Ruben de la Red wird 2008 mit Spanien Europameister. Wenig später bricht er bei einem Pokalspiel zusammen - und muss dann seine Karriere beenden.
Am 30. Oktober 2008 ist Ruben de la Red ein glücklicher Mann. Er hat alles, was er sich vom Leben erträumt hat: einen Stammplatz im Kader von Real Madrid, einen Europameistertitel mit Spanien in seinem Trophäenschrank - glänzende Aussichten für seine weitere Karriere als Fußballprofi.
Es passt auch zu ihm, dass er in der vierten Runde der Copa del Rey in Irun beim drittklassigen Team von Real Union für die Königlichen auf dem Platz steht. Das ist für ihn kein Ärgernis, sondern eine Chance, die er nutzen kann, um seinem Platz im Real-Team zu behalten. Doch in der 13. Minute dieses Spiels verändert sich sein Leben schlagartig. De la Red hatte sich an einer Offensivaktion von Real beteiligt und war auf dem Weg zurück in Richtung Mittelfeld, als er auf einmal zu Boden ging - unbeweglich und bewusstlos.
Das anfängliche Erstaunen weicht bald dem blanken Entsetzen - bei seinen Mitspielern, seinen Gegnern und den Zuschauern des Spiels. Als ihn das medizinische Personal von Real Madrid auf den Rücken wirft, macht de la Red große Augen. Es ist ein Bild, das einem den Schlaf raubt. Viele befürchten das Schlimmste. Er wird in ein Krankenhaus gebracht und kommt glücklicherweise bald wieder zu Bewusstsein. "Plötzlicher Blutdruckabfall", lautet die erste Diagnose. De la Red verlor für weniger als eine halbe Minute das Bewusstsein. Aus großer Angst wird vorsichtiger Optimismus. Dies erweist sich jedoch als vorschnell und falsch.
In den folgenden Wochen wurde de la Red von mehreren Spezialisten untersucht. Anfang Dezember 2008 teilte das medizinische Personal von Real Madrid mit, dass der Mittelfeldspieler "eine akute Belastungssynkope kardiologischen Ursprungs aufgrund von Repolarisationsstörungen" hatte. Übersetzt heißt das: Er wird dem Spielfeld fernbleiben müssen - zumindest für eine Weile, so ist er sich zunächst sicher. Doch gerade als es so aussieht, als könnte er wieder mit der Mannschaft trainieren, beginnt sich die Genesungszeit unverhältnismäßig in die Länge zu ziehen. Und die Aussicht, nie wieder Fußball spielen zu können, wird immer konkreter.
Für Ruben de la Red beginnt eine Tortur
"Das ist ein mögliches Szenario. Im Moment möchte ich aber nicht darüber nachdenken. Ich hoffe, dass eines Tages klar sein wird, was mit mir los ist, und dass eine Lösung gefunden wird, damit ich wieder spielen kann", sagte de la Red im September 2009.
Es begann eine Tortur, die für de la Red etwas länger als ein Jahr dauerte - ein Jahr zwischen Untersuchungen, Hoffnungen und Enttäuschungen. Bis zu der Ankündigung, die jeder Illusion ein Ende setzt: De la Red kann nicht mehr professionell Fußball spielen. Die Möglichkeit eines Rückfalls ist zu riskant. Der Spieler nahm es zunächst nicht gut auf, widersprach sogar öffentlich dem medizinischen Personal von Real Madrid, akzeptierte dann aber mühsam die Realität. Am 4. November 2010 gab er auf einer Pressekonferenz unter Tränen offiziell seinen Abschied vom Wettkampfsport bekannt.
"Ich möchte mich bei allen für die Unterstützung bedanken, die ich erhalten habe. Seit dem Tag der Erkrankung bis heute habe ich das Trikot von Real Madrid nicht mehr getragen: Die Ärzte raten mir davon ab. Madrid ist die Mannschaft, in der ich mich entwickelt habe, und heute gebe ich meinen Rücktritt vom Fußball bekannt. Ein Herzproblem zwingt mich dazu", sagte er dort.
Ruben de la Red muss mit 25 aufhören
Als er die große Fußballbühne verlässt ist er erst 25 Jahre alt. Zu diesem Zeitpunkt liegt eine glänzende Karriere hinter ihm. Er war ein eleganter zentraler Mittelfeldspieler, der es verstand, den Ball zu behaupten. Er war erst 19 Jahre alt, als er 2004 sein Debüt in der ersten Mannschaft von Real Madrid gab und damit den Höhepunkt eines Aufstiegs erreichte, der in der Cantera, dem Nachwuchs von Real Madrid, begann.
Er war gerade 20 Jahre alt, als er sein Debüt in der Primera Division gab. Im damaligen Team der Königlichen war wenig Platz, denn die meisten "Galaktischen" vom Anfang des Jahrtausends waren immer noch dabei: Beckham, Raul, Zidane, Ronaldo. Deshalb war es für einen Jugendlichen aus dem eigenen Nachwuchs gar nicht so einfach, sich einen angemessenen Platz zu ergattern.
Und so kam es, dass eine Ausleihe sein Leben veränderte. 2007 wurde de la Red für eine Saison nach Getafe geschickt. Nicht, um sich zu profilieren, sondern um Spanien zu verblüffen. Er und die gesamte Mannschaft von Trainer Michael Laudrup erlebten das beste Jahr ihrer Geschichte: Sie erreichten das Finale der Copa del Rey, verloren dann gegen Valencia und standen im Viertelfinale des UEFA-Pokals gegen den FC Bayern München vor der Sensation, bevor sie in den letzten Minuten der Verlängerung zweimal von Luca Toni bestraft wurden. Vom 3:1, das das Halbfinale wert gewesen wäre, zum 3:3.
