Warum Ansu Fati den FC Barcelona tatsächlich verlassen muss

Von Thomas Hindle
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Die Liebe von Ansu Fati für den FC Barcelona ist offensichtlich. Trotzdem wäre eine Trennung in dieser Phase für alle Beteiligten das Beste.

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Die Umstände, unter denen Bori Fati möglicherweise die Karriere seines Sohnes beim FC Barcelona beendet hat, waren recht ungewöhnlich.

Bori, der Vater und Berater von Ansu, rief beim spanischen Radiosender COPE an, um sich über die Situation seines Sohnes in Barcelona zu beschweren. Er beklagte sich über Ansus fehlende Spielzeit, er schimpfte über die wichtigeren Rollen, die anderen Spielern zugewiesen worden waren.

Und, was vielleicht am wichtigsten ist: Bori forderte seinen Sohn auf, den Verein zu verlassen, zu dem er als Teenager gekommen ist.

Der 20-Jährige wurde von diesem öffentlich vorgetragenen und emotionalen Ausbruch seines Vaters offenbar überrumpelt und könnte im Nachgang noch eine eigene Erklärung abgeben, in der er seine Liebe zu Barça bekräftigt. Aber der Schaden könnte schon irreparabel sein.

Ansu Fati: Eine negative Entwicklung

Auf jeden Fall ist es ein weiterer Schritt einer negativen Entwicklung einer Karriere, die Fati in die absolute Weltklasse führen sollte.

In einer Woche, in der er sich eigentlich darauf freuen sollte, am Samstag gegen Elche in der Startelf zu stehen, da Raphinha gesperrt und Ousmane Dembélé verletzt ist, muss er sich stattdessen mit dem Wirbel um seine sportliche Zukunft auseinandersetzen.

Das Ganze ist ein ziemlicher Absturz. Noch vor zwei Jahren wurde Fati als Barcelonas "neuer Lionel Messi" gefeiert und erhielt sogar das Trikot mit der Nummer 10. Aktuell kann er sich in dieser Saison nicht einmal über einen Stammplatz freuen.

Er ist nicht der erste Teenager, dem in Barcelona der Vergleich mit dem Weltmeister aus Argentinien zu schaffen macht. Eine ganze Reihe von Talenten wurden bereits als Nachfolger der Vereinslegende bezeichnet.

Ansu Fati tappt in die bekannte Barcelona-Falle

Doch Fati sollte schließlich DER Nachfolger werden. Der, der auch das Zeug dazu hat. Das außergewöhnliche Talent, den Einfluss auf das Barça-Spiel oder allgemein die Leistungen von Messi bei den Katalanen wird er nie erreichen - aber das wird niemand mehr. Doch Fati schien sich zumindest in die richtige Richtung zu entwickeln.

Und nun könnte Fati in eine bekannte Barcelona-Falle tappen: eine weitere Enttäuschung bei einem vielversprechenden Offensivspieler, dessen Karriere die exorbitanten Erwartungen nicht erfüllt.

Bevor es für Fati noch weiter bergab geht, ist es vielleicht an der Zeit, dass der äußerst talentierte 20-Jährige das Camp Nou jetzt verlässt.

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Ansu Fati: Das Wunderkind nutzt anfangs seine Chance

Jeder wusste, dass Fati gut ist. Der aus Guinea stammende Flügelstürmer wurde in La Masia schnell zum Stammspieler und schon in die erste Mannschaft berufen, bevor er auch nur ein einziges Mal in der Reserve gespielt hatte.

Er wurde schnell zu einer echten Internet-Sensation, denn seine Finten und Tricks konnten sich auch im Vergleich mit denen von Barças damaligem Star auf der rechten Angriffsseite sehen lassen.

Er bekam seine Chance während einer fürchterlichen Saison der Blaugrana. Der katalanische Klub hatte 2020 mit vielen Verletzungen zu kämpfen. Trainer Ernesto Valverde, der den Verein bald darauf verlassen musste, hatte wohl keine andere Wahl, als auf den damals erst 16-jährigen Fati zurückzugreifen.

Das Wunderkind nutzte dann seine Chance - mit Bravour. Er wurde der zweitjüngste Spieler, der je für Barcelona auflief, der jüngste Spieler, der in der Klubgeschichte in der Startelf stand, und der jüngste Spieler, dem in La Liga ein Tor und eine Vorlage gelang.

Ansu Fati: Der Schwur von Josep Bartomeu

Der Teenager spielte sich in der Mannschaft fest und erzielte bis zum Ende der Saison acht Tore in 15 Einsätzen.

