Die Mutigen werden belohnt

Von Adrian Franke
Rene Weiler begann seine Trainerkarriere in seiner Geburtsstadt Winterthur
© imago

Ganze 132 Tage hielt die Liaison zwischen dem 1. FC Nürnberg und Valerien Ismael, jetzt soll ausgerechnet Ismaels Sommer-Konkurrent Rene Weiler den Club vor dem Absturz retten. Der 41-Jährige bringt nicht nur neuen Wind, sondern auch ein neues Selbstverständnis und Selbstvertrauen mit nach Nürnberg. An Mut mangelt es ihm ebenfalls nicht - auf wie abseits des Platzes.

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April 2011, es war gerade Halbzeitpause im Zweitliga-Kellerduell zwischen dem FC Locarno und dem FC Aarau. Während Absteiger Aarau ums sportliche Überleben kämpfte und ein 0:0 in die Kabine retten konnte, liefen hinter den Kulissen noch weitreichendere Entscheidungen ab: Während der Pause unterschrieb Weiler laut Aarau-Sportchef Urs Bachmann seinen Vertrag, ab dem kommenden Montag würde er die Mannschaft betreuen.

Unter Weiler holte Aarau anschließend aus den verbleibenden sechs Saisonspielen elf Punkte, machte den Klassenerhalt vorzeitig perfekt und vermied den dramatischen Absturz in die dritte Liga. Der Mut von Klub und Trainer war belohnt worden - und die Parallelen sind so offensichtlich, dass sie angesichts der prekären Lage des 1. FC Nürnberg nicht außer Acht gelassen werden können.

Mut auf und neben dem Platz

Weiler ist ein mutiger, selbstbewusster Trainer, auf und abseits des Platzes, der auch in Nürnberg der Mannschaft neues Selbstvertrauen einimpfen kann. Um vorzeitig beim FC Schaffhausen aus seinem Vertrag zu kommen und Aarau direkt übernehmen zu können, soll er sich persönlich bei Schaffhausens Klubpräsidenten Aniello Fontana stark gemacht haben. Die Trennung erfolgte im Streit.

"Das Tuch zwischen mir und Rene Weiler ist zerschnitten", stellte Fontana anschließend klar. Darüber hinaus hatte sich Weiler angeblich selbst bei seinem Wunschklub Aarau ins Gespräch gebracht, nachdem dort Trainer Ranko Jakovljevic entlassen worden war.

Doch auch auf dem Platz verfolgt der 41-Jährige konsequent einen mutigen Ansatz. Weiler lässt zumeist im 4-2-3-1 spielen, interpretiert das allerdings durchaus offensiv. Bei jeder seiner Trainerstationen schoss sein Team im Schnitt mindestens 1,4 Tore pro Spiel. In Aarau waren es sogar 1,96 über die drei Jahre und der Schweizer lebt dabei nach einer klaren Devise: "Die Mutigen werden eines Tages belohnt."

Pragmatismus vs. Show

Allerdings ist Weiler, der dank seiner Arbeit mit mehreren Jugendmannschaften den Ruf als guter Talentförderer genießt, dabei keineswegs stur, sondern vielmehr ein pragmatischer Typ: "Wir sind im bezahlten Fußball, da sind die Resultate von entscheidender Bedeutung. Es ist immer von der jeweiligen Situation abhängig: Wie ist der Gemütszustand der Mannschaft? Wer ist der Gegner? Wie ist die Tabellensituation? Aber grundsätzlich wünsche ich mir einen Fußball, der auch die Zuschauer zufriedenstellt."

Dabei, so Weiler weiter, bestimme nicht der Trainer das System, sondern die Spieler: "Die Spieler, die ihre Fähigkeiten beweisen müssen, zeigen mir, welches System dafür geeignet ist. Systeme werden überbewertet. In der heutigen Zeit müssen sich alle an dem Offensivspiel beteiligen, genauso wie sich alle an der Defensivarbeit beteiligen müssen."