Ruben de la Red war Dreh- und Angelpunkt bei Getafe
De la Red war der zentrale Dreh- und Angelpunkt dieser Mannschaft. Im schmerzhaften Rückspiel gegen die Bayern sah er bereits in der 6. Spielminute nach einer Notbremse die Rote Karte. Aber Laudrup schenkte ihm immer Vertrauen, sowohl in der Liga als auch im UEFA-Cup.
Am Ende der Saison 2007/08 wurde de la Red in die spanische Nationalmannschaft berufen - die große Nationalmannschaft, nicht mehr die U19, mit der er bereits 2004 Europameister geworden war. Nationaltrainer Luis Aragones berief ihn kurz vor der Europameisterschaft 2008 ein paar Mal ein. Er stellte ihn in Freundschaftsspielen auf, testete ihn, nahm ihn ernst. Und dann nahm er ihn überraschenderweise in die Liste der EM-Spieler auf.
De la Red saß in Österreich und der Schweiz praktisch immer auf der Bank - außer einmal. Gegen Griechenland, im dritten Spiel der Gruppenphase, hatte Spanien die Qualifikation bereits in der Tasche und Aragones setzte auf die zweite Reihe, unter anderem auf den Spieler des FC Getafe. Eine halbe Stunde vor Spielende, als die Griechen nach einem Tor von Angelos Charisteas mit 1:0 in Führung lagen, ließ de la Red dem griechischen Torwart mit einem Schuss von der Strafraumgrenze keine Chance. Es war sein erstes Tor im spanischen Nationaltrikot und sollte auch sein einziges bleiben. Am Ende stand es 2:1 für Spanien.
Ruben de la Red wird mit Spanien Europameister
Nach diesem rasanten Erlebnis hatte de la Red schnell wieder Boden unter den Füßen. Er setzte sich in den kommenden Spielen wieder auf die Bank und kam nicht mehr zum Einsatz. Nach Siegen gegen Italien, Russland und im Finale gegen Deutschland wurde Spanien Europameister - auch de la Red, der sich mit dieser Auszeichnung der spannendsten Herausforderung seiner Karriere stellte: der unvermeidlichen Rückkehr zu Real Madrid.
Das Wiedersehen hatte etwas von einem Märchen. Auf der Bank von Real saß Fabio Capello. Das zweite offizielle Spiel der Saison 2008/09 war das Rückspiel im spanischen Superpokal gegen Valencia - die Mannschaft, die einige Wochen zuvor Getafe im Finale der Copa del Rey geschlagen hatte. Das Hinspiel endete 3:2 und so kam alles auf das Rückspiel an. De la Red stand im Bernabeu nicht in der Startelf, anders als noch einige Tage zuvor. In der 80. Minute wurde er für Guti eingewechselt und hinterließ drei Minuten vor dem Ende seine Spuren: ein zurückgewonnener Ball im Mittelfeld, ein Vorstoß bis 20 Meter vor das gegnerische Tor und ein herrlicher Rechtsschuss, an den der deutsche Valencia-Keeper Timo Hildebrand nicht herankam. Es war das Tor zum 3:1. Real erzielte noch ein Tor, gewann schließlich mit 4:2 und holte sich den Pokal.
Es sah aus wie der Beginn einer Erfolgsserie. De la Red gewann die Wertschätzung von Capello, der ihn zwischen September und Oktober in allen Wettbewerben sechsmal hintereinander von Beginn an aufstellte. Dann ging aber das Licht aus und es blieb nur noch Dunkelheit: Der Abend in Irun.
"Es fühlt sich an wie gestern", sagte er dem Portal 20min.es am 30. Oktober 2018, genau ein Jahrzehnt nach dem tragischen Unfall, "in diesem Moment hat sich mein Leben verändert. Am Anfang ist da die Angst, nicht mehr spielen zu können. Zwei Jahre vergingen, ich war jung, ich fühlte mich verloren in einer so ernsten Situation, einer so drastischen Veränderung. Aber das sind Dinge, die dich als Person stärken. Ich habe das Video von diesem Moment mehr als einmal gesehen, ich musste es auch meinen Kindern zeigen, sie mussten verstehen, was geschehen war. Einer von ihnen kam einmal weinend nach Hause: Sie hatten ihm gesagt, dass mein Herz stehen geblieben war. Bei allen Untersuchungen, denen ich mich unterzog, wurde nichts Abnormales festgestellt."
Der Europameister, der im Alter von 25 Jahren zurücktrat, war danach Trainer und ist jetzt als Experte tätig. Real Madrid gab ihm sofort eine Chance, in der Jugendabteilung zu arbeiten. 2015 kehrte er nach Getafe zurück, um dort die zweite Mannschaft zu trainieren. Heute lebt er in Dubai und ist Mitarbeiter von Al Nasr.
Ruben de la Red: Stationen seiner Karriere
Jahr | Verein | Pflichtspiele | Tore |
2004-2007 | Real Madrid | 16 | 1 |
2007-2008 | FC Getafe | 49 | 9 |
2008 | Real Madrid | 11 | 2 |