Auswärts in San Siro

Von Andreas Lehner
Inter, Milan, Gattuso, Dacourt
© Getty

München - Im Jahre 1908 kam es im Mailänder Lokal Orologio zu einem folgenschweren Beschluss.

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Unter den Mitgliedern des Milan Football und Cricket Club - aus dem später der AC Milan wurde - herrschte Uneinigkeit über die Verpflichtung von ausländischen Spielern.

Daraufhin kam es zum Schisma und die Abtrünnigen gründeten einen zweiten Klub: den FC Internazionale. Seitdem besteht zwischen beiden Vereinen eine innige Rivalität. Fast 100 Jahre später steigt nun am Sonntag das "Derby della Madonnina" zum 267. Mal in San Siro.

Katastrophale Bilanz in San Siro

Für Milan hat das Duell mit dem Erzrivalen schon vorentscheidenden Charakter. Die Rossoneri liegen in der Tabelle nur auf Platz elf und haben schon satte 22 Punkte Rückstand auf Inter. Aufgrund der Teilnahme an der Klub-WM hat Milan aber noch drei Spiele in der Hinterhand.

Doch selbst drei Siege in diesen Partien würden Milan nicht mehr ins Titelrennen zurückbringen, falls es im Derby eine Niederlage setzt. Die Vorzeichen stehen allerdings mehr als schlecht.

Milan hat in dieser Saison noch kein Spiel in San Siro gewonnen. In sieben Spielen erzielten sie gerade mal drei Tore und liegen in der Heimtabelle nur auf dem vorletzten Platz. Nur die Auftritte auswärts machen Mut. Und das ist auch die Hoffnung für das Spiel gegen Inter, denn die haben schließlich Heimrecht.

Mourinho sägt an Ancelottis Stuhl 

Nicht nur für die Meisterschaft könnte eine Niederlage das Aus bedeuten, auch Carlo Ancelottis Stuhl wackelt. Denn die Lage in der Liga beunruhigt Vereinspatron Silvio Berlusconi. Nur der souveräne Einzug ins Achtelfinale der Champions League und der Sieg bei der Klub-WM in Japan (4:2 im Finale gegen Boca Juniors) haben Ancelotti den Kopf gerettet.

Ein Nachfolger für den 48-Jährigen steht mit Jose Mourinho schon in den Startlöchern. Der ehemalige Chelsea-Coach soll sich nach Angaben eines Milan-Verantwortlichen sogar selbst den Rossoneri angeboten haben - was Mourinho selbstverständlich verneinte. Er behauptet, dass Milan auf ihn zugekommen sei.

Wie auch immer, Ancelotti lässt die Diskussion um seine Person und seinen eventuellen Nachfolger ziemlich kalt. "Ich habe das mit Mourinho in den italienischen Zeitungen gelesen. Milan soll ihm ein Angebot gemacht haben. Vielleicht stimmt das, aber mir haben sie nichts von einer Anfrage gesagt", meinte Ancelotti auf einer Pressekonferenz in Yokohama. Aus seinem Amt will er sich aber nicht ganz so einfach vertreiben lassen. "Wenn Mourinho meinen Job will, gibt mir das einen Motivationsschub."

Neuentflammte Rivalität

Solche Probleme hat Ancelottis Gegenüber Roberto Mancini nicht. Der 43-Jährige kann mit den Leistungen seiner Mannschaft mehr als zufrieden sein und sitzt sicher auf seinem Trainerstuhl. Die Nerazzurri holten vergangene Saison den ersten Meistertitel seit 1989 auf sportlichem Weg (2006 wurde Inter der Meistertitel nach der Bestrafung von Juventus und Milan im Zuge des Bestechungsskandals zugesprochen) und sind in dieser Saison nach 16 Spielen ohne Niederlage souveräner Tabellenführer.

Der Meister trifft also auf den Klub-Weltmeister. Zum ersten Mal seit rund 20 Jahren begegnen sich beide Klubs damit auf Augenhöhe. Denn seit Ende der 80er Jahre, als Inter mit dem deutschen Trio Matthäus, Brehme und Klinsmann Milan mit dem niederländischen Triumvirat Gullit, van Basten und Rijkaard herausforderte, stand Inter im Schatten Milans.

Manche sprechen sogar von der hitzigsten Atmosphäre seit den 60er Jahren, als bei Inter und Milan die Trainerlegenden Helenio Herrera bzw. Nereo Rocco auf der Bank saßen und als Spieler Sandro Mazzola (Inter) und Gianni Rivera (Milan) die Rivalität anheizten.

Kein Italiener im Team

Die Nerazzurri werden im Derby auf jeden Fall ihrem Namen FC Internazionale wieder alle Ehre machen. Am letzten Spieltag stand kein einziger Italiener in der ersten Elf, Christian Chivu war sogar der einzige Europäer im Team.

Auch gegen Milan wird das nicht anders sein. Denn insgesamt stehen nur fünf Italiener im Kader, vier davon sind Ergänzungsspieler. Einzig Marco Materazzi steht regelmäßig in der Starformation. Im Moment ist der italienische Nationalspieler allerdings verletzt. Gegen Milan werden wieder elf Ausländer auflaufen - Internazionale eben.