Mehr Tore für Real Madrid als Raúl! Der "Baby Galactico" scheiterte trotzdem krachend

Von Leonardo Gualano
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Der hochveranlagte Javier Portillo wird 2004 von Real Madrid an die AC Florenz verliehen. Für seine Karriere ist es der Anfang vom Ende.

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Er erzielte mehr als 700 Tore während seiner Zeit in der Jugendabteilung von Real Madrid, rund 400 davon in offiziellen Spielen. Das sind mehr als die beiden späteren Real-Legenden Emilio Butragueño und Raúl geschafft haben.

Zu diesen bereits außergewöhnlichen Zahlen kommen noch das wunderbare Tor bei seinem Debüt in der Champions League und die 14 Treffer in nur 24 Spielen, die meisten davon als Einwechselspieler, die er in seiner ersten Saison bei den Profis der Königlichen erzielte.

Das ist die Visitenkarte, mit der sich Javier Portillo im Sommer 2004 in Florenz präsentierte. Mit im Gepäck hatte er nicht nur den Ruf eines 22-jährigen Phänomens, das kurz vor dem Durchstarten steht, sondern auch ganz klare Vorstellungen. Für ihn sollte die Fiorentina, die soeben in die Serie A zurückgekehrt war, die ideale Mannschaft sein, in der er sich beweisen und in der er allen zeigen konnte, dass er einen Platz bei Real Madrid verdient hätte.

Er selbst bestätigte dies, als er Spanien verließ. "Für mich ist das eine Gelegenheit, Erfahrungen zu sammeln, bevor ich in der nächsten Saison nach Madrid zurückkehre", sagte er.

Javier Portillo: Fiorentina wittert Transfercoup

Die Fiorentina hatte mit der Verpflichtung des Stürmers einen großen Coup gelandet - auch wenn es nur ein Leihgeschäft war. Real Madrid hatte nicht die Absicht, sich eines außergewöhnlichen Talents berauben zu lassen, das bereits bewiesen hatte, dass es auch auf höchstem Niveau bestehen kann. Die Spanier wussten, dass es für ihn besser wäre, eine Saison lang der zentrale Protagonist zu sein als das Kunststück zu versuchen, sich einen eigenen Platz im Real-Angriff zu erobern, in dem bereits Spieler wie Raúl, Morientes und Ronaldo vertreten waren.

Die richtigen Zutaten für etwas Großes waren also reichlich vorhanden - aber wie so oft im Fußball läuft nicht alles so, wie es die Logik vorgibt.

Als Portillo an den Ufern des Arno landete, waren sich alle einig, dass dies ein lohnenswerter Coup für den Klub war. Allerdings hatte niemand mit ein paar Faktoren gerechnet, die die Sache erschwerten. So gab es in Florenz mit Christian Riganò bereits einen Mittelstürmer, der sich den Status eines absoluten Idols redlich verdient hatte. Außerdem stand an der Spitze der Mannschaft ein großer Name, der sich im Laufe seiner langen Trainerkarriere nie von Etiketten oder hochtrabenden Vorschusslorbeeren hatte beeindrucken lassen: Emiliano Mondonico.

Dieser hatte unmittelbar nach dem Abschluss des Geschäfts angedeutet, dass er vielleicht etwas anderes erwartet hatte. "Ich habe gehört, dass Portillo mit großen Spielern der Vergangenheit wie Gerd Müller oder Paolo Rossi verglichen wird, aber für mich erinnert er an Inzaghi. Er wurde geboren, um Tore zu schießen", sagte "Mondo".

Für Portillo musste also ein Platz in der Mannschaft gefunden werden. Die Fiorentina hatte zudem unter anderem, um die im Umbau befindliche Mannschaft weiter zu verstärken, auch Fabrizio Miccoli verpflichtet, dessen Eigenschaften eigentlich perfekt mit Riganò harmonieren sollten.

Für den "Baby Galactico" Portillo war der Start in Florenz kompliziert. Er musste sich mit einer Art Fußball auseinandersetzen, die er von Real Madrid nicht gewohnt war.

"Ich bin bereit, sowohl mit Riganò als auch mit Miccoli zu spielen, aber wir können auch alle drei spielen. Das Wichtigste für mich ist, dass ich nicht auf der Bank sitze, denn dort leide ich sehr", sagte Portillo.

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Javier Portillo sitzt meist nur auf der Bank

Der Appell stieß auf taube Ohren, obwohl er in seinen ersten beiden Spielen als Stammspieler in der Coppa Italia gegen Como und Verona zweimal traf. In der Liga saß er am ersten Spieltag gegen die Roma auf der Bank, wurde dann nach 45 Minuten gegen Cagliari eingewechselt, kam in den letzten Minuten gegen Palermo zum Einsatz. An seiner Rolle als Einwechselspieler änderte sich auch in den folgenden Wochen nichts.

Auch eine Verletzung von Riganò verhalf ihm nicht zu mehr Spielzeit. Mondonico ersetzte seinen Stürmer Nummer eins durch Enrico Fantini. Für Portillo war Aufgeben aber keine Option: "Ich bin bei einer großartigen Mannschaft und ich bin glücklich. Ich spüre das Vertrauen aller. Ich hoffe, dass ich mehr spielen kann. Ich habe jedoch die Absicht, bis Juni in Florenz zu bleiben."

In der Zwischenzeit kam die Fiorentina in der Meisterschaft nicht in Schwung, was Aufstiegs-Trainer Mondonico den Job kostete. Mit der Ankunft des neuen Trainers Sergio Buso hatten viele das Gefühl, dass jetzt die Zeit für Portillo gekommen sei. Doch das Gegenteil war der Fall. Er kam immer weniger zum Einsatz und erlebte viele Spiele als Zuschauer auf der Bank.

Buso gab ihm keine Chance, auch nicht, nachdem Portillo am 19. Dezember 2004 mit einem Freistoß gegen Chievo sein erstes (und letztlich einziges) Tor in der Serie A schoss. Aus dem Sommerhit wurde ein Flop. Das gefiel selbstverständlich auch Real Madrid nicht. "Wir haben ihn an die Fiorentina ausgeliehen, damit er spielen kann. Wir sind mit dem, was jetzt passiert, nicht zufrieden", sagte der damalige Vize-Präsident Butragueño.

Javier Portillo: Rückkehr zu Real nach sechs Monaten

Nachdem Real in der Winterpause Fernando Morientes an den FC Liverpool verkaufte, hatte der damalige Trainer Vanderlei Luxemburgo eine freie Stelle in seinem Angriff. Sechs Monate nach seiner Ankunft in Florenz ging Portillo daher zurück nach Madrid. Die beiden Vereine hatten kein Problem, sich zu einigen.

Jahre später sprach der 2018 verstorbene Mondonico in einem Interview mit Radio Bruno über das kurze Florenz-Abenteuer von Portillo: "Er war gut, aber er kannte die Abläufe unseres Fußballs nicht und Riganò wurde verrückt, weil er sie ihm erklären musste."

Portillo schaffte es nach seiner Rückkehr nicht, sich bei Real Madrid einen Platz zu erobern und verließ den Verein noch am Ende der Saison 2005/06. Damit begann für ihn eine lange Wanderschaft, die ihn zum FC Brügge, Gimnastic, CA Osasuna, Las Palmas und Hercules Alicante führen sollte.

Überall konnte er sich nicht entscheidend behaupten. Und Ende Dezember 2015 beendete Portillo seine aktive Karriere als Fußballer schließlich.

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