"Einen Sammer lässt du nicht auf der Bank"

BVB-Keeper Stefan Klos stemmt 1997 in München den Champions-League-Pokal
© imago

Stefan Klos wurde in Dortmund von allen nur "Stoffel" genannt. 1993 kam der Name "Held von Auxerre" hinzu, als er der Borussia im Alter von 21 Jahren zum Einzug ins UEFA-Cup-Endspiel verhalf. Vier Jahre später gewann der Torhüter mit dem BVB die Champions League gegen Juventus Turin. Im Interview spricht Klos über das Auf und Ab während der damaligen Saison, den Umgang mit ihm vor seinem Abgang aus Dortmund und sein Amt als Kassenprüfer der Borussia.

Cookie-Einstellungen
AD

SPOX: Herr Klos, was werden Sie jetzt am 28. Mai machen?

Stefan Klos: (lacht laut) Das weiß ich nicht, bislang gibt es bei mir für diesen Tag keinen Plan. Ich weiß nicht einmal, was für ein Wochentag das ist.

SPOX: Ein Sonntag. An diesem Tag jährt sich der Champions-League-Sieg von Borussia Dortmund zum 20. Mal. Wenn der BVB am Tag zuvor in Berlin den DFB-Pokal gewinnt, findet am 28. eine große Feier in Dortmund statt.

Klos: Das Jubiläum wird dann aber wohl keine große Rolle spielen. Im Gegensatz zu den Schalkern kann die aktuelle Mannschaft der Borussen ja auch Trophäen gewinnen. Das ist sicherlich wichtiger als in alten Zeiten zu schwelgen.

SPOX: Auf Schalke hat dann bereits eine Feier zum 20-jährigen Jubiläum des UEFA-Cup-Siegs stattgefunden. Wie weit weg fühlen sich diese 20 Jahre für Sie an?

Klos: Auf der einen Seite ganz weit, andererseits aber auch relativ nah. Es war schließlich der größte sportliche Erfolg meiner Laufbahn und auch für den BVB nichts Alltägliches. Man wird über die Jahre immer wieder damit in Verbindung gebracht, so blieb das präsent bei mir. Ich bin sehr stolz auf diesen Erfolg, erst Recht nachdem wir 1993 noch das UEFA-Cup-Endspiel gegen Juventus verloren hatten. Und an ein verlorenes Finale denkt niemand.

SPOX: Die Borussia qualifizierte sich als deutscher Meister 1996 für die Königsklasse. Können Sie sich denn noch an die damalige Gegner in der Gruppenphase erinnern?

Klos: Atletico Madrid, Steaua Bukarest - der dritte Klub fällt mir nicht mehr ein. Galatasaray?

SPOX: Nein, Widzew Lodz.

Klos: Stimmt. In Polen haben wir unentschieden gespielt, jetzt weiß ich es wieder.

SPOX: Im Jahr des CL-Erfolgs wurde der BVB nach zuvor zwei Meistertiteln Dritter in der Bundesliga. Trotz der Endspielteilnahme in München herrschte Unruhe im Verein. Wieso eigentlich?

Klos: Je erfolgreicher wir waren, desto ehrgeiziger wurden die Ziele. Man hatte damals gehofft, den Titel-Hattrick in der Liga zu schaffen. Davon waren wir dann jedoch recht weit entfernt. Ohne den Sieg in der Champions League hätten wir uns in der neuen Saison gar nicht für die Königsklasse qualifiziert. Die Ziele waren also durchaus in Gefahr, so dass es innerhalb des Vereins rumort hat.

SPOX: Das Team war schon eine Weile lang zusammen. Wie würden Sie die Stimmung innerhalb der Mannschaft beschreiben?

Klos: Die war für meine Begriffe weitestgehend in Ordnung. Zwischenmenschlich gab es eigentlich nie Probleme, es hatten sich auch keine Cliquen gebildet. Für mich waren wir schon ein verschworener Haufen. Natürlich herrscht auch schnell Unzufriedenheit, wenn man gewisse Erfolge anstrebt und dann hinter den Erwartungen bleibt. Wir hatten in dieser Saison auch viele personelle Probleme, die bei den einzelnen Fällen auch keine Freudensprünge ausgelöst haben. Matthias Sammer war sehr lange verletzt, Julio Cesar verpasste das Finale, Paulo Sousa hatte permanent Probleme - das ergab dann auch Schwierigkeiten für unseren Trainer Ottmar Hitzfeld.

SPOX: Der damalige Co-Trainer Michael Henke sagte 2015 im SPOX-Interview, auch das Verhältnis zwischen Vorstand und Trainer sei nicht mehr das Beste gewesen.

Klos: Dass es zwischen diesen Parteien etwas geknirscht hat, hat man zwar mitbekommen, allerdings war für mich nicht abzusehen, dass Hitzfeld nach der Saison als Trainer aufhören würde. Ich schließe nicht aus, dass es da um irgendwelche Eitelkeiten ging oder darum, wer größeren Anteil am Erfolg hatte. Dazu wurden viele Spieler zuvor deutscher Meister oder auch Europameister in England 1996. Der Sieg in der Champions League war ein gewisser Schlusspunkt für manche. Man spürte: Der Weg war zu Ende, der Zenit überschritten.

SPOX: Ab welchem Zeitpunkt des Saisonverlaufs war klar, dass die Champions League der Wettbewerb ist, auf dem immer mehr der Fokus liegen wird?

