Ansu Fati beim FC Barcelona: Wie der Nachfolger von Lionel Messi zum Sorgenkind wurde

Von Chris Lugert
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Ansu Fati trug einst die Hoffnungen eines ganzen Klubs auf seinen Schultern. Doch der Traum vom Messi-Erbe beim FC Barcelona könnte schon bald enden.

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Die Tränen nach dem Abschied von Lionel Messi waren gerade erst getrocknet, da begann beim FC Barcelona eine neue Zeitrechnung. Im Sommer 2021 war die Ära des Argentiniers bei der Blaugrana zu Ende gegangen, der wohl beste Spieler der Vereinsgeschichte verabschiedete sich von einem Klub, der finanziell Richtung Abgrund taumelte und für den ein neuer Vertrag mit seinem Ausnahmespieler nicht mehr finanzierbar war. Ein Neuanfang auf allen Ebenen musste her.

Präsident Joan Laporta hatte erst wenige Monate zuvor seine zweite Amtszeit bei den Katalanen begonnen und sah sich mit einem Scherbenhaufen gigantischen Ausmaßes konfrontiert, den ihm sein Vorgänger Josep Maria Bartomeu hinterlassen hatte. Ein völlig überteuerter Kader und Schulden in Milliardenhöhe, verursacht vor allem durch groteske Ablösesummen und Gehälter, trieben Barça an den Rand der Insolvenz. Aus dem einstigen Weltverein war plötzlich ein Sanierungsfall geworden. Was braucht ein Klub in solch einem Moment? Klar, Geld. Aber bis das da ist, braucht es Symbolkraft.

Hier kam ein gewisser Ansu Fati ins Spiel. Der damals 18-Jährige hatte die Herzen der Barça-Fans zu diesem Zeitpunkt bereits im Sturm erobert und diverse Rekorde aufgestellt. Im Alter von 16 Jahren und 10 Monaten wurde er zum jüngsten Torschützen der Klubgeschichte, weitere Bestmarken, die sich das Wunderkind krallte: jüngster Torschütze in der Champions League sowie einige Monate später auch in der spanischen Nationalmannschaft.

Fati erinnerte nicht nur aufgrund seiner Vorliebe für Rekorde an Messi. Beide durchliefen viele Jahre die legendäre Nachwuchsschmiede La Masia, Fati kam sogar bereits als Neunjähriger zum Klub. Während Messi in Argentinien geboren wurde, kam Fati in Guinea-Bissau zur Welt. Sein Vater suchte zunächst in Portugal und Spanien nach Arbeit, schließlich wurde die Familie nahe Sevilla sesshaft. Ansus älterer Bruder Braima wagte als erster den Schritt zum FC Barcelona, Ansu folgte ein Jahr später.

Wie praktisch also, dass man nach dem Original-Messi nun einen neuen Messi in den Reihen hatte - so offenbar die Gedanken von Laporta und seinen Kollegen. Also bekam Fati zur Saison 2021/22 symbolträchtig die von Messi zu einem Heiligtum entwickelte Rückennummer '10' des Argentiniers.

Dazu muss man wissen: Die Nummer einfach für eine gewisse Zeit unbesetzt zu lassen, geben die Regularien der spanischen Liga nicht her. Der Profikader muss von 1 bis 25 durchnummeriert werden und auch nur in diesem Bereich. Nummern darüber hinaus sind ausschließlich für Jugendspieler vorgesehen, die keinen Profivertrag unterschrieben haben. Dass die Wahl für die Messi-Nachfolge bei der Rückennummer aber dennoch auf Fati fiel, war ein deutliches Zeichen nach außen. Seht her, dieser Junge ist unsere Zukunft!

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Ansu Fati: Vom Wunderkind zum Sorgenkind

Rund anderthalb Jahre später ist aus dem einstigen Versprechen für die Zukunft ein Sorgenkind der Gegenwart geworden. Der Ansu Fati anno 2023 hat mit dem rekordbrechenden Wunderkind von einst nicht mehr viel zu tun. Gleich mehrere schwere Verletzungen haben die Entwicklung des Stürmers ausgebremst. Schon als Fati im Sommer 2021 die Messi-Nachfolge antrat, hatte er eine lange Leidenszeit hinter sich.

Alles begann mit einer Meniskusverletzung im November 2020, die ursprünglich eine Ausfallzeit von vier Monaten nach sich ziehen sollte. Unschön, aber noch verkraftbar. Doch dabei blieb es nicht. Zwei weitere Operationen folgten, erst im September 2021 kehrte er zurück - und traf direkt bei seinem Comeback. Am 20. Oktober verkündete Barça schließlich die Vertragsverlängerung mit dem Top-Talent, die Sorgen schienen vergessen. Zwei aufeinanderfolgende Oberschenkelverletzungen setzten Fati schließlich von November 2021 bis April 2022 außer Gefecht. Unvergessen, als Fati beim ersten Comeback im Januar bereits wieder verletzt ausgewechselt werden und völlig aufgelöst von Trainer Xavi getröstet werden musste.

