The Road to Darmstadt

Von Sebastian Hahn
Schon im Hinspiel ging es zwischen Arminia Bielefeld und Dynamo Dresden heiß her
© getty

Kein Hoffen auf Schützenhilfe, keine Spione im gegnerischen Stadion - die 2. Bundesliga bekommt pünktlich zum 34. Spieltag ein echtes Abstiegsendspiel zwischen Dynamo Dresden und Arminia Bielefeld (So., 15.30 Uhr im LIVE-TICKER) serviert. Der Preis für den Gewinner: Ein Duell mit dem SV Darmstadt 98.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

"Vor zwei Wochen hat uns niemand die Relegation zugetraut. Doch jetzt haben wir ein Endspiel in Dresden", erklärte DSC-Trainer Norbert Meier nach der Partie gegen den FSV Frankfurt (0:0). Mit dem Punktgewinn zuhause schloss die Arminia zu Dresden auf, hat aber ein um drei Treffer schlechteres Torverhältnis. Für die Bielefelder zählt im Glücksgasstadion daher nur ein Sieg, bei einem Unentschieden oder einer Niederlage der Ostwestfalen darf Dynamo jubeln. "Uns erwartet ein Hexenkessel, aber darauf sind wir vorbereitet", gibt sich Tim Jerat kämpferisch.

Auf Seiten der Dresdner ist die Stimmung dagegen nach dem 0:4 in Kaiserslautern nicht so rosig. "Das tut enorm weh, vor allem weil nun in Vincenzo Grifo ein weiterer Spieler ausfällt. Wir müssen unsere Kräfte bündeln und uns jetzt voll auf Bielefeld konzentrieren", sagte Olaf Janßen nach dem Spiel auf dem Betzenberg. Durchhalteparolen en masse auf beiden Seiten also, aber was anderes bleibt den abstiegsbedrohten Klubs nicht übrig. Dresden gelang nur ein Sieg in der Rückrunde (4:2 gegen 1860 München), ganze 17 Unentschieden stehen für Dynamo zu Buche. Nummer 18 würde für die Relegation reichen.

Auf den Pressekonferenzen am Freitag gaben sich beide Teams optimistisch, schließlich will niemand den unliebsamen Platz 17 belegen. "Unser Ziel wird es sein, den Gegner so weit wie möglich vom eigenen Tor fern zu halten und in der Offensive selbst für Gefahr zu sorgen. Sich hinten reinzustellen und auf Konter zu lauern, ist nicht unsere Spielweise", erklärte Olaf Janßen. Sein Gegenüber Norbert Meier spricht vom "Showdown in Dresden": "Du brauchst sehr viel Disziplin und vor allem auch mal Mut." Von Erfolgen in solchen Spielen könne man seinen Enkelkindern noch erzählen."

Europapokal-Atmosphäre

Generell hat das Spiel die Atmosphäre eines Halbfinal-Rückspiels im Europapokal. Der Finalgegner steht bereits fest, Dresden geht mit einer leicht besseren Ausgangsposition ins Spiel, das der letzte Schritt auf der "Road to Darmstadt" ist. So sieht das auch Olaf Janßen: "Das Duell am Sonntag ist nur für den Verlierer ein Endspiel, für den Gewinner ein Halbfinale." Im Fokus steht dabei vor allem Norbert Meier. Der jetzige DSC-Coach trainierte Dynamo zwischen 2006 und 2007, bevor er aufgrund eines schwachen Saisonstarts entlassen wurde. Jetzt kann Meier seinem alten Verein einen weiteren Nadelstich versetzen, vorausgesetzt die Arminia holt sich ihren fünften Auswärtssieg der Saison.

Ein bisschen Aberglaube ist für Meier auch dabei, so wird er wohl auch kommenden Sonntag mit seinem blauen Pullover an der Seitenlinie stehen und dirigieren. Für Arminia-Fans werden da Erinnerungen an Stefan Krämer wach, der den DSC in der Aufstiegssaison auch bei Minusgraden in schwarzem T-Shirt coachte. Auf einen weiteren Glücksbringer müssen die Bielefelder aber wohl verzichten: Die gelben Trikots, die man am Wochenende sogar den blauen Heim-Jersey vorzog, müssen aufgrund der gleichfarbigen Dynamo-Trikots in der Kabine bleiben.

