"Ich will Bundesliga-Trainer werden"

Von Interview: Alice Jo Tietje
Thomas Brdaric spielte während seiner aktiven Karriere 204 Mal in der Bundesliga (54 Tore)
© getty

Thomas Brdaric spielte über 200 Mal in der Bundesliga und musste im Sommer 2008 seine aktive Karriere aufgrund eines Knorpelschadens vorzeitig beenden. Seitdem arbeitet der heute 39-Jährige als Trainer und war unter anderem bei Dinamo Minsk in Weißrussland sowie in Usbekistan bei Bunyodkor Taschkent tätig. Mit dem Regionalligisten TSG Neustrelitz peilt Brdaric den Aufstieg in die 3. Liga an. Brdaric spricht im Interview über den Start in die Karriere nach der Karriere, das Abenteuer in Osteuropa und seinen Song über Oliver Kahn.

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SPOX: Herr Brdaric, Sie mussten Ihre aktive Karriere relativ plötzlich wegen einer Knieverletzung beenden. Wie geht es Ihrem Knie heute, ist Fußballspielen noch drin?

Thomas Brdaric: Es nicht so wichtig, dass ich noch richtig Fußballspielen kann. Als Trainer muss man nicht großartig auf dem Platz agieren, sondern mehr korrigierend eingreifen. Ab und zu trete ich schon noch selbst gegen den Ball, aber danach bereue ich es, weil das Knie wieder dick wird (lacht).

SPOX: Inwiefern war die Blessur damals ein Schock für Sie?

Brdaric: Es war vor allem extrem ärgerlich, weil es meine erste größere Verletzung war und die mich direkt zum Aufgeben gezwungen hat. Ich habe zwar versucht, noch einmal zurück zu kommen. Der Knorpelschaden war jedoch irreparabel. Das war dann ein durchaus herber Schlag für mich. Ich habe drei Jahre gebraucht, um das zu verarbeiten.

SPOX: Rund neun Monate nach Ihrem Karriereende als Spieler sind Sie Trainer beim 1. FC Union Solingen geworden. Wie haben Sie die Zeit dazwischen verbracht?

Brdaric: Ich hatte innerhalb von drei Jahren zehn Knieoperationen. Während der jeweiligen Rehabilitationszeiten habe ich dann die A-und B-Trainerlizenz gemacht, befand mich aber auch in einer Art Findungsphase, in der ich mir darüber klar wurde, was ich wirklich machen möchte. Ich wurde dann von Solingen angesprochen. Das hat als Einstieg gepasst, weil es nur fünf Minuten von meinem Zuhause entfernt lag.

SPOX: Sie haben sich auch als Spielerberater versucht. Wie kam das zustande?

Brdaric: Das war auch ein Ergebnis meiner Findungsphase. Ich habe damals eine Beratungsagentur gegründet, um ein zweites Standbein zu haben. Als sich das mit dem Trainergeschäft aber weiter konkretisierte, habe ich mich darauf konzentriert und die Beratertätigkeit ad acta gelegt.

SPOX: Welche Eindrücke haben Sie von der Spielerberater-Branche bekommen?

Brdaric: Als Berater muss man sich vor allem gegenüber der Konkurrenz durchsetzen, es ist ein Ellbogengeschäft. Daher gibt es in diesem Haifischbecken auch einige unseriöse Berater. Mir wurde auch aufgrund dieser Begebenheiten relativ schnell bewusst, dass das nicht unbedingt mein Ding ist.

SPOX: Nach Ihrem Engagement in Solingen waren Sie eine Zeit lang U-14-Trainer bei Bayer Leverkusen, sind dann zu Dinamo Minsk gewechselt und dort Sportdirektor geworden.

Brdaric: Der Agent Oleg Schelemeier hat mich während meiner Zeit in Leverkusen über einen längeren Zeitraum beobachtet und geschaut, wie ich als Coach arbeite. Er hat mich dann zu Minsk vermitteln können. Dort bekam ich einen Vertrag als Sportdirektor und sollte in der Folge Trainer des Teams werden. Der dortige Coach hat aber plötzlich eine Serie gestartet, daher blieb es bei meiner Rolle. Ich habe an der Seite des Trainers meine Unterstützung anbieten können. Das hat mir zwar auch Spaß gemacht, aber ich wollte künftig unbedingt als Trainer arbeiten.

SPOX: In Minsk haben Sie auch Ihren Fußballlehrer gemacht - weil es beim Lehrgang in Köln offenbar keinen Platz mehr für Sie gab.

Brdaric: Die Teilnehmerzahl war zu hoch, ich hätte mich erst für das Folgejahr bewerben müssen. Deshalb entschied ich mich, Russisch zu lernen und den Schein in Minsk zu machen. Man benötigt als Trainer die sogenannte UEFA Pro Lizenz und es ist gleichgültig, wo man sie erwirbt.

