"Als wären wir nie weg gewesen"

Von Übersetzung: Tim Holzwarth
Zur Filmpremiere in London fand die "Class of '92" wieder in Vollbesetzung zusammen
© getty

Ryan Giggs zählt zu den ganz großen Namen in der Geschichte von Manchester United. Mittlerweile gehört der "Welsh Wizard" dem Trainerstab der Red Devils an und blickt besonders gerne auf die Zeit mit Weggefährten wie Paul Scholes, David Beckham, Nicky Butt und den Neville-Brüdern zurück, die im Film "The Class of '92" dokumentarisch festgehalten ist. Im Interview spricht er über das Wiedersehen mit seinen ehemaligen Teamkameraden, das Erfolgsgeheimnis der "Class of '92" und seine Zukunft als Trainer.

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Frage: Mister Giggs, was für ein Gefühl ist es statt auf grünem Rasen vor der Kamera und auf der großen Leinwand im Mittelpunkt zu stehen.

Ryan Giggs: Ich liebe den Film und die Art und Weise wie er gemacht ist. Es ist zunächst immer komisch, wenn man so etwas macht. Wir hatten alle ein bisschen Bedenken, was am Ende herauskommt und wie das alles zusammen gesetzt wird, aber jeder hat fantastische Arbeit geleistet. Es war sehr ansprechend und ich bin mit dem Resultat zufrieden.

Frage: Sie haben im Rahmen der Dokumentation viel Zeit mit Paul Scholes, David Beckham, Nicky Butt und den Neville-Brüdern verbracht. War das eine Art Zeitreise in die Vergangenheit?

Giggs: Es gab nicht nur die sechs Jungs, die im Film zu sehen waren, sondern auch die anderen Jungs, die zu dieser Zeit United-Jugendspieler waren. Zum Trainingsgelände von The Cliff zurückzukehren und wieder in der Kabine zu stehen, in der wir so viele Jahre verbracht haben und zusammen aufgewachsen sind, hat wirkliche eine Menge Erinnerungen geweckt. Es waren die gleichen Neckereien, die gleichen Witze wie damals und es fühlte sich an, als wäre es gerade einmal zwei Minuten her. Deshalb war es großartig sie alle zu treffen.

Frage: Konnte man damals schon erahnen, dass der gemeinsame Weg so lange und erfolgreich sein würde?

Giggs: Der Großteil von uns kannte sich sogar schon seit wir 13 waren, bevor wir überhaupt zusammen in der United-Jugend gespielt haben. Wir hatten gegeneinander und miteinander gespielt und es war keine Überraschung, dass wir uns gemacht haben.

Frage: Lebt man sich nach so langer Zeit im Profi-Fußball nicht auseinander und verändert sich?

Giggs: Es besteht eine starke Verbindung, wenn man das erlebt, was wir erlebt haben; gewinnen, verlieren und zu Männern werden. So entwickeln sich Dinge, die man niemals vergisst und die immer ein großer Teil deines Lebens sein werden.

Frage: Überraschend zeigt sich Paul Scholes im Film von einer ungewöhnlich offenen und spaßigen Seite.

Giggs: Das ist eines der Hauptthemen, die im Film zur Geltung kommen. Eine Menge Leute haben mich darauf angesprochen, aber für uns ist das keine Überraschung, denn wir kennen seinen Sinn für Humor und wissen, wie er tickt. Aber Scholesy ist introvertiert, behält gerne Dinge für sich und ohne den Film hätte die Außenwelt diese Seite an ihm wahrscheinlich nie kennengelernt.

Frage: Gibt es ein Geheimnis oder eine Formel dafür, warum sie alle zusammen bei Manchester United so erfolgreich waren?

Giggs: Es ist immer hilfreich, wenn man gute Spieler um sich hat und im Training ein Wettbewerb entsteht. Dann will man unbedingt ins Team und man wird tun, was auch immer dafür nötig ist.

Frage: Wie wichtig ist diese Einstellung zum Fußball?

Giggs: Selbst beim Kicken mit den Mannschaftskameraden an einem Freitagnachmittag haben wir dieses Wettkampfdenken nie wirklich abgelegt. Deshalb haben wir, unabhängig davon, ob wir verloren oder gewonnen haben, so viel zusammen gelernt.

Frage: Inwiefern hat das Ihre Karriere beeinflusst?

Giggs: Ich glaube, das war eine Schlüsselkomponente für unseren so lange anhaltenden Erfolg, weil der Hunger und der Appetit so lange noch präsent waren.