Ein besonderes Spiel wird es auch für Arminias Abwehrchef und Ex-Kapitän Thomas Hübener. 121 Mal lief der Innenverteidiger bis 2012 für Dresden auf und wechselte dann nach Ostwestfalen. Seine volle Konzentration gilt aber jetzt den Bielefeldern: "Wir haben es wieder selbst in der Hand. Das ist wichtig für den Kopf. Ich glaube fest daran, dass wir sie am kommenden Sonntag schlagen können", erklärt Hübener, der zuletzt zu den Besten im DSC-Dress zählte.

Uhlig forderte Dresdens Ausschluss

Im Hinspiel trennten sich beide Teams 1:1. Aufreger war nicht etwa der Treffer von Mohamed Aoudia in der zweiten Minute der Nachspielzeit, sondern die Geschehnisse rund um die Bielefelder Alm. Ein Teil der rund 3.500 mitgereisten Dynamo-Fans randalierte schon am Bielefelder Bahnhof, überfiel einen Supermarkt und verletzte 17 Polizisten. Zudem wurden die Kassen von zwei Catering-Ständen ausgeraubt.

DSC-Spordirektor Marcus Uhlig forderte im Anschluss an die Krawalle sogar den Ausschluss der Dresdner aus der 2. Liga: "Diese Fans von Dynamo Dresden sind eine Schande für den deutschen Fußball. Nach diesem Vorfall sollten Überlegungen stattfinden, ob Dresden nicht vom Ligabetrieb ausgeschlossen werden soll." Die Dresdner Verantwortlichen reagierten auf die "Geilheit auf Gewalt" (Uhlig) ebenfalls geschockt: "Der gesamte Verein, unsere Spieler und Mitarbeiter sind über die Vorkommnisse zutiefst beschämt. Das Ausmaß an Gewalt macht uns fassungslos", erklärte Geschäftsführer Christian Müller.

Arminia meist Opfer im Abstiegskrimi

Für reichlich Brisanz auf und neben dem Platz ist also gesorgt, auch in der Vergangenheit machten es beide Teams oft bis zum letzten Spieltag mehr als spannend. Dresden entschied die Aufstiegsrelegation 2011 gegen den VfL Osnabrück erst in der Verlängerung mit 3:1 für sich, im vergangenen Sommer wendete man den drohenden Abstieg nach einer Hinspielniederlage gegen den selben Gegner noch gerade so ab.

Bielefeld ist dagegen meist das Opfer der eigenen Abstiegskrimis. 2003 stieg man ab, nachdem aus den letzten sechs Partien nur zwei Punkte geholt wurden. Der scheinbar sichere Klassenerhalt wurde noch aus der Hand gegeben. Ähnlich war die Lage 2009, als die Bielefelder durch ein Unentschieden am letzten Spieltag noch von Relegationsrang 16 auf den letzten Platz rutschten.

Neue Marschroute: Umbruch!

Für beide Vereine wäre der Abstieg schwer zu verkraften, die TV-Gelder in der 2. Liga sind für Bielefeld und Dresden essentiell, um aus dem Schuldensumpf zu kommen. Der Aufstieg der Arminia im vergangenen Jahr kam unerwartet, die Vereinsführung plante eigentlich erst in diesem Jahr mit der Rückkehr in die 2. Liga. Ein Abstieg käme dennoch einem Neuaufbau gleich, Top-Stürmer Fabian Klos und der ausgeliehene Kacper Przybylko wären dann wohl weg.

In Dresden wäre der Abstieg nach drei Zweitligajahren ein erneuter Tiefschlag. Eigentlich wollte sich der Verein in der 2. Liga etablieren, jetzt droht sogar nur noch Rang drei in Sachsen , RB Leipzig und Erzgebirge Aue wären bei einem Abstieg von Dynamo jeweils eine Klasse höher aktiv. Zudem müsste die Stadt Dresden noch mehr Geld für die Stadion-Miete des klammen Vereins aufbringen. Auch hier droht ein Umbruch.

Der stille Beobachter des ersten direkten Abstiegsendspiels der Zweitliga-Geschichte ist der SV Darmstadt. Die Hessen sind von Relegationsrang drei nicht mehr zu verdrängen und legen ihren Fokus nun voll auf die beiden Entscheidungsspiele am 16. und 19. Mai. Bei ihrem Heimspiel können die Lilien auf die treuen Fans am Böllenfalltor bauen, ein Ausweichen in die Mainzer Coface-Arena stand bis zuletzt aber im Raum. "Das wäre für uns eine bittere Pille gewesen", erklärte Vereins-Präsident Rüdiger Fritsch gegenüber der "FAZ". Die muss am kommenden Sonntag auf jeden Fall auch ein Zweitliga-Team schlucken - ob Dresden oder Bielefeld ist noch völlig offen.

2. Liga: Der 34. Spieltag im Überblick