Inzwischen ist Fati zwar fit, aber bei Barça in dieser Saison nur noch zweite Wahl. Zwar kommt er fast in jedem Spiel zum Einsatz, aber fast nie über 90 Minuten. Meist wird er von Xavi gar nur als Joker gebracht. Und das wurmt den inzwischen 20-Jährigen merklich. "Ich werde nicht lügen. Es ist wahr, dass ich erwartet hatte, mehr zu spielen", machte Fati seinem Frust in einem Interview mit der Mundo Deportivo während der WM in Katar Luft. Neuzugänge wie Raphinha haben die Situation für Fati verkompliziert, zuletzt wurde sogar Top-Talent Gavi auf dem Flügel aufgeboten und ihm vorgezogen.

Und wo es gefrustete Spieler gibt, sind Gerüchte über einen Abschied nicht weit. Schon im Herbst soll Berater Jorge Mendes auf der Suche nach einem neuen Klub gewesen sein. Und nun scheint es konkreter zu werden. Der FC Bayern München, so berichtete es die Mundo Deportivo, beschäftige sich mit einem Transfer des spanischen Nationalspielers.

Trainer Julian Nagelsmann sei ein großer Bewunderer, der Rekordmeister sei derzeit sogar in der Pole-Position im Rennen um Fati. Aber würde er überhaupt nach München passen? Fatis sportliche Heimat liegt auf dem linken Flügel, er kann bei Bedarf aber auch im Sturmzentrum spielen - so wie zuletzt bei Barça während der Drei-Spiele-Sperre von Robert Lewandowski. Dort wusste er jedoch nur bedingt zu überzeugen., und Bedarf hätten die Münchner auf den ersten Blick eher im Zentrum, statt auf außen.

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Ansu Fati zum FC Bayern? Längst keine Utopie mehr

Allerdings mangelte es den Flügelspielern der Bayern zuletzt an Konstanz. Serge Gnabry, Leroy Sané, Kingsley Coman und Sadio Mané stehen im Kader, waren in dieser Saison aber aus unterschiedlichen Gründen - mal Form, mal Verletzungen, mal beides - nie eine Dauerhilfe. Unruhe durch Aktionen neben dem Platz, wie etwa Gnabrys Paris-Trip, machen die Sache nicht einfacher. Dass Sportvorstand Hasan Salihamidzic Gnabry öffentlich mit dem wenig schmeichelhaften Attribut "amateurhaft" betitelte, könnte den deutschen Nationalspieler womöglich daran zweifeln lassen, dass seine Zukunft in München liegt.

Anders als in der Vergangenheit, als die Bayern für Transfers in diesem Regal eher kein Kandidat waren, haben die Verpflichtungen von Matthijs de Ligt, Mané und jüngst João Cancelo zudem gezeigt, dass die Münchner auch im Wettrennen um die großen Namen eine immer attraktivere Option werden. Utopisch sind derartige Transfers nicht mehr.

Fati steht bei Barça allerdings bis 2027 unter Vertrag und hat eine festgeschriebene Ausstiegsklausel in Höhe von einer Milliarde Euro. Diese dürfte freilich kein Klub auf dieser Welt zahlen wollen. Aber derartige Summen sind in Spanien, wo Ausstiegsklauseln vorgeschrieben sind, auch eher als Absicherung der Katalanen zu verstehen, um das Heft des Handelns bei Transfergesprächen in der Hand zu behalten. Aber hätte Barça überhaupt Interesse an einem Verkauf?

Der Klub benötigt auch im kommenden Sommer Geld. Die Gehaltsgrenze der spanischen Liga bereitet den Verantwortlichen weiterhin Kopfschmerzen, die Registrierung des neuen Vertrags von Gavi erstritt sich der Klub erst vor Gericht. Die Einnahmen und Ausgaben passen nicht zusammen, ein Verkauf eines Spielers wie Fati könnte da Abhilfe schaffen. Dennoch dürfte Barcelona kein Interesse daran haben, ein einst als Messi-Nachfolger präsentiertes Eigengewächs zu verramschen. Wie gut, dass es da die Premier League gibt.

Denn neben den Bayern sollen auch zahlreiche englische Klubs ihr Interesse angemeldet haben. Manchester United und der FC Arsenal werden an erster Stelle genannt, aber sicher dürfte auch der kaufwütige FC Chelsea nicht weit sein, wenn sich irgendwo die Chance auf einen großen Transfer ergibt. Sollte es zu einem Wettbieten zwischen den Klubs aus der Premier League kommen, könnten die Bayern wohl nicht mithalten.

Letztlich liegt es auch an Fati selbst, wie er seine Zukunft in Barcelona einschätzt. Bei der Reise zur Supercopa nach Saudi-Arabien Mitte Januar bekam Fati nach seiner Leistung als Joker im Halbfinale gegen Real Betis ein Lob von Xavi. "Vielleicht war es heute meine Schuld, ich hätte ihn eher bringen müssen. Er ist viel besser, seit er von der WM zurück ist, er macht den Unterschied aus, arbeitet viel und seine Einstellung in der Defensivarbeit hat sich sehr verbessert. Ich hätte ihn eher einwechseln müssen, das war mein Fehler", sagte er. Im Finale gegen Real Madrid drei Tage später spielte Fati dann genau eine Minute.

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Ansu Fati beim FC Barcelona: Leistungsdaten als Profi

SaisonEinsätzeToreAssists
2019/203381
2020/211054
2021/221561
2022/233173