SPOX-Kolumne Auswärtsspiel - Fenerbahce-Boss Ali Koc: Wenn der Präsident Football Manager zockt

Von Fatih Demireli
Ali Koc ist Präsident von Fenerbahce.
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Fenerbahce: Präsident drückte Özil Megafon in die Hand

Welch großen Einfluss Koc auf die Kaderplanung hat, beweist eine Pressekonferenz im Juni. Da echauffierte sich Koc über das Ligaspiel am vorletzten Spieltag gegen Sivasspor. Hätte Fenerbahçe gewonnen, hätte man aufgrund der Pleite von Tabellenführer Besiktas große Chancen auf den Titel gehabt.

Aber Fener verlor das Heimspiel nach kläglicher Leistung mit 1:2. Grund für Koc, die halbe Mannschaft auszutauschen: "Ich habe keine Geduld mehr. Wenn ein Spieler auf dem Platz steht, muss er bis zum letzten Tropfen Schweiß kämpfen. Er muss sterben auf dem Platz! Sie müssen mit dieser Einstellung antreten. Aber es gibt welche, die es nicht tun und sie werden gehen müssen. Unter ihnen sind auch Spieler, deren Vertrag weiterläuft, aber das ist egal. Ich ziehe das durch!" Sieben Spieler, die bei jenem Spiel im Kader standen, mussten gehen.

Bei Mesut Özil, der damals gegen Sivasspor ebenfalls kein gutes Spiel machte, bleibt Koc aber noch ruhig. Was nicht verwundert, ist der Transfer des Weltmeisters 2014 doch ein von langer Hand geplantes Koc-Projekt gewesen. Der gefallene DFB-Nationalspieler sollte der Königstransfer werden. Die Figur, die Fenerbahce in die Sphären führt, von denen Koc träumt.

Wer in der Türkei Anfang 2021 auch nur das kleinste kritische Wort zur Özil-Verpflichtung verlor, bekam die Wucht der Özil-Manie zu spüren. Auch wenn die Euphorie außergewöhnlich war, ergab der Transfer rein sportlich nur bedingt Sinn.

Weder Erol Bulut, der erste Trainer Özils bei Fenerbahce, noch Emre Belözoglu, der zweite, und auch nicht Vitor Pereira haben eine effektive Verwendung für Özil. In dieser Saison stand Özil neunmal im Kader, wurde viermal eingewechselt, einmal spielte er gar nicht. Über 90 Minuten spielte Özil nur ein einziges Mal. Stattdessen gab ihm Koc neulich ein Megafon in die Hand, damit er außerhalb des Platzes die Farben des Klubs vertritt.

Fenerbahce verlor das Ligaspiel beim Erzrivalen Trabzonspor mit 1:3. Bei Fener führte man die Niederlage auf eine schlechte Schiedsrichterleistung zurück. Kurzfristig organsierte der Klub eine Zusammenkunft mit den Fans am Istanbuler Flughafen Sabiha Gökcen, um gemeinsam gegen Schiedsrichter und Verband zu protestieren. Koc hielt eine siebenminütige Rede, voller Inbrunst und Energie. Aber nicht bei allen kam die Aktion gut an. Selbst bei klubnahen Größen war man verwundert, warum Koc diesen Weg wählte.

Mesut Özil spielt seit Januar für Fenerbahce.
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Mesut Özil spielt seit Januar für Fenerbahce.

Fenerbahce: 540 Millionen Euro Schulden

Aber es war kein Einzelfall und Ausdruck der übermäßigen Emotionen, die Koc für den Klub empfindet, die aber nicht immer für rationale Entscheidungen sorgen. Als die Basketballmannschaft zuletzt ein EuroLeague-Spiel gegen den FC Barcelona in letzter Sekunde verlor und es zu Protestrufen in der Halle kam, stellte Koc einen Fenerbahçe-Fan höchstpersönlich zur Rede. Vor laufenden Kameras.

Aus gut unterrichteten Kreisen hieß es immer wieder, die Familie wolle nicht, dass Sohn Ali den Job als Fenerbahce-Präsident übernimmt. Im türkischen Fußball und gerade beim Giganten Fenerbahce sind die Scheinwerfer auf den Klubboss dauergerichtet. Jedes Wort, jede Silbe hat Gewicht und die Angriffsfläche groß. Eine Fläche, die man einem Mitglied der Koc-Familie nicht zumuten wollte.

Vielleicht hat auch deswegen Papa Rahmi nie ein offizielles Amt bei seinem Lieblingsklub Besiktas eingenommen. Er war Edelfan, der hier und da half, wenn es sein musste. Die Rolle als Gönner stand ihm gut. Aber Sohn Ali ist mittendrin und wird aus dem Sog auch nicht mehr so einfach rauskommen.

Erst im Sommer ließ er sich ohne Gegenkandidaten wiederwählen, wobei die kritischen Stimmen aus Mitgliederkreisen in der Versammlung so laut waren wie noch nie. Doch viele vermuten, dass das mit 540 Millionen Euro verschuldete Fenerbahce ohne Koc mehr oder weniger handlungsunfähig wäre. Andere sagen, der Klub ist zu groß, um von einem einzelnen Mann abhängig zu sein. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte.

Koc selbst klebt eher nicht an seinem Stuhl, weil er die Macht braucht, sondern weil ihn die Passion Fenerbahce nicht loslässt. Wenn einer fragt, Kamer Kaya ist schuld daran.

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