WM

Misimovic: "Habe gehofft, dass Ronaldo spielt"

Von Interview: Florian Bogner
Wolfsburg-Spielmacher Misimovic (r.) spielte bislang 45-mal für Bosnien-Herzegowina (16 Tore)
© Getty

Bosnien-Herzegowina ist nur noch zwei Schritte von der ersten WM-Teilnahme der Geschichte entfernt. Wolfsburgs Spielmacher Zvjezdan Misimovic über den Gegner Portugal (Sa., 21.30 Uhr im LIVE-TICKER), Playoff-Vorbereitungen in einem fremden Land, die Euphorie in Bosnien und den alten Hasen Miroslav Blazevic.

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SPOX: Herr Misimovic, wie läuft die Vorbereitung auf die wichtigsten Spiele Ihrer Karriere?

Zvjezdan Misimovic: Danke, alles gut soweit. Wir haben uns schon am Montagabend getroffen, sind seit Dienstagmorgen im Training. Die Vorbereitung läuft gut. Wir sind alle heiß.

SPOX: Die Mannschaft hat ihr Quartier etwas überraschend in Kroatien aufgeschlagen. Warum?

Misimovic: Wir sind wegen des Wetters hier, weil es mehr dem portugiesischen Klima ähnelt und es hier etwas wärmer ist als in Bosnien. Außerdem sind wir hier in Rijeka gut abgeschottet. Das Hotel ist klasse, ganz neu. Wir kommen gut zurecht.

SPOX: Die Schlagzeilen haben vor dem Spiel vor allem Ronaldo gehört - spielt er, spielt er nicht? Hat das auch bei Ihnen für Unruhe gesorgt?

Misimovic: Nein. Ob er spielt oder nicht, lag ja nicht in unserer Hand. Vielleicht klingt das jetzt ein bisschen komisch - aber eigentlich habe ich schon gehofft, dass er gegen uns eingesetzt werden kann. Portugal sollte mit der besten Mannschaft spielen. Ich wünsche ihm, dass er schnell wieder fit wird.

SPOX: Haben Sie sich in Wolfsburg beim Teamkollegen Ricardo Costa ein paar Tipps abgeholt, oder wäre das Landesverrat?

Misimovic: Wir haben ein bisschen geflachst. Edin Dzeko und ich haben ihn über Portugals Spieler ausgefragt, er hat sich ein bisschen nach unseren Mitspielern erkundigt. Was wer gerne macht, wie wer spielt, was allgemein so los ist - war ganz nett.

SPOX: Beide Teams sind technisch sehr stark, neutralisieren sich vielleicht. Wird es deswegen eher auf den Einsatz, die Leidenschaft ankommen?

Misimovic: Das muss unser Ziel sein. Kampf und Einsatz sind die Grundvoraussetzungen. Beide Mannschaften spielen offensiven Fußball, es werden bestimmt zwei sehr interessante Spiele. Portugal ist Favorit und hat die besseren Einzelspieler. Wir müssen alles geben, uns alles abverlangen.

SPOX: Bosnien hat man in Deutschland noch nicht wirklich auf der Fußball-Landkarte. Erklären Sie mal den Spielstil des Teams.

Misimovic: Wir spielen meistens offensiv ausgerichtet in einem 3-5-2-System. Wir haben in der Qualifikation mit die meisten Tore erzielt, nur Spanien, England und Deutschland haben häufiger getroffen. Wir versuchen, unser Spiel durchzuziehen, egal gegen welchen Gegner. Ich denke, wir sind in der Offensive besser besetzt als Portugal. Wir haben vor niemandem Angst.

SPOX: Zum Ende der Qualifikation gab es allerdings einen herben Dämpfer: 2:5 zuhause gegen Spanien...

Misimovic: Vielleicht war da schon ein bisschen die Luft raus, wir waren schließlich schon für die Playoffs qualifiziert. Außerdem waren neun Spieler mit Gelb vorbelastet, das war in unseren Hinterköpfen. Trotzdem wollte keiner verlieren - wir hatten auch bis zum 0:2 sehr gute Chancen. Wir laufen zweimal alleine aufs Tor zu, machen aber den Ball nicht rein. Das wird dann von so einem Klasseteam wie Spanien bitter bestraft.

SPOX: Angst, dass sich das gegen Portugal wiederholen könnte?

Misimovic: Ganz einfach: Das darf nicht noch mal passieren, das wäre eine mittlere Katastrophe. Natürlich haben wir vorne ein paar Spieler, die das Spiel mit einer Aktion entscheiden können, trotzdem dürfen wir die Defensive nicht vernachlässigen.

SPOX: Wie bereitet man sich auf so ein K.o.-Spiel vor?

Misimovic: Ruhig bleiben, gut trainieren, sich aufs Wesentliche konzentrieren. Wir dürfen nicht in Panik verfallen oder versuchen, jetzt noch was zu verändern. Warum sollten wir was ändern, was vorher gut gelaufen ist?

