"Mein Gott, das war Milan"

Von Andreas Lehner
Die Bremer feiern nach dem 2:2 in San Siro den Einzug in die nächste Runde
© Getty

Werder Bremen wirft den AC Milan aus dem UEFA-Cup, zieht ins Achtelfinale ein und feiert sich selbst. Auch der Gegner zollt Respekt. Aber nun muss die Mannschaft von Thomas Schaaf endlich Konstanz in ihre Leistungen bringen. Am Sonntag bietet sich gegen den FC Bayern in der Bundesliga die erste Chance.

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Wenn Boris Becker den Center Court von Wimbledon betrat, hatte er immer ein wohliges Gefühl. Er begriff den heiligen Rasen als Teil seines Zuhauses und sprach von seinem Wohnzimmer.

Sollte Claudio Pizarro einmal danach gefragt werden, welches Fußballstadion er als seinen bevorzugten Wohnraum beschreiben würde, die Antwort könnte ohne Zweifel Giuseppe-Meazza-Stadion heißen.

Wie schon gegen Inter

Denn mit seinen beiden späten Treffern im UEFA-Cup-Rückspiel beim AC Milan sicherte die peruanische Leihgabe des FC Chelsea Werder Bremen wie schon rund fünf Monate zuvor gegen Inter Mailand ein Unentschieden in San Siro.

Nur dass dieses 2:2 gegen die Rossoneri in seiner Bedeutung das Remis gegen Inter um Längen überstieg, denn Werder machte damit den überraschenden Einzug ins Achtelfinale perfekt und das nach einem 0:2 Rückstand - auswärts beim AC Milan.

Auch die SPOX-User diskutierten intensiv über das Wunder von Mailand

Ein Umstand, den selbst die Werder-Spieler kaum fassen konnten. "Mein Gott, das war Milan! Und wir sind weiter", gab Petri Pasanen fast ungläubig von sich.

Ancelotti: Bremen physisch und taktisch überlegen

Dass der Einzug in die nächste Runde mehr als verdient war, daran bestand auf beiden Seiten kein Zweifel. Werder lieferte eine beeindruckende Leistung ab und war über die komplette Spielzeit die stärkere Mannschaft.

Das stellte auch der Gegner nicht in Frage: "Wir haben zwar 2:0 geführt, das war aber zu keinem Zeitpunkt verdient. Wir hatten die Partie nie wirklich im Griff. Werder war uns physisch und taktisch überlegen. Das war ein trauriger Abend für Mailand, aber die bessere Mannschaft ist weitergekommen", gestand Milan-Coach Carlo Ancelotti.

Torsten Frings, der in Mailand anstelle Frank Baumanns die Kapitänsbinde trug, wollte ihm da natürlich nicht widersprechen: "Das haben wir uns verdient. Wir waren zwei Mal klar die bessere Mannschaft. Dieses Gefühl, so ein Ding noch mal umzubiegen, das haben wir einfach mal gebraucht."

Zittern bis zum Schluss

Doch erst mit dem Abpfiff glaubten die Bremer an ihr Europacup-Wunder. Zu oft hatte man sich in den letzten Wochen selbst um den Lohn der Arbeit gebracht und zu oft hat Milan seine Fähigkeit schon unter Beweis gestellt, ein Spiel in den letzten Sekunden noch drehen zu können.

"Ich habe beim Ausgleich gejubelt, aber innerlich dachte ich, dass dieses Tor zehn Minuten zu früh kommt", meinte Pasanen, der vor sechs Jahren mit Ajax Amsterdam schon mal einen ähnlichen Spielverlauf erlebt und Milan am Ende noch 2:3 unterlegen war. Doch diesmal blieben die Bremer bis zum Schluss konzentriert und ließen nichts mehr zu.

Schaaf findet die richtigen Worte

Den Grundstein für den Erfolg legte Trainer Thomas Schaaf wohl in der Halbzeit mit seiner Kabinenansprache. Denn obwohl Werder von Beginn an die bessere Mannschaft war, lag man zur Halbzeit 0:2 hinten. Eine nicht gerade vor Selbstvertrauen strotzende Elf kann ein solcher Spielverlauf durchaus brechen.

"Dann kamen wir in die Kabine und der Trainer hat die richtigen Worte gefunden. Danach haben wir noch einmal den Arsch hochbekommen.", meinte Ersatz-Keeper Christian Vander. "Er forderte uns auf, mehr Vertrauen in uns zu haben, konzentrierter den Abschluss zu suchen, in den Sechzehner reinzustoßen, statt immer nur von außen zu schießen und mehr Flanken in den Strafraum zu bringen."

Potenzial keine Fantasie

Und die Worte des Trainers brachten den Erfolg: Zwei Flanken aus dem Halbfeld führten zu zwei Kopfballtoren von Pizarro.

"Das Team hat mal gezeigt, dass es keine Fantasie ist, was wir über das Potenzial dieser Mannschaft in den letzten Wochen gesagt haben. Diesmal wurde unsere Einschätzung bestätigt", sagte Sportdirektor Klaus Allofs.

Im Achtelfinale wartet nun mit dem AS St. Etienne ein vermeintlich leichterer Gegner. Als ersten Anwärter auf den Titel sieht sich Werder allerdings nicht. "Nein, wir sind jetzt nicht plötzlich der Favorit", meinte Matchwinner Pizarro. "Wir wissen, was wir können, aber es gibt auch noch viele andere gute Mannschaften in diesem Wettbewerb."

Hoffen auf mehr Konstanz

Vielmehr hoffen sie an der Weser nun auf etwas mehr Stabilität und Konstanz. Denn meist folgte in dieser Saison auf den vermeintlichen Schritt nach vorn postwendend der nächste Nackenschlag. In der Rückrunde befand sich Werder bis zum Spiel in Mailand sogar im freien Fall, sieht man vom Einzug ins Pokalviertelfinale einmal ab.

"Wir haben immer darüber geklagt, dass uns mal ein richtiges Erfolgserlebnis fehlt, jetzt haben wir eins. Daraus müssen wir Stärke ziehen", meinte Allofs.

Stärke, die es braucht, um am Sonntag zuhause gegen den FC Bayern zu bestehen, der nach dem 5:0 in Lissabon am Mittwochabend ebenfalls deutlich gestärkt aus der Europapokalwoche in die Bundesliga zurückkehrt. Beide Teams fühlten sich in der heimischen Liga zuletzt nicht gerade wie im eigenen Wohnzimmer.

Daten und Fakten: Milan - Bremen