SPOX: Wie eklatant unterscheidet sich denn der Alltag im Fußballgeschäft in Weißrussland von dem, den man aus Deutschland kennt?

Brdaric: Ich finde, das tut er eigentlich gar nicht. In meinen Augen funktioniert das Fußball-Geschäft überall gleich. Für mich ist der Fußball zeitlich unbegrenzt, weil man sich jeden Tag 24 Stunden damit zu beschäftigen hat. Dinamo ist dazu ein Top-Klub in Weißrussland. Man kann Minsk mit dem FC Bayern vergleichen, gerade was die Tradition betrifft. Dort war alles sehr gut strukturiert und wurde professionell abgewickelt.

SPOX: Ihre Familie blieb währenddessen in Deutschland. Wie eng war der Kontakt?

Brdaric: Ich musste schon als Spieler auf einiges für die Karriere verzichten. Natürlich ging bei diesen Distanzen die gemeinsame Zeit mit der Familie etwas flöten. Man muss Opfer bringen können, um beruflich weiter zu kommen. Meine Familie hat mich sehr gut unterstützt, wir alle haben diese Zeit gut zusammen verkraftet.

SPOX: Von Weißrussland sind Sie dann nach Usbekistan zu Bunyodkor Taschkent gewechselt - wieder als Sportdirektor.

Brdaric: Ich hatte in Minsk einen Zwei-Jahresvertrag unterschrieben. Taschkent fand mein Konzept sehr interessant und hat mich letztlich abgeworben. Ich habe dort die Trainingskonzepte geschrieben, die Datenbank verwaltet und konzeptionell viel im administrativen Bereich gearbeitet. Ich hielt mich im Hintergrund und war so etwas wie die helfende Hand des Trainers. Das Ziel war, eine Verschmelzung des Jugendbereichs mit dem Profibereich zu gestalten. Es freut mich sehr zu sehen, dass es dort jetzt ein großes Trainingsgelände, eine eigene Jugendakademie und ein Stadion für 40.000 Zuschauer gibt.

SPOX: Sie blieben zwei Jahre in Usbekistan, ehe Sie nach Deutschland zur TSG Neustrelitz zurückkehrten. Wie fällt Ihr Fazit dieser Zeit im Ausland aus?

Brdaric: Sehr positiv. Ich habe verschiedene Mentalitäten kennengelernt und sehen können, wie es ist, mit Menschen unterschiedlichster Kulturen umzugehen. Die Leute dort waren sehr hilfsbereit. Es sind einige Freundschaften entstanden, die bis heute bestehen. Und ich kann jetzt eine Fremdsprache mehr (lacht).

SPOX: Ist die Station in Neustrelitz so etwas wie die logische Weiterentwicklung für Sie als Trainer?

Brdaric: Es gibt ja einige Vorbehalte, als Trainer in die Regionalliga zu gehen. Für mich war das aber absolut der richtige Schritt. Man sollte als Trainer ja auch Referenzen haben, um später auch einmal für höhere Gefilde in Frage zu kommen. Meine Arbeit hat bislang ganz gut gefruchtet, obwohl Mannschaft und Trainer auch noch einiges voneinander lernen konnten.

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SPOX: Aber Sie streben langfristig einen Job in der Bundesliga an?

Brdaric: Ja. Ich will Bundesliga-Trainer werden. Ich bin als Trainer genauso ehrgeizig, wie ich es als Spieler war.

SPOX: Als Spieler sollen Sie einmal gesagt haben: "Mir bedeutet ein 4:4, bei dem ich alle vier Tore schieße, mehr als ein Sieg meiner Mannschaft." Was wäre, wenn Ihnen das heute einer ihrer Stürmer entgegnen würde?

Brdaric: Man muss das auch aus der Sicht des Stürmers betrachten. Ein Stürmer möchte mit voller Überzeugung Tore schießen. Solche Spieler, die nicht lange rumeiern und klare Aussagen treffen, braucht man als Trainer. Aber natürlich bedürfte es nun auch einer detaillierten Analyse, weshalb man vier Gegentore bekommen hat (lacht).

SPOX: Sie haben sich als Spieler einen legendären Fight mit Oliver Kahn geliefert und später dazu auch einen Song komponiert. Was denken Sie heute darüber?

Brdaric: Ich finde, dass dieses Lied lustig war. Wer darüber nicht schmunzeln kann, soll zum Lachen in den Keller gehen. Es war ja auch als Antwort auf einige Zitate über mich gedacht. Frank Rost hatte mal gesagt hat, dass ich eine Rote Karte verdient hätte, weil ich ein sehr unangenehmer Spieler wäre. Anstatt darauf großartig zu reagieren, habe ich einfach alles einmal in einem Song gebündelt. Viel mehr war es letztlich auch nicht.

Thomas Brdaric im Steckbrief