Klos: Wir hatten uns durch die Vorjahre mit der Zeit ein paar Sporen verdient. Eine Saison zuvor schieden wir noch im Viertelfinale gegen den späteren Endspielteilnehmer Ajax Amsterdam aus. Da sahen wir, dass es für einen ganz großen Wurf noch nicht reicht. Der Sieg beim spanischen Meister Atletico war ein Zeichen für uns, diesmal richtig weit kommen zu können. Wenn du dann mit AJ Auxerre im Viertelfinale den französischen Meister ausschaltest, ergibt sich immer mehr eine bestimmte Mentalität für den Wettbewerb. Und im Halbfinale haben wir dann sogar den englischen Meister Manchester United eliminiert.

SPOX: An welches Spiel auf dem Weg nach München haben Sie noch gute Erinnerungen?

Klos: Als wir das Hinspiel gegen ManUnited gespielt haben, ist meine Tochter zur Welt gekommen. Auch das Rückspiel blieb mir besonders im Gedächtnis, weil es einfach eine Abwehrschlacht war und das im Mutterland des Fußballs. Dann stehst du am Ende plötzlich im Finale des größten Vereinswettbewerbs. Das war außergewöhnlich.

SPOX: 1993 wurden Sie mit 21 Jahren der "Held von Auxerre", da Sie dort im Halbfinale den entscheidenden Strafstoß im Elfmeterschießen hielten. Vier Jahre später kehrten Sie an diesen Ort zurück. Wie erging es Ihnen da?

Klos: Es war etwas zwiespältig. Wir hatten dasselbe Hotel wie 1993 bezogen, doch aufgrund einer Verletzung am Finger war lange Zeit nicht klar, ob ich überhaupt auflaufen kann. Letztlich spielte ich mit einer Schiene, aber diese Umstände haben meine persönliche Vorfreude etwas gedämpft.

SPOX: Beschreiben Sie doch mal den Abend des 20. April 1993 in Auxerre!

Klos: Das Stadion hatte sich zwischenzeitlich leicht verändert. Damals war es noch ziemlich eng, die Stimmung sehr hitzig, jeder einzelne Zuschauer extrem euphorisch. Da wir mit einer 2:0-Führung in die Partie gegangen sind, entsprach der Spielverlauf nicht unbedingt unseren Vorstellungen, doch trotz des Rückstands war die Atmosphäre einfach klasse. Dieses Spiel dann im Elfmeterschießen mit einem solchen Sieg zu beenden, in meiner ersten Europapokalsaison, das war vollkommen unüblich und grandios für alle.

SPOX: Wie sehr haben Sie dann 1997 vor dem Finale an eine Chance geglaubt?

Klos: Wir sind drei Tage vor dem Spiel nach München gereist, auch um dem ganzen Trubel in der Stadt zu entgehen. Ganz Dortmund stand ja Kopf. Die Turiner sind am Wochenende zuvor noch Meister geworden und waren Titelverteidiger in der Champions League. Einzelspieler wie Zidane, Deschamps, Vieri oder Del Piero verkörperten natürlich europäische Spitzenklasse. Wir kannten Juventus aber gut aus den Vorjahren, auch wenn wir diese Partien nicht erfolgreich bestreiten konnten. Das waren die Voraussetzungen. Es war jetzt aber nur ein Spiel, daher hatten wir uns schon Chancen ausgerechnet. Schließlich hatten auch wir keine Kirmestruppe beisammen.

SPOX: Im Endspiel stand der zuvor lange verletzte Matthias Sammer auf dem Feld. Für ihn musste Wolfgang Feiersinger weichen, obwohl er zuvor starke Leistungen abgerufen hat.

Klos: Wolfgang war zuvor wirklich überragend, mit ihm haben wir kaum Gegentore bekommen. Matthias wurde im letzten Bundesligaspiel vor dem Finale gegen Hamburg eingesetzt. Das haben wir zwar verloren, aber es war so etwas wie ein Fitnesstest für ihn. Den hat er bestanden und einen spielfitten Sammer lässt du dann nicht auf der Bank. Mir tat es für Wolfgang vor allem deshalb leid, weil er aus taktischen Gründen dann nicht einmal im 16er-Kader stand.

"Der Stachel sitzt immer noch tief" - Wolfgang Feiersinger über das CL-Finale 1997

SPOX: Die Geschichte es Endspiels ist bekannt: Doppelpack durch Karl-Heinz Riedle, Anschluss Juventus nach der Pause, Traumtor Lars Ricken zum Triumph. Wie empfanden Sie den Spielverlauf auf dem Feld?

Klos: Es ging eigentlich zunächst den wenig überraschenden Gang: Vieri hatte eine gute Torchance und schoss nur knapp vorbei, ein Treffer von Juve wurde wegen Abseits annulliert. Dann machte Kalle den Doppelschlags, doch es war uns gerade in der Halbzeit klar, dass sie noch einmal mächtig kommen werden. Dafür waren die Turiner einfach zu stark. Zur Pause wechselten sie auch offensiv und brachten Del Piero. Ihn hatten wir von Beginn an erwartet, da er zuvor immer sensationell gut gegen uns gespielt und auch getroffen hat. Es war dann nicht unerwartet, dass wir nach dem Gegentor noch einmal unter Druck geraten sind. Zum Glück hat Lars nur sieben Minuten später das 3:1 erzielt, Dauerfeuer gab es dann nicht mehr.

 

Inhalt: