Butt-Head Hernanes - der neue Pirlo

Von Thomas Gaber
Hernanes erzielte in dieser Saison bislang drei Ligatore für Lazio Rom
© Imago

Lazio Rom stand am Abgrund, bis der Brasilianer Hernanes kam. Kein Virtuose am Ball, aber enorm vielseitig und effektiv. Hernanes wird bereits mit großen Spielmachern verglichen - und einem TV-Superstar.

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Eine Minute brauchte Anderson Hernanes de Carvalho Andrade Lima. Er schüttelte sich kurz, stachelte seine Kameraden an, schnappte sich den Ball, lief durchs Mittelfeld und haute den Ball aus 25 Metern ins Tor. Der Ausgleich für Lazio Rom zum 1:1 gegen Catania in der 45. Minute, 60 Sekunden nach dem Führungstreffer der Gäste. So geschehen am vergangenen Wochenende.

Am Ende reichte es für Lazio trotz einem Dutzend bester Torchancen in der zweiten Halbzeit "nur" zu einem Punkt. Dennoch bleiben die Römer das Überraschungsteam der Serie A.

Nach 15 Spieltagen sind die Biancocelesti punktgleich mit dem AC Milan Tabellenzweiter. Am Freitagabend konnte Lazio mit einem 3:1-Erfolg gegen Inter Mailand erstmals gleichziehen.

Ein Neuzugang aus Brasilien hat am Lauf der Laziali großen Anteil: Hernanes. Der 25-Jährige kam im Sommer für 13,5 Millionen Euro vom FC Sao Paulo in die ewige Stadt. "Es war ein finanzieller Kraftakt, aber es hat sich rentiert", sagte Klubchef Claudio Lotito.

Regisseur mit allen Freiheiten

Der Transfer von Hernanes war Lotitos letzte Gelegenheit, ein Stück Vertrauen bei den Fans zurückzugewinnen. Der Absatz der Dauerkarten war im Sommer so niedrig wie lange nicht mehr.

Im Frühjahr kämpfte Lazio gegen den Abstieg, und anstatt sich um sein Baby zu kümmern, legte sich Lotito mit Fans und Funktionären an. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen ihn wegen Unregelmäßigkeiten bei zwei Transfers verstärkten das Misstrauen der Anhänger gegenüber ihrem Präsidenten.

Mit der Verpflichtung von Hernanes hat Lotito seine eigene Haut gerettet und einer dahinsiechenden Mannschaft neues Leben eingehaucht. Hernanes bestimmt im Mittelfeld den Rhythmus. Im von Trainer Edoardo Reja bevorzugten 4-3-1-2 ist Hernanes der Regisseur mit allen Freiheiten. Wechselt Reja auf das 4-3-2-1 bekommt der Brasilianer Mauro Zarate an die Seite gestellt.

Die offensive Rolle bekommt Hernanes, obwohl er in Sao Paulo jahrelang im defensiven Mittelfeld gespielt hat.

"Am Anfang dachte ich, ich schaffe das nie. Ich hatte richtig Angst. Die Umstellung war enorm. Reja hat mich auf dem Platz weiter nach vorne gezogen. Ich habe nicht mehr so viele Defensivaufgaben zu erledigen, was mir gefällt. Ich fühle mich mittlerweile pudelwohl. Alle Zweifel sind ausgeräumt", sagte Hernanes "globoesporte".

Reja ist restlos begeistert: "Er ist der Spieler, der uns gefehlt hat. Er verbindet die Mannschaftsteile untereinander und ist grundlegend für unser Spiel." Hernanes übernahm in Rom sofort Verantwortung. Er ist Rejas Elfmeterschütze Nummer eins.

Dunga: Kein Kaka, eher ein Pirlo

Hernanes ist technisch stark, auch wenn er nicht die fußballerische Eleganz anderer brasilianischer Stars besitzt. Seine Schussgewalt erinnert an Branco, Weltmeister mit Brasilien 1994.

