Julen Lopetegui wird neuer Trainer bei Real Madrid: Der Vater des Umbruchs?

Von Jonas Rütten
Julen Lopetegui wird neuer Trainer von Real Madrid.
© getty

Julen Lopetegui tritt nach der WM die Nachfolge von Zinedine Zidane bei Real Madrid an und wird neuer Trainer der Königlichen. Nachdem seit Wochen zahlreiche andere Trainer-Namen prominent durch die Medien geisterten, ist die Verpflichtung Lopeteguis ein Paukenschlag und eine Entscheidung zwischen Logik und einem gewissen Risiko - trotz aller guten Vorzeichen.

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"Guti wird Murcia nicht trainieren können, da er das Amt des neuen Real-Coaches übernehmen wird", gab Victor Galvez vergangene Woche auf einer Pressekonferenz noch großspurig zu Protokoll. Vieles deutete darauf hin, dass der Präsident des spanischen Drittligisten Real Murcia das Geheimnis um die Nachfolge von Zinedine Zidane als Trainer von Real Madrid endgültig für die Öffentlichkeit gelüftet hätte.

Zuvor waren die wildesten Gerüchte um den vakanten Trainerposten des amtierenden Champions-League-Siegers entstanden. Von Tag zu Tag tauchten neue Namen in den Medien auf. Angefangen mit Guti über Julian Nagelsmann, Maurizio Pochettino und Antonio Conte, bis hin zu Andre Villas-Boas, den die RMC am Dienstagmorgen ins Gespräch brachte. Ein letzter Rohrkrepierer, wie sich nur wenige Stunden später herausstellen sollte.

Denn sowohl Galvez als auch die versammelte spanische Presselandschaft dürften nicht schlecht gestaunt haben, als die Königlichen am Dienstag den aktuellen spanischen Nationaltrainer als neuen Coach für die kommenden drei Jahre vorstellten. Nicht in Form einer ausführlichen Pressekonferenz, sondern mit einer schlanken, achtzeiligen Pressemitteilung. Dazu kam noch der routinemäßige Begrüßungstweet im stylischen Videodesign: "Bienvenido, Julen Lopetegui."

Das war alles. Erst am Mittwoch soll sich Lopetegui auf einer Pressekonferenz des spanischen Fußballverbandes zu seinem Wechsel äußern. Verglichen mit dem lautstarken Abgang Zidanes ist die Verpflichtung des Nachfolgers heimlich, still und leise vonstattengegangen. Eigentlich so gar nicht der "Real-Way-of-Life" - den Lopetegui hingegen bestens kennt.

Lopetegui bei Real Madrid: Aus der zweiten Reihe ins erste Glied

Sowohl als aktiver Spieler als auch später als Trainer stand der heute 51-Jährige bei den Königlichen unter Vertrag. Den Schritt aus der zweiten Reihe ins erste Glied hat er bei Real allerdings nie geschafft. Lopetegui war Ersatztorhüter, in der Scouting-Abteilung tätig und schließlich Trainer der Real-Reserve. Nun bekommt er seine Chance an der Spitze des Vereins. Sein Engagement ist ein erster Fingerzeig auf die Zukunft des Klubs und die Chance auf einen sanften Übergang.

Nach dem dritten Champions-League-Titel stellt sich in Madrid langsam aber sicher die Frage nach einem Umbruch. Leistungsträger wie Sergio Ramos (32), Cristiano Ronaldo (33), Karim Benzema (30), Marcelo (30) oder Luka Modric (32) sind nicht mehr die Jüngsten und auch Zidane sprach bei seinem Rücktritt von einer Veränderung, die das Team benötige.

Lopetegui hat in der Vergangenheit mehrfach unter Beweis gestellt, dass er in der Lage ist, einen behutsamen Umbruch zu managen, bei dem sowohl ein Großteil der Routiniers gesetzt ist, aber auch die jungen Talente Verantwortung und Spielzeit bekommen. Das zeigte er beispielsweise als Trainer beim FC Porto, als er die Mannschaft nach den Abgängen von Leistungsträgern wie Jackson Martinez und James Rodriguez neu formen musste.

Lopetegui holte Casemiro auf Leihbasis zu Porto, als sich dieser zunächst nicht bei Real durchsetzen konnte. Unter ihm blühte der Brasilianer auf und ist heute bei bei Real gesetzt, doch im zweiten Jahr bei Porto blieb der konstante Erfolg der Mannschaft aus und Lopetegui wurde Anfang 2016 entlassen. Seinen Kurs der behutsamen Veränderung führte er anschließend als Nationaltrainer Spaniens aber unbeirrt fort.

