Ironischerweise ist es Tottenham, dessen Boss Daniel Levy oft für seine Sparsamkeit kritisiert wurde, das derzeit die EPL-Ausgabenliste anführt. Aber auch die Spurs sind nicht All-in gegangen, indem sie Timo Werner auf Leihbasis holten und Genua 24 Millionen Euro (plus 6 Millionen Euro mögliche Boni) für die Dienste von Radu Dragusin zahlten.
Mit Conor Gallagher vom FC Chelsea wurde der Klub ebenfalls in Verbindung gebracht, jedoch wurde der Transfer aus wirtschaftlichen Gründen nicht vollzogen. Das spiegelt den allgemeinen Trend zur Zurückhaltung wider, dem sich alle Klubs in Europa in diesem Januar angeschlossen zu haben scheinen.
Die Frage, die sich jeder stellt, lautet: Wo sind die Klubs geblieben, die alles kaufen, was auf dem Markt ist? Letztes Jahr um diese Zeit hatte Chelsea bereits 70 Millionen Euro für Mykhailo Mudryk ausgegeben, Liverpool hatte sich Cody Gakpo geschnappt, und selbst angeschlagene Klubs wie Bournemouth und Leeds waren schon fleißig auf dem Transfermarkt.
Premier League: Die großen Ausgaben holen alle Klubs ein
Die Sparsamkeit der europäischen Klubs in diesem Monat ist größtenteils eine direkte Folge früherer hoher Ausgaben. Aufgrund der riesigen Einnahmen der Premier League an TV-Geldern sind es in der Regel die Engländer, die das Transferkarussell mit ersten Deals in Schwung bringen.
In den letzten beiden Sommern wurde der Rekord für die EPL-Transferausgaben zweimal gebrochen: Im Jahr 2022 gaben die 20 Vereine knapp 2,2 Milliarden Euro aus, im vergangenen Sommer wurde dieser Wert mit Ausgaben in Höhe von 2,7 Milliarden Euro erneut übertroffen.
Selbst wenn die Einnahmen ebenfalls steigen und das Ganze etwas abfedern, ist der Premier League - vereinfacht gesagt - schlicht und ergreifend das Geld ausgegangen. Und wenn der erste Dominostein nicht fällt, kämpft der Rest Europas - der von den in England gezahlten Gehältern und Ablösesummen nur träumen kann - darum, genug Geld zusammenzukratzen, um die dringend benötigten Neuzugänge zu holen.
Premier League: Sorgen wegen Punktabzug für FC Everton
Natürlich haben die Premier-League-Klubs in der Vergangenheit wahrscheinlich über ihre Verhältnisse gelebt, um die Qualifikation für die Champions League oder das Überleben im Abstiegskampf zu sichern. Beides ist jeweils mit enormen finanziellen Vorteilen verbunden.
Doch seitdem die britische Regierung mit der Schaffung einer unabhängigen Aufsichtsbehörde für den Fußball droht, geht in der Premier League die Angst um. Wie es laufen kann, musste der FC Everton im November erfahren, als er wegen Verstoßes gegen die Vorschriften mit einem zuvor ungekannten Abzug von zehn Punkten bestraft wurde.
Die Toffees, die inzwischen wegen eines zweiten ähnlichen Verstoßes angeklagt wurden, sind nicht der einzige Verein, der sich Sorgen um die finanziellen Belastungen macht. Nottingham Forest erwartet eine Strafe wegen Verstoßes gegen die finanziellen Vorschriften, während gegen Manchester City in gleich 115 Fällen ermittelt wird. Ein Urteil in diesem Fall wird jedoch nicht so bald erwartet.
Diese Entwicklungen versetzen den Rest der Premier League in Alarmbereitschaft. So erklärte Newcastles Geschäftsführer Darren Eales, als der Verein Anfang des Monats einen Jahresverlust von 82 Millionen Euro verkünden musste: "Das Everton-Urteil hat gezeigt, dass die Regelungen durchaus scharf angewendet werden können. Ich denke, dadurch haben viele in der Premier League erst gemerkt, dass es so etwas wirklich gibt."
Die Gewinn- und Nachhaltigkeitsregeln schreiben vor, dass ein Verein über einen Zeitraum von drei Jahren keine Verluste von insgesamt mehr als 120 Millionen Euro verbuchen darf. Und da Chelsea in den letzten fünf Jahren Nettoausgaben in Höhe von 800 Millionen Euro verzeichnete, muss man kein Mathegenie sein, um zu verstehen, warum die Premier-League-Klubs aktuell so sehr darauf bedacht sind, ihre Ausgaben zu begrenzen.
In ganz Europa gibt es viele weitere Vereine, die in ihren Ligen mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Barcelona zum Beispiel scheinen die "Hebel" ausgegangen zu sein, um die finanziellen Probleme zu lösen, während Champions-League-Finalist Inter Mailand Schulden in Höhe von rund 800 Millionen Euro haben soll.
Transfermarkt: Das Geld aus Saudi-Arabien fließt nicht mehr
Angesichts des Transfer-Stillstands in Europa hoffen die Vereine vielleicht darauf, dass Saudi-Arabien das Ganze wieder in Schwung bringt, so wie es im Sommer der Fall war. Steven Gerrards Klub Al-Ettifaq hatte im Dezember diese Hoffnungen befeuert, als er den Klubeigentümer nach einem schlechten Saisonstart öffentlich um Transfer-Investitionen bat.
"Wir müssen in diesem Fenster und auch im Sommer zeigen, dass wir es ernst meinen und dass wir konkurrenzfähig sein wollen", sagte Gerrard, nachdem seine Mannschaft gegen Al-Nassr zum achten Mal in Folge ohne Sieg geblieben war. "Wir werden hoffentlich in der Lage sein, grundlegende Veränderungen an der Mannschaft und am Kader vorzunehmen. Ende Januar wird man hoffentlich eine andere, stärkere Mannschaft von uns sehen."
Trotz des Abgangs von Jordan Henderson blieb es aber bei Al-Ettifaq auf dem Transfermarkt seltsam ruhig, was dem Trend der gesamten Saudi-Liga entspricht. Hierfür gibt es mehrere Gründe.
Erstens dürfen die SPL-Vereine derzeit nur acht Ausländer in ihren Kader aufnehmen. Nach all den Sommertransfers ist die große Mehrheit dieser Plätze - vor allem bei den vier Teams, die vom Staat unterstützt werden und am meisten Geld ausgeben - bereits besetzt. Al-Hilal musste sogar kreativ werden, um Renan Lodi aus Marseille zu verpflichten: Den verletzten Neymar meldete man für den Rest der Saison einfach ab, damit der Linksverteidiger geholt werden konnte.
Es wird auch damit gerechnet, dass sich die Saudi-Klubs auf einen weiteren wichtigen Transfer-Sommer vorbereiten, in welchem Premier-League-Stars wie Casemiro und Mohamed Salah eher bereit sind, aus Europa in die Wüste zu wechseln. Der schnelle Abgang von Henderson und Berichte über die Schwierigkeiten anderer Spieler wie Aymeric Laporte und Karim Benzema, sich im Land einzugewöhnen, drohen zum Scheitern des Projekts zu führen - schon kurz nachdem es richtig in Gang gekommen ist.
Kaum Optionen auf dem Transfermarkt
In Europa lassen sich die Nicht-Transfers auch durch andere Faktoren als den finanziellen Aspekt erklären: So fehlt es den großen Klubs, die gerne Geld ausgeben, an passenden Optionen. Obwohl Mikel Arteta öffentlich erklärt hat, dass er mit seinen Alternativen im Angriff zufrieden ist, erscheint klar, dass Arsenal durchaus bereit wäre, einen Stürmer zu verpflichten. Wenn sich die Gelegenheit bietet. Auch Chelsea ist auf der Suche nach einem Mittelstürmer.
Ivan Toney steht bei beiden Klubs ganz oben auf der Liste, aber er ist einfach nicht zu bekommen. Da es auf dem Markt an Top-Stürmern mangelt, befindet sich Brentford in einer besonders guten Verhandlungsposition: Angeblich wollen die Bees 115 Millionen Euro für Toney haben. Auch Napoli hat den Marktwert von Victor Osimhen klar erkannt und schützt seinen wertvollsten Spieler mit einer Ausstiegsklausel, die bei rund 110 Millionen Euro liegen soll.
In Spanien möchte der FC Barcelona gerne einen Mittelfeldspieler holen, doch die Suche nach passenden Kandidaten, die zur aktuellen Kaufkraft Barças passen, macht einen Deal unmöglich. PSG, ein Big Player auf dem Transfermarkt, fällt es wiederum schwer, einen geeigneten Linksverteidiger als Ersatz für den verletzungsanfälligen Nuno Mendes zu finden.
Transfermarkt im Winter: Warum viel riskieren?
Selbst in der unteren Tabellenhälfte der Premier League, in der die Klubs in der Regel versuchen, mit Transfers im Winter die Wende zum Besseren zu schaffen, weil ihnen eine weitere Saison in der Premier League viel Geld einbringt, ist es unheimlich ruhig.
Sheffield United, das lediglich Ben Brereton-Diaz von Villarreal ausgeliehen hat, könnte insgeheim der Meinung sein, dass sich größere Investitionen, die den Verein in finanzielle Schwierigkeiten bringen könnten, nicht lohnen - schließlich sind die Aussichten auf den Klassenerhalt ohnehin nur noch gering.
Auch Luton und Burnley haben sich für wirtschaftliche Vorsicht entschieden. Im Falle der Hatters kam der Aufstieg in der letzten Saison viel früher als geplant. Mit Blick auf das neue Stadion, das bald fertig ist, sieht Luton diese Saison mit Einnahmen aus der Premier League wahrscheinlich als willkommenen Bonus an. Burnley befindet sich in einer ähnlichen Situation, mit Vincent Kompany ist ebenfalls ein guter Trainer am Ruder.
Das soll nicht heißen, dass diese Vereine nicht versuchen, um den Klassenerhalt mitzuspielen; alle drei könnten dem Abstieg noch entgehen. Wenn sie das tun, dürften sie anschließend davon profitieren, dass sie im Januar keine Panikkäufe getätigt haben.
Kylian Mbappé und Co.: Ablösefreie Transfers kündigen sich an
Hinzu kommt die Aussicht, dass die Verträge vieler Top-Stars auslaufen, wenn sich das weniger hektische Sommertransferfenster öffnet. Ganz oben auf der Liste steht dann Kylian Mbappé, der PSG nach jahrelangen Spekulationen am Ende der Saison verlassen dürfte, wenn sein aktueller Vertrag ausläuft.
Der französische Meister hofft zwar immer noch, ihn mit einem neuen Vertrag überzeugen zu können, da Präsident Nasser Al-Khelaifi auf ein vermeintliches "Gentleman's Agreement" mit Mbappé zu einer Verlängerung besteht. Aber die Möglichkeit, einen der besten Spieler der Welt zu verpflichten, bedeutet, dass sowohl Real Madrid als auch Liverpool im Januar ihre Füße still halten. Um dann in der bestmöglichen Position zu sein, wenn es darum geht, den französischen Superstar im Juli zu verpflichten.
Auch für eine ganze Reihe anderer Top-Spieler wird im Sommer das letzte Vertragsjahr beginnen. Die meisten von ihnen spielen für Bayern München, sehr zum Verdruss von Harry Kane: Leroy Sané, Joshua Kimmich, Alphonso Davies und Thomas Müller sind nur noch bis 2025 an den FCB gebunden.
Liverpool-Legende Mohamed Salah, City-Superstar Kevin De Bruyne und Juventus-Stürmer Federico Chiesa sind ebenfalls 2025 ablösefrei zu haben, ebenso wie Heung-Min Son, der bereits erwähnte Toney und Giovanni Reyna von Borussia Dortmund, um nur einige wenige zu nennen.
In den letzten Jahren haben die absoluten Top-Spieler ihre Zukunft meist selbst in die Hand genommen, indem sie die Verlängerung langfristiger Verträge weit hinauszögerten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Wenn die Vereine keine Ablösesummen zahlen müssen, haben die Spieler eine größere Auswahl an Klubs. Die riesigen Handgelder, die sie und ihre Berater bekommen können, sind ein weiterer finanzieller Pluspunkt.
Die Vereine könnten das einfach akzeptieren. Warum sollten sie Zeit und Geld in die Transfer-Verhandlungen investieren, wenn die Spieler vielleicht bereit sind, bis zum Ablauf ihres Vertrags zu warten? Die Tatsache, dass viele Vereine langfristige Transferpläne haben, hat diese ablösefreien Deals noch häufiger werden lassen.
Transfermarkt im Januar: Es kann noch losgehen
All dies bedeutet jedoch nicht, dass in diesem Januar-Transferfenster garantiert gar nichts mehr passieren wird. Wie immer zu dieser Zeit genügen ein oder zwei Wechsel, um den gesamten Markt in Schwung zu bringen. Und dann bleibt immer noch Zeit für einige Top-Deals.
Vielleicht lässt sich Crystal Palace von seiner schlechten Form in letzter Zeit so sehr verunsichern, dass sie Eddie Nketiah verpflichten - sodass Arsenal dann das Geld hat, um einen Stürmer zu verpflichten. Oder Chelsea entscheidet sich dafür, einen Star ziehen zu lassen, um die Bilanzen auszugleichen.
In diesem Januar hat es immerhin bereits eine Reihe von spektakulären Leihgeschäften gegeben: Jadon Sancho etwa kehrte zu Borussia Dortmund zurück. Und auch Kalvin Phillips könnte endlich Spielzeit bekommen, wenn sein Wechsel von Man City zu West Ham bestätigt wird. Giovanni Reyna wiederum könnte in der Premier League bei Nottingham Forest landen, obwohl andere Vereine ebenfalls an dem US-Spielmacher interessiert sind.
Realistisch betrachtet wird jedoch jeder Fan, der noch in diesem Monat einen Mega-Deal erwartet, wahrscheinlich schwer enttäuscht werden.