Dank seiner Vielseitigkeit, seiner Spielintelligenz und seiner Effizienz hat er sich einen Namen im internationalen Fußball gemacht. Der FC Barcelona, Milan, Liverpool und Real Madrid sollen in den letzten zwei Jahren versucht haben, ihn nach Europa zu holen.

"Ich habe mich für Lazio entschieden, weil ich dort die besten Chancen gesehen habe, mich weiterzuentwickeln. Außerdem hat sich der Verein am meisten um mich bemüht", so Hernanes.

Die Großklubs wurden während des olympischen Fußballturniers 2008 in Peking auf Hernanes aufmerksam. Die britische Zeitung "Times" führte ihn nach dem Turnier in einer Liste der vielversprechendsten Spieler der Welt auf Rang eins.

Seitdem ist Hernanes auch im Internet ein Star. Er muss als Double von Butt-Head, Kumpel von Beavis aus der MTV-Serie, herhalten. Hernanes kann damit leben: "Ich finde das lustig. Ich war immer ein Fan der beiden Jungs."

Sein fußballerisches Talent erkannt hat Carlos Dunga, Trainer der Selecao bei Olympia und zwei Jahre später bei der WM in Südafrika. "Er hatte vor Peking keine überragende Saison gespielt. Aber ich habe ihn mitgenommen, weil ich wusste, dass er uns helfen wird. Viele Leute in Brasilien vergleichen ihn mit Kaka. Ich denke, dass er mit seinen Anlagen eher ein genialer Spielmacher wie Andrea Pirlo werden kann", sagt Dunga.

Die nächste Legende aus Recife?

Dungas Nachfolger Mario Menezes ziert sich noch, Hernanes regelmäßig in die Auswahl des fünfmaligen Weltmeisters zu berufen.

"Ich hätte eigentlich gedacht, dass ich gegen Argentinien (0:1, d. Red.) im Kader stehe. Ich war sehr enttäuscht, dass es nicht so kam. Aber ich weiß, dass Menezes mir Chancen geben wird. Ich sehe mich nicht im direkten Wettbewerb mit Offensivspielern wie Kaka oder Ronaldinho, sondern eher mit den Mittelfeldspielern, wie zum Beispiel Lucas und Elia", sagte Hernanes.

Es soll ihm bloß nicht so ergehen wie seinem Vorbild Juninho. Der Freistoß-Spezialist, jahrelang aktiv für Olympique Lyon, machte zwar 44 Länderspiele, stand aber immer im Schatten anderer.

"Juninho kommt wie ich aus Recife. Ich möchte der nächste Fußballer sein, auf den die Stadt stolz ist. Vielleicht sogar der größte, der jemals in dieser Stadt geboren wurde", so Hernanes.

Ein ehrgeiziger Plan. Aus Recife kommen Vava, Weltmeister 1958 und 1960 und Teil des legendären Dreiersturms mit Garrincha und Pele, sowie Ademir (WM-Torschützenkönig 1950 mit neun Treffern).

Hernanes - unverkäuflich!

Erstmal will Hernanes mit Lazio dauerhaft erfolgreich sein. Er hat im Sommer einen Fünfjahresvertrag unterschrieben. Präsident Lotitio hat sein bestes Pferd im Stall vorsorglich schon mal für unverkäuflich erklärt.

"Ich werde Hernanes im Leben nicht verkaufen, nicht einmal, falls sie mir 50 Millionen Euro bieten. Wir haben in ihn nicht nur viel Geld investiert, weil er ein toller Fußballer ist. Er ist auch charakterlich top. Wir investieren nicht in Beine, sondern in Menschen", stellte Lotito schon Anfang Oktober klar.

Gegen Inter hat Hernanes die nächste Rate zurückgezahlt. Vor dem Spiel hatte er sich wieder einiges vorgenommen - und auch umgesetzt. "Wir haben das Derby gegen die Roma verloren. Also müssen wir Inter schlagen. Ich hätte nichts dagegen, wieder ein Tor zu schießen."

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