Auch die Qualität der Treffer war beeindruckend. Fati schoss nicht einfach nur ein paar Abstauber-Tore. Der Teenager legte sich die Kugel gerne auf seinen exzellenten rechten Fuß und schoss aufs Tor. Aber er war auch mit dem Kopf erfolgreich und schaltete sich oft mit seinen Läufen aus der Tiefe in das Geschehen im Strafraum mit ein.

Die Presse sprang schnell auf den Hype-Zug auf, das Interesse aus ganz Europa folgte. Kurz darauf wurde er schon in Spaniens Nationalteam berufen und vom damaligen Nationaltrainer Luis Enrique in den höchsten Tönen gelobt. Im August 2020 schwor Vereinspräsident Josep Bartomeu, Fati auf Lebenszeit im Camp Nou zu halten.

Und zwangsläufig blieben eines haften: Der Messi-Nachfolger war gefunden.

Die Saison 2019/20 verlief für den Klub jedoch sehr schlecht, da Barcelona zum ersten Mal seit zwölf Jahren keinen einzigen Titel holen konnte. Die Krönung der Enttäuschungen war die peinliche 2:8-Klatsche gegen Bayern München im Viertelfinale der Champions League.

Doch inmitten all der Trauerspiele gab es einen großen Lichtblick: Ansu Fati.

Ansu Fati: Die erste Verletzung

Leider ging kurz danach alles schief. Die erste schwere Verletzung von Fati stammte aus einem blöden Zweikampf.

Im November 2020 wurde Fati von einem Verteidiger von Real Betis angegangen und verdrehte sich auf dem Rasen des Camp Nou unglücklich das Knie. Einen Tag später folgte die niederschmetternde Diagnose: Der Teenager hatte sich den Innenmeniskus gerissen.

Die Operation verlief noch wie geplant, doch laut The Athletic machte Barcelona während Fatis Reha-Phase einen entscheidenden Fehler: Der Klub bestand darauf, dass er zwei Einheiten pro Tag absolviert, anstatt der empfohlenen einen.

Sein Knie schwoll erneut an, und nach nicht einmal zwei Monaten lag Fati erneut auf dem Operationstisch, um das Ergebnis des ersten Eingriffs zu korrigieren.

Aber auch diese Operation war kein voller Erfolg. Fati musste sich schließlich ein Stück seines Meniskus entfernen lassen.

Am Ende hatte Fati innerhalb von sechs Monaten vier Operationen an demselben Knie hinter sich. Aus einer dreimonatigen Verletzungspause wurden fast elf Monate.

Ansu Fati: Weitere Fitness-Probleme

Aber selbst als sein Knie wieder in Ordnung war, stellte sich heraus, dass Fati längst nicht der Alte war.

Obwohl er im November 2021 wieder zu seiner Form zurückfand - er erzielte Tore gegen Celta Vigo und Dynamo Kiew - folgten weitere Verletzungen.

Seine Achillessehne meldete sich einmal, dann ein zweites Mal. Währenddessen verspürte er Schmerzen im zuvor lädierten rechten Knie. Man empfahl ihm eine weitere Operation, aber er lehnte ab.

Am Ende der letzten Saison schaffte er es schließlich wieder regelmäßig in den Barça-Kader und kam zu fünf Einsätzen, alle als Einwechselspieler.

Fati wollte unbedingt mehr spielen, aber Trainer Xavi war der Meinung, dass der Spieler, der sich als linker Flügelspieler bewährt hatte, nun als Mittelstürmer eingesetzt werden sollte.

Gezwungenermaßen willigte Fati ein, aber in knapp mehr als 100 Minuten Spielzeit gelang es ihm nicht, ein Tor zu erzielen. In den fünf Spielen gab er insgesamt fünf Torschüsse ab - und Barça ließ die Saison auslaufen.

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Ansu Fati: Endlich fit, aber nicht mehr treffsicher

Aber danach passierte etwas Ungewöhnliches: Fati ist auf einmal wieder fit. Er hat zwar den einen oder anderen Schlag abbekommen, eine leichte Zerrung war auch mit dabei. Aber er hat in dieser Saison bereits 40 Spiele absolviert, in denen er sechs Tore und vier Vorlagen beisteuerte.

Und den alten Fati kann man immer noch erahnen, wenn man ihn sieht. Die Tore gegen Cádiz, Villarreal und Real Betis gaben Anlass zur Hoffnung. Eine herausragende Leistung gegen CF Intercity im Pokal war ebenfalls vielversprechend. Er ist nicht mehr so schnell auf den Beinen, aber seine Bewegungen, die Läufe und die Spielintelligenz sind immer noch da.

Aber dann gab es ein neues Problem: die vergebenen Chancen. Gegen Manchester United setzte er einen Kopfball frei drüber, der das Aus in der Europa League hätte abwenden können. Außerdem blockte er versehentlich den Schuss eines Mitspielers, der den Blaugrana eine 2:0-Führung gegen Real Madrid beschert hätte.

