Portsmouth-Vorstand Johnny Ertl im Interview: "Als Mitgliederverein ist die PL nicht möglich“

Von 2012 bis 2015 stand Johnny Ertl für den FC Portsmouth auf dem Platz
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SPOX: Sind sie eigentlich Fußball-Romantiker?

Ertl: Nein, überhaupt nicht. Der Fußball entwickelt sich ständig weiter, auf dem Rasen und auch abseits. Ich bin kein Romantiker, der früher alles besser fand. Ich bin der Meinung, dass sich der Fußball immer wieder neu erfinden muss und man immer mit der Zeit gehen sollte. Wenn ich ein Romantiker wäre, dann müsste ich sagen, dass wir unser Stadion, den Fratton Park, unbedingt behalten müssen, weil dort schon so viele legendäre Spiele stattgefunden haben. Das hat aber keinen Sinn, denn um wirtschaftlich mithalten zu können, brauchen wir langfristig ein neues Stadion mit Corporate Facilities.

SPOX: Apropos "mithalten": Wirkt sich der milliardenschwere TV-Vertrag der Premier League eigentlich auch auf die unteren Ligen aus?

Ertl: 15 Prozent der Premier-League-Einnahmen werden in die unteren Ligen verteilt, also spüren wir das schon etwas.

SPOX: In der Premier League schnellen die Ticketpreise immer weiter nach oben. Platzt die Blase irgendwann?

Ertl: Das glaube ich nicht, weil die großen Traditionsvereine immer viele Fans haben werden, die ins Stadion gehen wollen. Als kleines Kind nimmt dich die Mama oder der Papa - je nachdem wo du aufwächst - zu einem Liverpool- oder Arsenal-Spiel mit und dann bist du halt Fan dieses Klubs, der ab und an das Geld investiert und ins Stadion geht. Außerdem kommen viele Touristen nach England, die dazu bereit sind, hohe Ticketpreise für Premier-League-Spiele zu bezahlen. Als regelmäßiger Stadiongänger leidet man finanziell aber schon enorm.

SPOX: Haben Sie als Vorstand Verständnis für die Ticketpolitik der Premier-League-Manager?

Ertl: Klar, das ist ganz einfach das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Es gibt so viele Ticket-Anfragen, dass es sich die Vereine erlauben können, die Preise entsprechend nach oben zu treiben.

SPOX: Wie wird das in Portsmouth gehandhabt?

Ertl: Wir haben unsere Ticketpreise bis zu einem möglichen Aufstieg in die dritte Liga eingefroren, worüber die Fans natürlich total happy sind. In dieser Saison haben wir mit 11.200 einen neuen Jahreskarten-Rekord aufgestellt und insgesamt einen Zuschauerschnitt von knapp 17.000. Das ist in der vierten Liga schon enorm.

SPOX: Englische Stadien gelten gemeinhin als sehr stimmungsvoll. Wer es jedoch selbst erlebt hat, ist von dieser Mystifizierung oft enttäuscht.

Ertl: Das kann ich verstehen. In Kontinentaleuropa gibt es sehr aktive und laute Fanblöcke, weshalb es meist konstant stimmungsvoll ist. Der Rest des Stadions schaut aber einfach zu. Hier ist es entweder recht leise oder das ganze Stadion geht mit. Diesbezüglich ist der britische Fußball intensiver, denn er wird von der breiten Masse ganz anders mitgelebt. Dieser Zugang hat mich geprägt.

SPOX: Geprägt hat Sie wohl auch Ihre Zeit als aktiver Spieler von Portsmouth. Es ging turbulent zu.

Ertl: Als ich gekommen bin, bekam ich wegen der finanziellen Situation nur einen Monatsvertrag und mir wurde versprochen, dass ich zwei Wochen später für drei Jahre unterschreiben kann. Dazu ist es dann aber nicht gekommen. Ich wusste nicht, dass es um den Klub so schlimm bestellt ist. Zeitweise musste ich sogar im Klubhaus wohnen.

SPOX: Im Klubhaus?

Ertl: Ja, und das war die beste Erfahrung, die ich in meinem ganzen Leben gemacht habe. Ich habe dort mit Kollegen aus Ungarn, der Slowakei und Sierra Leone zusammengewohnt. Später ist meine Frau auch eingezogen und dann haben wir für die anderen Spieler österreichisch aufgekocht. Wir hatten einen Garten mit Tischtennisplatte, einen großen Aufenthaltsraum und haben zusammen gegrillt. Ich habe in dieser Zeit Freundschaften fürs Leben geschlossen.

SPOX: Und wie lief es sportlich?

Ertl: Natürlich war die ständige Ungewissheit schwierig, aber ich habe immer versucht mich einzubringen und wurde dafür später auch mit dem Kapitänsamt und dem Vorstands-Posten belohnt. Ich durfte eine unfassbar spannende Zeit des Umbruchs miterleben - und ich liebe ganz einfach solche Traditionsvereine, egal wie turbulent es zugeht.

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