Immerhin kennt der gebürtige Winterthurer auch die anderen Facetten des Geschäfts. Als technisch begabter Abwehrmann schaffte er kurzzeitig sogar den Sprung in die Nationalmannschaft, musste seine Karriere nach mehreren Knieverletzungen aber schon 2001 beenden. Direkt erfolgte der Wechsel in den Trainerstab des FC Winterthur und auch die finanzielle Seite des Geschäfts kennt Weiler: 2005 arbeitete er in St. Gallen als Sportlicher Leiter, ehe er als Interimstrainer ran musste.

Ambitioniert, ehrlich, autoritär

Doch der Erfolg als Trainer gab ihm bislang regelmäßig recht, auch wenn sich Weiler nicht unbedingt immer Freunde machte. In seinem zweiten Jahr in Aarau schaffte er schließlich den Aufstieg ins Schweizer Oberhaus, wo er im Folgejahr auch die Klasse hielt. Doch auch sein einstiger Wunschklub Aarau war nur drei Jahre nach seinem Wechsel nicht mehr interessant genug.

Weiler stieg 2014 beim FCA aus, weil er zu einem größeren Klub wollte - obwohl sein Vertrag noch bis 2015 lief, weshalb Nürnberg auch eine Ablöse für den Trainer an dessen Ex-Klub zahlen musste. Dabei machte er allerdings nie einen Hehl daraus, was er will: Weiler zog es zu einem größeren Klub, er wollte den Markt testen.

"Ich denke es ist wichtig, dass man ehrlich miteinander umgeht. Es ist ein Geschäft, in dem man ab und zu den Spielern schon mal die Meinung sagen muss. Ich werde die Zeit und die tolle Infrastruktur hier nutzen, um die Spieler besser zu machen. Ich bin als Trainer autoritär", betonte er bei seiner Vorstellung in Nürnberg.

Fünf Monate Verspätung

Schon vor der Saison war der 41-Jährige ein Thema bei den Franken, damals aber erhielt Ismael noch den Vortritt - mit fünf Monaten Verspätung ist er jetzt aber doch da und hat seine freie Zeit bislang gut genutzt, um für das erhoffte Angebot aus Deutschland vorbereitet zu sein: "Ich habe mich in den letzten Monaten bewusst auf eine neue Aufgabe vorbereitet, diese auch bewusst auf dem deutschen Markt gesucht. Ich war sehr viel in Deutschland unterwegs, habe mir viele Erst- und Zweitligaspiele angeschaut."

Auch diese Gewissenhaftigkeit und Akribie sind unverkennbare Charaktereigenschaften des Schweizers, der an die schwierige Aufgabe in Nürnberg mit seinem typischen Selbstvertrauen geht: "Selbstverständlich habe ich auch den FCN live gesehen. Ich denke zu wissen, was zu tun ist. Der Club hat zur Zeit sowohl ein Problem in der Offensive, in der Effizienz, als auch in der Defensive. Die Defensive beginnt beim Stürmer und die Offensive bei der Verteidigung. Da haben wir genügend Arbeit vor uns."

"Positive Schlagzeilen schreiben"

Dabei wird Weiler dieser Tage nicht müde zu betonen, wie geehrt und stolz er sich angesichts des Club-Vertrauens fühlt. "Ich möchte dazu beitragen, wieder positive Schlagzeilen zu schreiben", betonte der neue Nürnberger Übungsleiter.

Daran dass er sich den Wechsel zu den Franken genauestens überlegt hat, besteht aber kein Zweifel. Nach seinem riskanten Ausstieg in Aarau stand er zum Saisonstart zunächst ohne Job da und erklärte noch Mitte Oktober im Schweizer "Blick": "Man muss auch Selbstvertrauen haben und überzeugt sein, dass das Richtige kommen wird."

Immerhin war seine eigene Anforderungsliste nicht gerade kurz: "Ich suche einen Trainerjob, bei dem das Umfeld und die Finanzen intakt sind. Bei dem mein Konzept Anklang findet. Wo ich etwas aufbauen kann. Wo meine Leidenschaft und Sieger-Mentalität hinpasst. Wo ich Begeisterung entfachen und wo ich etwas gewinnen kann." In Nürnberg wäre das im Klartext wohl ein ähnliches Kunststück, wie es Weiler vor einigen Jahren schon in Aarau gelang. Und dann ist ein verfrühter Abgang ja womöglich gar nicht nötig.

Rene Weiler im Steckbrief

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