX: Der Erfolg mit dem FCI gibt Ihnen recht: Sie führten das Team zunächst auf Platz 10 und sind jetzt Tabellenführer der 2. Liga. Die deutschlandweite Aufmerksamkeit ist zwar gestiegen, wäre aber an anderen Standorten sicherlich größer. Wird Ihnen die Entwicklung beim FCI genug wertgeschätzt?

Hasenhüttl: Absolut, das passt wunderbar. Würden wir jede Woche von allen Seiten hören, wie super wir sind, wäre das hinderlich für die Fokussierung auf die essentiellen Aufgaben eines Fußballspielers. Es war sehr angenehm, dass wir lange Zeit ein bisschen unter dem Radar geflogen sind. Man merkt aber, dass wir jetzt an Euphorie zugelegt haben. Im Winter haben wir fast doppelt so viele Dauerkarten verkauft wie noch im Sommer.

SPOX: Mainz-Manager Christian Heidel äußerte die Befürchtung, dass eine Bundesligapartie zwischen Ingolstadt und Hoffenheim das Land nicht elektrisieren würde. Was sagen Sie dazu?

Hasenhüttl: Diese Aussage liegt ja schon etwas zurück, da ging es Mainz auch noch etwas besser. Von Christian Heidel höre ich jetzt nichts mehr. Ich weiß noch, wie ich mit Köln in Mainz im Bruchwegstadion gespielt habe und keine 2000 Zuschauer da waren, weil das dort keinen Menschen interessiert hat. Und als Mainz das erste Mal in die Bundesliga aufstieg, verloren mit Frankfurt, München und Köln drei Traditionsvereine für das kleine Mainz ihren Platz im Oberhaus. Dennoch freut es mich natürlich, welche Entwicklung dieser Verein in den letzten 15 Jahren durchgemacht hat. Das ist doch schön. Daher sollen sie uns doch bitte auch die Chance geben, einen ähnlichen Weg bestreiten zu dürfen.

SPOX: Welche Relevanz hat die ewige Diskussion zwischen Traditions- und Werksklubs für Sie?

Hasenhüttl: Ich kann damit nur wenig anfangen. Wir sind kein Werksklub, aber auch kein Traditionsverein. Wir gehören in meinen Augen keiner dieser Kategorien wirklich an. Es geht für mich in dieser Debatte vielmehr um den gesellschaftlichen Widerspruch: Tradition auf der einen, Modernisierung auf der anderen Seite. Derzeit wird beispielsweise über mögliche neue Spieltermine der Bundesliga gesprochen, um mehr Fernsehgeld zu generieren. Diese Diskussion wird für meine Begriffe niemals enden.

SPOX: Die Frage ist, wie massenkompatibel die Meinung ist, dass Ingolstadt gegen Hoffenheim die Menschen nicht elektrisieren würde.

Hasenhüttl: Eben. Ich persönlich lasse mich in erster Linie von gutem Fußball elektrisieren, weil ich diesen Sport liebe. Welches Trikot die Mannschaften dann anhaben oder von welchem Sponsor sie bezahlt werden, das ist mir ehrlich gesagt vollkommen egal.

SPOX: Dass der FCI nächste Saison in der Bundesliga spielt, ist aktuell mehr als wahrscheinlich. Käme für Sie im Sinne von Ralf Rangnick ein Aufstieg niemals zu früh?

Hasenhüttl: Ja, Ralf Rangnick hat Recht. Wenn man richtig damit umgeht und nicht plötzlich verrückt wird, ist ein Aufstieg für jeden Verein eine wahnsinnig große Chance. Ich denke, wir sind hier bodenständig genug, können uns beruhigt zurücklehnen und schauen, ob wir es am Ende tatsächlich schaffen. Falls es nicht klappt, bricht hier auch nichts zusammen.

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