Lopeteguis Stationen als Trainer: Real, Porto und die Seleccion

VereinAmtsantrittAmtsaustrittSpielePunkte/Spiel
Spanien21.07.201615.07.2018202,40
FC Porto01.07.201407.01.2016782,24
Spanien U2108.08.201230.04.2014192,89
Spanien U1901.08.201030.05.2013152,33
Real Madrid B01.07.200830.06.2009--
Rayo Vallecano01.07.200303.11.2003--

Real Madrid unter Lopetegui: Isco, Bale und die logische Wahl

Nach dem Scheitern der Seleccion im Achtelfinale der Europameisterschaft 2016 beerbte er Vicente del Bosque. Bei seinem Amtsantritt sagte Lopetegui: "Wir werden keine Revolution in Gang setzen, sondern eher eine Weiterentwicklung mit unseren Ideen." Zwei Jahre später sind der Evolution jedoch 12 der 23 Spieler, die in Frankreich noch im Aufgebot der Spanier standen, zum Opfer gefallen.

Übrig geblieben ist das feste, unumstößliche Gerüst um Sergio Busquets, Andres Iniesta, Sergio Ramos und Gerard Pique. Im Aufgebot stehen darüber hinaus neben Ramos auch fünf weitere Spieler, die Lopetegui in der kommenden Saison als Trainer betreuen wird. Unter diesem Aspekt ist Lopetegui als künftiger Real-Coach eine logische Wahl.

Er kennt einen Teil der Spieler und Leistungsträger von Real bereits und die Spieler kennen ihn. Sie wissen, wie er arbeitet und was er von ihnen verlangt. Daniel Carvajal, Isco und Nacho Fernandez spielten bereits in der Reserve von Real und in Spaniens U-Nationalmannschaften unter Lopetegui. Mit ihm wurden sie 2012 U19- und 2013 U21-Europameister.

Besonders Isco fühlt sich unter dem neuen Real-Trainer wohl, weil ihm Lopetegui in der Nationalmannschaft das Vertrauen schenkt, das er bei Real nicht immer bekommen hat. "Er begeistert mich, er hat mich schon immer begeistert", sagte Lopetegui im Mai gegenüber El Chiringuito über den 26 Jahre alten Offensivspieler. Iscos Standing bei Lopetegui, sowie dessen Affinität zu jungen und hochtalentierten Spielern wie Marco Asensio werfen hingegen neuerliche Fragen über die Zukunft von Gareth Bale bei Real auf.

Lopetegui bevorzugt zwar ein sowohl für Bale als auch für den aktuellen Real-Kader optimales 4-3-3-System, legt allerdings gleichzeitig viel Wert auf Ballkontrolle und Positionsspiel. Die Ballsicherheit war in der abgelaufenen Saison allerdings oftmals ein Manko im Spiel des Walisers, dem unter Lopetegui auch Torhüter Keylor Navas aufgrund seiner Schwächen in der Spieleröffnung zum Opfer fallen könnte.

Real Madrid holt Lopetegui als Zidane-Nachfolger: Die WM als Hypothek

Obwohl Lopetegui von seiner Art Fußball spielen zu lassen und seinen Fähigkeiten als Talentförderer zu Real passt, einen nicht unerheblichen Teil des Kaders und der Führungsriege (Ramos, Carvajal, Casemiro) bereits sehr gut kennt, haftet seiner Verpflichtung als Real-Trainer auch ein gewisses Restrisiko an. Einerseits, weil Lopetegui bei seinen Stationen als Vereinstrainer kaum Erfolg hatte und andererseits ist das Erbe Zidanes mit drei Titeln in der Königsklasse für jeden Nachfolger ein schweres Los.

Nicht umsonst wünschte sich Real-Präsident Florentino Perez einen Zidane-Verbleib für die Ewigkeit: "Ich wollte ihn als Spieler und als Trainer und ich wollte, dass er für immer an meiner Seite bleibt", sagte Perez auf der Rücktritts-PK von Zidane. Das Handicap der drei Champions-League-Titel könnte schwer auf Lopetegui lasten, wenngleich für den Basken auch mit der Nationalmannschaft in Russland nur der Weltmeistertitel zählt.

Das Abschneiden bei der WM wird für Lopetegui ohnehin zur Hypothek für seinen Amtsantritt bei Real. Wird er mit der Seleccion tatsächlich Weltmeister, steigt einerseits die Erwartungshaltung bei Real ins Unermessliche und andererseits würde er erst spät zu den Königlichen stoßen, was eine fokussierte Saisonvorbereitung durchaus erschwert. Scheitert er mit Spanien früh im Turnier, werden kritische Stimmen im Vereinsumfeld laut, noch bevor Lopetegui einen Schritt in die Ciudad Real Madrid getan hat.

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