Wie die Faust aufs Auge

Sami Khedira trug in über 150 Spielen das Trikot der Königlichen
© getty

Sami Khedira zieht einen Schlussstrich unter das Kapitel Real Madrid und schließt sich Juventus Turin an. Ein Schritt mit Potenzial - auch für das DFB-Team. Der sich anbietende Vergleich ist allerdings haltlos.

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So intensiv und offen wie um Sami Khedira bemüht sich Schalke selten um einen Spieler. Die Aussagen von Horst Heldt und Clemens Tönnies ließen schnell darauf schließen, dass der Transfer des Weltmeister kurz vor dem Abschluss stehen würde.

Einen "hohen Prozentsatz" rief der Aufsichtsratschef aus, Heldt legte nach: "Wir sind weiter im Rennen." Einen Kommentar von Khedira selbst zum Thema Gelsenkirchen lässt sich selbst bei genauer Suche nicht auftreiben. Der Mittelfeldspieler ist kein Mann der großen Worte oder langer Reden.

Sein Abschied von Real Madrid fiel kurz und knapp aus, er lehnte ein Angebot zur Vertragsverlängerung ab und stellte fest: "Das ist keine Entscheidung gegen Real, sondern ich möchte einen neuen Reiz in meiner Karriere setzen und mich selbst weiterentwickeln."

"Einzigartige Marktgelegenheit"

Den neuen Reiz hat er in Italien gefunden. Juventus Turin heißt die Option, die ihm das verspricht, was er sich offen wünschte. "Einen Plan für die nächsten Jahre" und den Weg, den er "mitgestalten" kann und der es ihm erlaubt "junge Spieler anzuführen".

Der Wechsel wirft Fragen auf. Wo soll der Platz sein für den 28-Jährigen? Was rechnen sich beide Seiten aus? Antworten aus Italien gibt es wenige. Als eine "einzigartige Marktgelegenheit" wurde Khedira von Generaldirektor Giuseppe Marotta im Mai betitelt. Das ist er ohne Frage.

Verletzung zwingt zur Umstellung

Viele Spieler seines Niveaus sind in dieser Transferphase nicht auf dem Markt zu finden. Khedira spielte gut in Spanien, seit er nach der WM 2010 die Zelte in Stuttgart abbrach. Er machte sich einen Namen im Mittelfeld der Königlichen, gewann zahlreiche Titel, darunter die Champions League.

Nicht einmal der Abgang von Mourinho, so etwas wie sein Ziehvater bei Real, tat dem einen Abbruch. Auch Carlo Ancelotti setzte nach seinem Amtsantritt auf Khedira - bis dieser sich einen folgenschweren Kreuzbandriss zuzog. Das Standing, das der Nationalspieler sich aber erarbeitet hatte, wurde vielen erst in den Monaten danach bewusst.

War Khedira fit, sah Ancelotti keine Möglichkeit, das Quartett Cristiano Ronaldo, Gareth Bale, Karim Benzema und Angel di Maria zusammen auf den Platz zu schicken. Die Verletzung brachte den Italiener in Not, er bastelte sich ein neues Grundgerüst in einem 4-4-2/4-3-3-Hybrid, das alle vier Offensivkräfte gleichzeitig einbinden konnte.

Umstellung macht Khedira nutzlos

Das Problem: Der Platz von Khedira ging verloren. Für die neue Spielweise mit Angel di Maria als Mittelfeldspieler hinter einer an individueller Qualität kaum zu überbietenden Offensive brauchte das Team eine unglaubliche Disziplin und Balance. Attribute, die sich der verletzte Mittelfeldspieler nicht auf die Flagge geschrieben hat.

Tatsächlich vermochte er es noch, der Mannschaft in machen Situationen zur Seite zu stehen. Doch sein Spiel passte schlicht mehr nicht in die Pläne von Ancelotti. Dieser benötigt zwei sehr ballsichere Zirkulatoren mit herausragenden Fähigkeiten in Sachen Spielintelligenz und Antizipation. Khedira ist dagegen kein ruhiger Bindepunkt wie Kroos, Luka Modric oder Xabi Alonso, was seine Qualitäten in keiner Weise schmälert.

Er ist mehr ein Box-to-Box-Player mit grandioser Physis, der aus dem Sechserraum nach vorne stößt und dabei gelegentlich auch defensive Lücken lässt. Er treibt das Spiel an, kann durch seine aggressiven Läufe Mitspieler befreien und sich damit weit nach vorne kombinieren. Die solide Technik in Kombination mit guter Übersicht und hoher Aufopferungsbereitschaft machte ihn zu einem wichtigen Bestandteil unter Mourinho und auch im DFB-Team.

Khedira, der Jäger

Seine Mitspieler agieren mehrfach als Wandspieler und suchen einfache Doppelpässe mit Khedira in den vertikalen Korridoren - ein schlichtes, aber effektives Mittel, um aus dem Ballbesitz heraus zu überraschen. Die Kehrseite der Medaille sind Räume, die Khedira trotz guten Umschaltverhaltens nicht immer kompensieren kann. Bastian Schweinsteiger oder Alonso hielten ihm jedoch den Rücken frei.

In der Defensive ist die Rollenverteilung mit Khedira schnell gefunden. Er gibt den Jäger, der im Mittelfeld wühlt und sich geschickt einsetzt, um den Gegner zu lenken, während der defensivere Part der Doppelbesetzung im Zentrum im richtigen Moment zuschlägt und den Ball erobert. Will man unbedingt einen Vergleich ziehen, ist vielleicht Michael Ballack der richtige Name.

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