AC Mailand holt den Scudetto - "Milan is back": Der elegante Gegenentwurf zu Inter

Von Justin Kraft
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© getty

Die AC Mailand ist zurück auf dem italienischen Fußballthron. Mit einem 3:0-Sieg bei Sassuolo Calcio holten die Rossoneri am Sonntag ihren 19. Scudetto. Mailand ist damit wieder die Fußballhauptstadt Italiens - für den Moment. Aber ist das Milans Schritt zu altem Glanz?

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Jung, dynamisch, modern - oder, wie es die eigenen Fans im September anlässlich der Champions-League-Rückkehr nach sieben Spielzeiten ohne Königsklasse formulierten: "Milan is back!"

Etwas mehr als 35 Minuten hatte es bei Sassuolo Calcio am entscheidenden letzten Spieltag gedauert, da war die Luft aus dem Meisterschaftsrennen schon raus. Die Hoffnung von Inter, dass das junge Milan-Team just dann einbrechen würde, wenn alles auf dem Spiel steht, wurde ausgerechnet durch einen der jüngsten Leistungsträger im Kader erstickt.

Rafael Leao zeigte abermals, was für ein überragender Fußballer er ist und warum er als eines der aufregendsten Talente Europas gilt. Zweimal tankte er sich links in den Strafraum und fand jeweils Olivier Giroud (17. und 32.), einmal brach er rechts durch und legte den Treffer von Franck Kessie vor (36.). Der frühe Assist-Hattrick des 22-Jährigen sorgte dafür, dass die vielen mitgereisten Mailänder nichts mehr zu befürchten hatten.

AC Mailand: Rafael Leao ist das Gesicht der Milan-Philosophie

Schon in den letzten Wochen, in denen Milan zu wackeln drohte, war der Portugiese die Lebensversicherung des Teams. In 42 Pflichtspielen war der Linksaußen an 26 Toren direkt beteiligt. Allein in den letzten sechs Partien in der Serie A gelangen ihm drei Treffer und sechs Assists, womit er an neun von 13 Toren seines Teams direkt beteiligt war.

Ibrahimovic, Giroud - in einem üppig besetzten Angriff ist es einer der jüngsten Spieler, der heraussticht. Und damit ist er ein Paradebeispiel für das neue Milan. Leao kam 2019 für 29,5 Millionen Euro aus Lille. Kein Schnäppchen, aber gut investiertes Geld.

Sein Marktwert wird mittlerweile laut transfermarkt.de auf 50 Millionen Euro geschätzt. Leao bringt die für Außenspieler üblichen Fähigkeiten mit: Schnelligkeit, Technik, Torgefahr. Er arbeitet darüber hinaus sehr engagiert in der Defensive mit und ist beinahe omnipräsent auf dem Platz. Was auf hohem Niveau aber den Unterschied macht, sind Konstanz und Zuverlässigkeit. Lange fehlte ihm diese Qualität, aber je länger die nun abgelaufene Saison andauerte, desto besser wurde Leao. Er reifte zuletzt zu einer absoluten Konstante in der Offensive der Rossoneri.

Deshalb will Milan den Vertrag mit seinem Top-Talent auch möglichst bald verlängern. Schon im Januar gab es erste Gerüchte, zuletzt wurden diese wieder konkreter. Leaos Agent ist Jorge Mendes und der soll den jüngsten Aufstieg seines Klienten nutzen wollen.

Rafael Leao
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Juve zahlt mehr als doppelt so viel für den Kader

Ein Blick aufs Gehaltsgefüge wertet den Erfolg der letzten zwei Jahre nochmal auf. Milan zahlt für seinen jetzigen Kader rund 175 Millionen Euro pro Saison. Juventus Turin (370 Millionen Euro) und Inter (260 Millionen Euro) sind deutlich potenter - von der internationalen Konkurrenz ganz zu schweigen.

Die Kaderplanung der Norditaliener war in den vergangenen Jahren aber ein herausragendes Merkmal des Erfolgs. Dass die US-Investorengruppe Elliott Management im Jahr 2018 eine neue Ära eingeleitet hat und den Klub vor allem auch finanziell in ein neues Fahrwasser führen konnte, sollte nicht romantisch verklärt werden.

Doch Milan hatte in den vergangenen Jahrzehnten häufig Geld. Sehr viel Geld. Und wusste dieses sehr gekonnt zu verbrennen. Mit Stefano Pioli (Trainer seit 2019) und Paolo Maldini (seit 2019 technischer Direktor) wurde jedoch eine sportliche Leitung etabliert, die die Milan-Philosophie zurückbringen und weiterentwickeln konnte. Und diese lässt sich eben anhand von Spielern wie Leao hervorragend erklären.

Nur drei Spieler des Meisterteams kamen vor 2018 nach Mailand. Obwohl Zlatan Ibrahimovic (40), Simon Kjaer (33), Olivier Giroud (35) oder Alessandro Florenzi Teil des diesjährigen Kaders sind, stellt Milan das zwölftjüngste Team der Liga (26,8 Jahre im Schnitt). Jünger als Juventus Turin (27,1), Neapel (27,4) oder Inter (30,1) - sogar der jüngste Meisterkader seit Einführung der Drei-Punkte-Regel. Maldini ist der Vater dieses Erfolgs.

Milan wird durch junge Spieler geprägt

Die jungen Spieler sind es, die Milan in dieser Saison immer wieder auf Kurs gehalten haben. So wichtig Ibrahimovic, Giroud und Kjaer als Typen und mit ihrer Erfahrung für das Team auch sind: Allen voran Franck Kessie (25), Fikayo Tomori, Theo Hernandez, Ismael Bennacer (alle 24), Sandro Tonali und eben Leao (beide 22) bilden eine sehr wichtige Achse.

Vor allem im Mittelfeld ist die Handschrift des Klubs gut zu erkennen. Keiner von ihnen lässt sich in eine Schublade stecken. Sie alle haben ausgeprägte Qualitäten in allen Anforderungsbereichen auf unterschiedlichen Positionen im zentralen Mittelfeld. Jeder von ihnen verfügt über die Qualität, die Stärken des anderen zu kompensieren, wenn es notwendig ist. Milan scoutet und verpflichtet junge Spieler, die auf ihren Positionen nicht nur mehrere Rollen beherrschen, sondern perfekt in den dynamischen Stil des Trainers passen.

Tonali und Bennacer sind beispielsweise hervorragende Spielmacher, die mit ihren Pässen Takt und Tempo bestimmen können. Gleichzeitig sind sie gute Zweikämpfer und Spielzerstörer, wenn es darauf ankommt. Kessie mag wiederum vor allem mit seinen Fähigkeiten im Pressing und als Balltreiber assoziiert werden, doch auch er ist gleichzeitig ein feiner Techniker.

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