"Wir mussten nicht leiden"

Von Alex Truica
Die einen feiern, die anderen leiden: Real Madrids Sieg lässt ratlose Katalanen zurück
© getty

Real Madrid hat ein Statement in der Copa del Rey abgegeben: Durch den 3:1-Sieg beim FC Barcelona konnten die Blancos vor dem Spiel bei Manchester United wichtiges Selbstvertrauen tanken. Eben dies geht Barca derzeit vollkommen ab.

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Es sollte die Woche der Wahrheit werden für Real Madrid. Drei Entscheidungsspiele binnen acht Tagen: Zwei Mal gegen Barca, in der Copa und Liga, dazu das Champions-League-Rückspiel im Old Trafford gegen Manchester United. Drei Spiele, die über Wohl oder Wehe von Real Madrids Saison entscheiden. Und damit auch über die Zukunft von Jose Mourinho.

Die Gefahr war eine Verheißung und Chance, eine Chance, es allen zu zeigen, die das Team bereits abgeschrieben und die Saison verteufelt haben. Dienstagabend wurde die erste Hürde mit Bravour genommen, als Madrid mit 3:1 im Copa-Clasico gegen Barcelona triumphieren konnte.

Man kann es durchaus als Statement-Win ausmachen. Wer nach 68 Minuten 3:0 im Camp Nou führt, der hat vieles richtig gemacht. Und seinen Kritikern gezeigt: Wir leben noch. Und wie.

Verdienter Auswärtserfolg

Der Sieg gebe Madrid "mehr Hoffnung und Selbstvertrauen für den Rest der Saison", konstatierte der derzeit verletzte Kapitän Iker Casillas auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. "Hoffentlich ist das der Wendepunkt." Casillas vertrat Coach Jose Mourinho, der offensichtlich den süßen Triumph lieber im Stillen genießen wollte, statt sich seiner Trainerpflicht zu stellen. Nichts Neues im Lager der Weißen, drückt sich Mou doch gerne vor Pressekonferenzen. Normalerweise aber eher, wenn seine Mannschaft unterlegen war.

Diesmal waren sie überlegen, und wie. Seit 2002 siegte Madrid nicht mehr so eindrucksvoll beim Erzrivalen, damals fuhren sie im Halbfinal-Hinspiel der Champions League einen 2:0-Sieg ein, der ihnen den Weg zum neunten Triumph in der Königsklasse ebnete.

Auch dieser Sieg kann und wird ihnen einen Schub geben. Selbstvertrauen für das schwere, vielleicht alles entscheidende Spiel der Saison: Das Champions-League-Rückspiel im Old Trafford gegen Manchester United. Die Copa ist ein Appetithappen, eine Vorspeise vielleicht, mehr aber nicht. Die Champions League samt der Decima, dem symbolischen zehnten Erfolg, ist ihre Sehnsucht.

Ronaldo mit Clasico-Rekord

Auch Doppeltorschütze Cristiano Ronaldo sprach unmittelbar nach dem Sieg im Camp Nou schon vom Aufeinandertreffen mit seinen früheren Teamkollegen bei United: "Dieses Spiel gibt uns eine enorme Zuversicht für Manchester." Der Blick der Blancos ist schon auf das übernächste Spiel gerichtet.

Der Clasico am Samstag ist nur eine Randnotiz, gemessen am 16-Punkte-Vorsprung Barcas in der Liga der unwichtigste seit Jahren. Selbst Ronaldo, der es Barcelona und der Welt in den Clasicos immer besonders beweisen möchte (und dies gestern durch zwei Tore erneut tat), gab das zu: "Es stimmt, dass die Liga, gemessen am riesigen Vorsprung von Barca, weniger wichtig ist."

Seiner Mannschaft attestierte der Portugiese, ein "hervorragendes Spiel" abgeliefert zu haben. "Unsere Einstellung war großartig, wir waren klar besser und erzielten drei Tore, was schwierig ist. Das Team ist für das super Spiel zu beglückwünschen", frohlockte Ronaldo, dem es als erstem Spieler überhaupt gelang, in sechs aufeinanderfolgenden Clasicos im Camp Nou zu treffen.

Vergleichbare Ausgangslage

Die Ausgangslage war identisch zu der in der Champions League: Madrid benötigte ein höheres Unentschieden als ein 1:1 oder einen Auswärtssieg. Der im Camp Nou anwesende United-Coach Sir Alex Ferguson wird die taktische Herangehensweise Madrids zu deuten wissen. Gegen Barca gab Ronaldo zumeist den vordersten Stürmer.

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Er überstrahlte klar den erneut blassen Gonzalo Higuain und bildete mit Angel Di Maria eine konstante Bedrohung bei Kontermöglichkeiten der Weißen. Hinten zogen sie sich zusammen, bildeten - wie es mittlerweile mehrere Mannschaften gegen Barca praktizieren - einen kompakten Block in der Mitte des Spielfeldes, um dann mit vertikalen Bällen hinter die vorgerückten katalanischen Außenverteidiger zu schnellen Gegenstößen anzusetzen.

Barca wirkt ermattet, zweifelnd

Milan machte es vor, nun glückte es auch Real beeindruckend. Allerdings erscheint der FC Barcelona in diesen Tagen auch desillusioniert wie seit Jahren nicht mehr. Man hat das Gefühl, sie hätten ihre Leichtigkeit, ihr Selbstvertrauen, ja ihre Zauberformel verloren. Sie wirkten erneut wie ein gewöhnliches Team.

Ein Team, das besonders in der Defensive anfällig ist. Diese Schwächen wurden von Madrid gnadenlos aufgedeckt. Und anders als sonst, war ihre Zentrale um Messi, Xavi und Iniesta indisponiert und uninspiriert. Mehr als alles andere war die Aussage von Casillas bezeichnend für die derzeitige Situation bei Barcelona: "Wir mussten heute nicht leiden."

Kein Wunder, dass die Hauspostillen Madrids den Triumph gegen den großen Rivalen gnadenlos auskosten. Die "AS" nennt Barcelona "einen Schatten seiner selbst." Und die "Marca" bastelt schadenfreudig die doppeldeutige Schlagzeile: "Reale Erniedrigung für Barca". Mittelfeldspieler Cesc Fabregas, verloren im umgestellten, asymmetrischen System, gab nach der Partie zu: "Das ist ein harter Schlag. Madrid war sehr stark im Konter-Spiel. Wir müssen uns jetzt erholen." Ein Comeback in der Champions League hält er dennoch für möglich.

Milan vor der Brust

Gerade der Zeitpunkt der Schaffenskrise lässt die Fans der Katalanen zerknirscht zurück: Auch Barca hat noch ein großes Spiel vor der Brust, sieht man vom psychologisch wichtigen Clasico am Samstag im Bernabeu einmal ab. Das Rückspiel gegen den AC Milan könnte auch für die Katalanen der Wendepunkt sein. Aber kein guter.

Die Liga zwar so gut wie gewonnen, könnte die Saison aber bereits Anfang März vorbei sein. Kaum geht die Spielzeit in die entscheidenden Wettkämpfe, wäre sie für Barca schon vorzeitig beendet. Messi und Co. müssten zusehen, wie sich die anderen großen Mannschaften zu Highlight-Spielen aufschwingen, während man selbst in der Liga gegen Mallorca, Getafe und Osasuna graue und ob des komfortablen Vorsprungs wenig beachtete Pflichtsiege einfahren muss.

Ausgangssituation und Stimmung in den Lagern der Erzrivalen könnten vor den entscheidenden Partien anders nicht sein. Wer hätte das noch vor ein, zwei Wochen gedacht.

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