Frage: Woher rührt dieser unbedingte Leistungswille? Ist dieser Ehrgeiz angeboren?

Giggs: In manchen Menschen ist es natürlicher verwurzelt als in anderen, aber man kann es auch lernen und über die Jahre entwickeln. Ich denke, das ist auch bei uns eingetreten.

Frage: Kam es bei so viel geballtem Ehrgeiz nicht zu Unstimmigkeiten?

Giggs: Wir waren unterschiedliche Charaktere, aber wir haben uns an verschiedenen Punkten gegenseitig mitgeschleppt. Ob man nun lautstark wie Gary (Neville, Anm. d. Red.) war, oder die Antwort auf dem Platz gegeben hat wie Scholesy, es gab unterschiedliche Gewinnertypen und verschiedene Arten von ehrgeizigen Menschen.

Frage: Mittlerweile sind Sie Assistenztrainer unter Louis van Gaal. War ein Engagement als Trainer schon länger Teil ihrer Zukunftsplanung?

Giggs: Wenn man in so jungen Jahren anfängt, setzt man sich kleine Ziele. Erst will man ins Team, dann will man Titel gewinnen, aber man schaut nie so weit in die Zukunft und denkt daran, Trainer zu werden oder eine Mannschaft zu managen.

Frage: Genau das ist aber eingetreten. Viermal saßen Sie nach der Entlassung von David Moyes als Coach von Manchester United auf der Bank.

Giggs: Es war eine wundervolle Erfahrung für mich und eine, die ich sehr genossen habe. Besonders erfreulich war, dass ich sie mit den Jungs teilen konnte über die wir gesprochen haben - Paul Scholes, Nicky Butt und Phil Neville.

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Frage: Inwieweit konnten Sie in dieser Zeit ihre gemeinsamen Ideen umsetzen?

Giggs: Wir hatten nicht wirklich Zeit, alles in Angriff zu nehmen. Natürlich lieben wir alle den Klub und wollten den Job so gut wie möglich erledigen. Wir sind alle sehr professionell damit umgegangen und haben die Erfahrung geliebt, denn wir hätten niemals gedacht, uns in dieser Position wiederzufinden.

Frage: Ihr Name, wie auch die Namen Ihrer Kollegen und Freunde sind fest in Geschichtsbüchern verankert. Kann es in Manchester künftig überhaupt eine vergleichbare Gruppe von Spielern geben?

Giggs: Das hoffe ich natürlich. Die Geschichte von United hat gezeigt, dass dieser Klub gewillt ist, jungen Spielern eine Chance zu geben und ich habe die Hoffnung, dass wieder viele Spieler den Durchbruch schaffen. Nach den Busby Babes (eine Gruppe von United-Eigengewächsen in den 50er-Jahren, Anm. d. Red.) dachten viele Leute, dass es so etwas nicht mehr geben wird, aber es hat sich in gewisser Weise in der Class of '92 wiederholt.

Frage: Wie lange wird man bei den Red Devils auf eine solche goldene Generation warten müssen?

Giggs: Hoffentlich wird die Lücke nicht so groß, wie sie zwischen diesen beiden Spielergenerationen war. Man muss den Jungen Zeit geben und sie Fehler machen lassen. Doch in der heutigen Zeit wird das immer schwieriger, weil jeder auf Anhieb den Erfolg will und erwartet.

Frage: Die Liste Ihrer Erfolge als Spieler sucht ihresgleichen. Wie haben Sie es geschafft, Ihr Spiel trotz fortschreitenden Alters immer wieder anzupassen?

Giggs: Ich habe versucht, immer und überall etwas zu lernen. Auch als ich schon ein erfahrener Spieler war, habe ich auf den Etappen meiner Karriere noch dazugelernt.

Frage: Was muss der Trainer Ryan Giggs noch lernen oder verbessern, um erfolgreich zu sein?

Giggs: Das Spiel und seine Individuen haben sich verändert und das Verlangen nach unmittelbarem Erfolg ist groß. Ich denke, dass ich sicherlich den Vorteil habe, direkt aus der Kabine zu kommen. Ich weiß, wie ein Spieler tickt und was er will. Gleichzeitig habe ich als Spieler aber ziemlich spät aufgehört, deshalb muss ich damit zurechtkommen, mein neues Handwerk schnell zu erlernen. Denn Coaching ist eine ganz andere Fertigkeit.

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