Es reicht, Trabzon!

Von Fatih Demireli
Die Fans von Trabzonspor und ihre Vorstellung von einem Gästeblock
© trabzonspor

Trabzonspor ist Herbstmeister, ALLES SÜPER gratuliert herzlichst, doch das wäre alles nie passiert, wenn Istanbul nicht gewesen wäre. Wobei es Trabzon allmählich mit dem Istanbul-Bashing übertreibt. Wir erklären außerdem, warum Mel Gibson einen Süper-Lig-Film dreht und Guti keine türkischen Weihnachtsmänner mag.

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Was habt ihr gegen Istanbul? "Es ist ja so, dass die Istanbuler Top-Klubs als Favorit..." Moment, wir fangen noch einmal an. "Mit tollen Verstärkungen wie Quaresma, Niang und Misimovic sind die Istanbuler Top-Klubs auch in dieser Saison wieder..." Nee, lass' ma, noch ein Take! Fenerbahce? War ein Aufwärmprogramm. Besiktas? Quares..wer?! Galatasaray? Hehe. Wie Trabzonspor in dieser Saison mit den Istanbuler Großen umgeht, ist ja schon fast frech. Alle drei Großen im Vorbeilaufen weggehauen. Wer aber denkt, die Geschichte ist damit beendet, hat Recht. Natürlich nicht, aber die Pointe war es wert. Also...

Trabzon hat es nämlich nicht nur auf die großen Istanbuler abgesehen. Auch Kasimpasa, der Ort wo Premier Minister Recep Tayyip Erdogan geboren wurde und aufwuchs, musste die ganze Wucht des Schwarzmeer-Klubs über sich ergehen lassen und verlor mit 0:7! In Worten: Null zu Sieben. Auf Türkisch: Yedi Sıfır! Doch die Geschichte hat immer noch kein Ende. Istanbul Büyüksehir Belediyespor, das ingesamt fünfte Opfer aus Istanbul, verlor am Sonntag 1:3 und musste im Heimspiel (!) nicht nur gegen torgeile Trabzoner kämpfen, sondern auch gegen geschmeidige 61.000 Gästefans. In Istanbul! Auf einem Spruchband der Trabzon-Fans gab es alles Schwarz auf Weiß: "FÜR UNS IST ÜBERALL TRABZON!" Wir zeigen Solidarität mit Istanbul und sagen: Es reicht, Trabzon!

Mafia-Pferde: Dass bei so viel Trabcelona (Trabzon + Barcelona, auch so ein Spruchband) und so wenig Erfolg, in Istanbul die Nerven blank liegen, verstehen wir. Bei Galatasaray reißen die Fans das Ali-Sami-Yen-Stadion eigenhändig ab (dazu später mehr), bei Besiktas muss man Saufkopp Guti erklären, dass man keine Gelbe Karte fordert, wenn man selbst schon eine hat und Fenerbahces  Emre Belözoglu muss die traurige Gewissheit überbracht werden, dass er eigentlich nur ein Fußballer ist und nicht Don Corleone. Nach der harmlosen Frage des Field Reporters, weshalb Fenerbahce nach der Pause so schwach gespielt habe, hatte Emre folgendes zu verkünden:

"Die ganze Türkei soll jetzt mir, Emre Belözoglu, zuhören: Der Typ, der unseren Torwart und unseren Pressesprecher angemacht hat, soll erstmal ein richtiger Mann werden und aufpassen, mit wem er es zu tun hat. Ob das jetzt ein Manager ist oder der Präsident, ist mir völlig egal - alle müssen erstmal richtige Männer werden! Wieso muss ich mich eigentlich mit solchen Typen abgeben?" Was folgte, war eine Schlammschacht der Klasse "Kindergarten - Grundkurs I". Mit mehreren offiziellen Pressemitteilungen fetzten sich die Klubs öffentlich. Eine Auswahl interessanter Stichwörter, die vollen Ernstes niedergeschrieben wurden, gefällig? Okay, ihr habt es so gewollt: "Pferd", "Nichtsnutz", "Türkischer Befreiungskrieg", "Republik Fenerbahce", "Mafiafilme", "H...sohn" und vieles mehr! Es heißt, Paramount Pictures verhandele gerade mit Mel Gibson über die Hauptrolle bei der Verfilmung.