Ansu Fati wird von der Presse zerlegt

Für all diese Fehler wurde Fati von der Presse hinterher zerlegt - und der Stammplatz in der ersten Mannschaft rückte wieder in weitere Ferne.

Und auf einmal gewinnt Barcelona in dieser Saison dauernd, Fati darf sich deshalb keine weiteren Patzer leisten. Die Fehler wären jetzt noch schwerwiegender als damals, denn der Konkurrenzkampf um die Plätze ist groß, vor allem im Sturm.

Für Barcelona zu spielen, kann belastend sein. Für ein erfolgreiches Barcelona zu spielen, kann noch schwerer sein. Fati ist eines der Opfer der Entwicklung der Mannschaft unter Trainer Xavi.

Seine Problem im Klub wirken sich nun auch auf seine Nationalteam-Aussichten aus. Fati sollte Spaniens nächster Top-Angreifer werden, aber er schaffte es zuletzt nicht einmal in den Kader für die EM-Qualifikationsspiele.

Und es kam noch schlimmer: Angeblich meinte der Ex-Nationaltrainer Luis Enrique Ansu Fati, als er kürzlich verriet, dass er es inzwischen bereue, einen speziellen Spieler zur WM nach Katar mitgenommen zu haben.

Ansu Fati: Der nächste Bojan?

Fati hat offensichtlich gemerkt, dass ein Trikot auch belastend sein kann. Der Spanier erhielt bei Barça die alte Nummer von Messi, was ihn sofort ins Rampenlicht brachte. Die Verkaufszahlen seines Trikots in Barcelona gingen in letzter Zeit rapide zurück, und sein Vater hat wahrscheinlich recht, wenn er sagt, dass die berühmte Nummer 10 mehr Respekt verdient hätte. Aber es gibt auch Unterstützung für Fati.

In dieser Woche gab Bojan Krkic mit nur 32 Jahren seinen Rücktritt vom Fußball bekannt. Der spanische Nationalspieler, der einst zu den größten Talenten in La Masía gehörte, hatte sich zum Wandervogel entwickelt, mit Stationen in Mainz, Alaves, Montreal und Stoke.

In einem Interview äußerte er vor einem Monat sein Mitgefühl für die Probleme von Fati.

"Ich habe den Fall Ansu Fati am eigenen Leib erfahren", sagte er. "Man erzeugt eine Menge Enthusiasmus zu einem Zeitpunkt, an dem der Verein ein 'Produkt' aus La Masia braucht. Und ich sage das nicht gerne, aber so werden wir behandelt."

Ansu Fati nach Sevilla?

Und vielleicht ist es das, wie Fati jetzt gesehen wird - als ein weiteres nicht funktionierendes Produkt vom Barcelona-Fließband. Vielleicht der nächste Bojan, ein talentierter Flügelspieler, dessen Karriere schon zu Ende war, bevor sie richtig beginnen konnte.

Die Wechsel-Möglichkeiten könnten für Fati aktuell verlockend sein. Fatis Vater hat wiederholt Sevilla als Ziel genannt. Auch Namen wie Manchester United und PSG sind im Gespräch.

Vielleicht verkauft der FC Barcelona seine ehemalige Zukunft einfach an den Meistbietenden - eine stattliche Summe könnte man dafür sicherlich erzielen. Der Klub wird sie brauchen, um Transfers im Sommer zu finanzieren.

Oder aber Fati bleibt bei dem, was er schon immer gesagt hat: Er will bleiben und um seinen Platz kämpfen.

Aber es könnte auch einfach an der Zeit sein, zu gehen. In gewisser Weise hatte sein Vater recht. Fati muss nicht mehr der nächste Messi werden. Im Moment muss er wieder Ansu Fati werden - und das wird ihm wahrscheinlich nur außerhalb von Barcelona gelingen.

La Liga: Die aktuelle Tabelle

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Barcelona2649:94068
2.Real Madrid2651:213056
3.Atlético Madrid2642:192351
4.Real Sociedad2635:241148
5.Real Betis2634:26845
6.Villarreal2632:24841
7.Athletic Club2636:28836
8.Rayo Vallecano2631:30136
9.Celta de Vigo2632:35-334
10.Osasuna2622:27-534
11.Mallorca2622:27-532
12.Girona2640:41-131
13.Getafe2627:34-729
14.Sevilla2629:42-1328
15.Cádiz2621:38-1728
16.Real Valladolid2620:38-1828
17.Espanyol2632:42-1027
18.Valencia2628:31-326
19.Almería2630:45-1526
20.Elche2619:51-3213
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