SPOX: Haben Sie sich den portugiesischen Torwart schon ausgeguckt? Portugals Keeper haben ja fast schon traditionell Probleme bei Weitschüssen.

Misimovic: Nein. Ehrlich gesagt weiß ich nicht mal genau, wer im Tor steht. (lacht)

SPOX: Gab es keine Video-Analyse wie in Wolfsburg?

Misimovic: Nee, das läuft hier nicht ganz so wie im Verein. Die Gegner werden von gewissen Leuten beobachtet und die erzählen uns dann was über die Mannschaft. Video-Analysen haben wir noch nie gemacht. Sicherlich sollte man das eine oder andere über den Gegner wissen, aber prinzipiell schauen wir mehr auf uns.

SPOX: In Deutschland kennt man vor allem Vedad Ibisevic, Sejad Salihovic, Edin Dzeko und Sie. Welche Rolle spielt Lyons Shootingstar Miralem Pjanic?

Misimovic: Er ist ein super Spieler, obwohl er erst 19 Jahre alt ist. Er spielt mit jungen Jahren schon bei einem europäischen Top-Klub in der Champions League und hat dort bereits bewiesen, dass er Kisten machen kann. Wenn er so weiter macht, hat er eine Riesenzukunft vor sich.

SPOX: Ist er mit 19 Jahren der Aufgabe, die vor Ihnen liegt, schon gewachsen?

Misimovic: Ich sage immer, dass das Alter keine Rolle spielt. Ich vertrete die Meinung: Entweder ein Spieler kann was, oder nicht. Auf die Qualität kommt es an. Und die bringt er mit.

SPOX: Ist er der heimliche Star der Mannschaft?

Misimovic: Nein, da will ich keinen Spieler hervorheben. Jeder ist wichtig, die Mannschaft ist der Star. Außerdem bestehen wir nicht nur aus Offensivspielern, sondern müssen die richtige Balance zwischen Abwehr und Angriff finden. Wir greifen als Team an und wir verteidigen als Team.

SPOX: Der Mann mit der größten Erfahrung ist sicherlich der Trainer. Was zeichnet Miroslav Blazevic aus?

Misimovic: Ciro Blazevic bringt ernorme Erfahrung mit, hat schon etliche Vereins- und Nationalmannschaften trainiert. Gerade hier in Kroatien ist er eine lebende Legende. Er hat in seinem Alter die Ruhe weg und weiß, wie es in gewissen Situationen zugeht. Trotzdem ist er manchmal auch lustig, hat immer einen guten Spruch auf Lager und lockert die Stimmung auf. Er weiß, wie er die Mannschaft vorbereiten muss.

SPOX: Hand aufs Herz - was würde eine WM-Teilnahme für Bosnien-Herzegowina bedeuten?

Misimovic: Puh, das kann man glaube ich gar nicht erklären. Viele Menschen identifizieren sich mit der Nationalmannschaft, die Euphorie ist groß. Für unser junges Land, das so viel Leid ertragen musste, wäre es ein unbeschreibliches Erlebnis, ein unbeschreibliches Gefühl.

SPOX: Das Team wird also von einer Euphoriewelle getragen.

Misimovic: Natürlich hoffen jetzt alle, dass wir den letzten Schritt auch noch packen. Aber im Fußball geht alles immer ganz schnell. Erst bist du der König - und am nächsten Tag der Depp. Man weiß nie, was als nächstes kommt. Vielleicht ist es besser, dass wir vor dem Hinspiel in Portugal jetzt nicht direkt in Bosnien sind und die ganze Erwartungshaltung nicht so mitbekommen.

SPOX: Wenn Sie aufs Hinspiel blicken - was sagt Ihr Gefühl, wie geht es aus?

Misimovic: Wenn Portugal das zeigt, was sie können, wird es schwer. Sehr schwer. Aber wir haben eine Chance, wir müssen fighten, dagegenhalten und ein bisschen darauf hoffen, dass Portugal einen schlechteren Tag erwischt. Wir wollen was mitnehmen, ein Auswärtstor wäre wichtig. Wir wollen natürlich das bestmögliche Ergebnis, aber auch mit einem 1:2 oder 1:3 wäre im Rückspiel noch alles drin.

SPOX: Dann wird in Bosnien die Hölle los sein...

Misimovic: Ja. Wir haben zwar nur ein kleines Stadion mit 15.000 Plätzen, aber unsere Fans sind unglaublich. Die feuern uns 90 Minuten lang an und motivieren uns bis in die Zehenspitzen - das hat man schon gegen die Türkei gesehen. Und mit unseren eigenen Fans im Rücken - wer weiß, vielleicht schaffen wir ja die Sensation.

Die Playoffs der WM-Qualifikation