Disco Stu und andere Sorgen: Ein böses Gerücht kursiert derzeit in der Türkei: Galatasarays Sportdirektor Adnan Sezgin soll Emmanuel Emenike von Aufsteiger Karabükspor versprochen haben, ihn für die nächste Saison zu verpflichten. Der Nigerianer soll aber abgesagt haben: "Nein danke, ich mag nicht wieder zurück in die 2. Liga." Zu hart und sollte Emenike das wirklich gesagt haben, mögen wir ihn nicht mehr. Wobei wir schon zugeben müssen, dass er das absolut heißeste Profilbild aller Süper-Lig-Spieler hat. Disco Stu lässt grüßen! Guckst du die Webseite von Karabükspor: Sollte Disco Ike wirklich zu Gala wechseln, wird der Nigerianer immerhin in der schmucken Türk-Telekom-Arena auflaufen dürfen. Das neue Stadion wird im Januar feierlich eröffnet, das altehrwürdige Ali Sami Yen feierte am Samstag seinen Liga-Abschied.

Barca, Juve, Milan, Real - die Creme de la Creme wurde im Hexenkessel besiegt, unzählige Titel wurden hier gefeiert. Der baldige Abriss ging einigen so nahe, dass Legenden wie Turgay Seren es nicht übers Herz brachten, noch einmal gegen Genclerbirligi ins Stadion zu kommen. Den aktuellen Spielern war das Ganze wohl aber gänzlich egal. 0:1 nach 40 Sekunden, 0:2 nach 26 Minuten - kein Aufbäumen, keine Gegenwehr! Die Gala-Fans waren da aktiver: zur Halbzeit-Pause wurden auf der Gegengeraden fast alle Sitze rausgerissen. Als Andenken? Nö, als Wurfgeschosse. Gala droht nun im ersten Heimspiel in der neuen Türk-Telekom-Arena eine Platzsperre. Stark!

Last Christmas: Bald ist ja Weihnachten. Es gibt Geschenke, man isst zu viel und trifft Verwandte, die man nicht mag, aber man kann es ja nicht ändern. Wer's nicht wusste: Auch in der Türkei kann man wunderbar Weihnachten feiern. Der Nikolaus stammt sogar aus der Türkei. Noel Baba, so heißt Santa Klaus in Türkiye, torkelt auch in Istanbul durch die Straßen und verteilt Geschenke (oder schließt lustige Kreditkartenverträge ab, damit die Leute im Kaufhaus Geschenke kaufen sollen). Wie auch immer: Klingt zwar alles super nett, ist aber dann doch nicht das Wahre. Denken sich wohl auch viele ausländische Stars, die rein zufällig kurz vor dem letzten Hinrunden-Spieltag ihre fünfte Gelbe Karte abholen oder um ganz sicher zu gehen, gleich eine Rote Karte provozieren.

Da wäre zum Beispiel Guti. Der Spanier musste aber lange zittern, bis es soweit war. Als er in Eskisehir Mitte der ersten Hälfte rotwürdig gefoult und nachgetreten hatte, gab es zur Verwunderung des Spaniers nur die Gelbe Karte. Der nächste Versuch war dann erfolgreich: Gelbe Karte für den Gegner fordern, das Unschuldslamm mimen und ab zum Duschen. Auch Gustavo Colman von Trabzonspor, in den letzten Wochen eigentlich überragend, fiel durch viele Fouls auf und wurde beim Gast-Heimspiel in Istanbul (siehe 'Was habt Ihr gegen Istanbul?') endlich mit der fünften Gelben belohnt. Der Kolumbianer setzte sich am Dienstag in den Flieger Richtung Heimat. Der Brasilianer Jaja sah weder Gelb noch Rot, wollte dennoch heim. Trotz der Absage von Trainer Günes flog auch Jaja nach Brasilien. Zu Weihnachten gibt's wohl eine Abmahnung und eine fette Geldstrafe. Ho ho ho!

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