Ex-BVB-Torwart Zlatan Alomerovic im Interview - "Nach Klopps Ansprache dachte ich: Ich bin der Geilste!"

Von Philipp Schmidt
Alomerovic bezeichnet Klopp als "außergewöhnlichen Trainer und Menschen".
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Was dachten Sie, als Sie Kielce das erste Mal hörten?

Alomerovic: Mein guter Kumpel Antonio Colak spielte ein Jahr zuvor in Gdansk und schwärmte mir von Polen und der Infrastruktur vor. Ich kannte Kielce nur aufgrund des erfolgreichen Handball-Klubs. Mir ging es ja vor allem darum, wieder zurück ins Leben als Profi zu kommen. Dafür wäre ich auch nach Usbekistan gegangen.

Ein wichtiger Grund dürfte auch die Tatsache gewesen sein, dass Kielce in der 1. Liga spielt, oder?

Alomerovic: Klar. 1. Liga, Pay-TV, jedes Spiel wird live übertragen - das war einfach eine geile Aufgabe. Mein Plan war, Vollgas zu geben, die Nummer eins zu werden und den Leuten in Deutschland zu beweisen, dass sie einen Fehler gemacht haben.

Sie waren dann auch Stammtorwart, absolvierten 25 Spiele und beendeten die Saison auf einem starken sechsten Platz. Warum gingen Sie bereits nach einem Jahr zu Lechia nach Gdansk?

Alomerovic: Ich hatte in Kielce keine großen Ansprüche gestellt und einen Einjahresvertrag mit Option auf ein zweites Jahr unterschrieben, wenn ich eine bestimmte Anzahl an Spielen erreiche. Der Plan war, dass ich in der zweiten Saison etwas mehr verdiene, wenn ich mich durchsetze. Wir erreichten dann kurz vor Saisonende die Playoffs und mir fehlten zwei Spiele, damit die Klausel greift. Auf einmal hieß es, man möchte jetzt den dritten Torhüter testen. Da wusste ich natürlich, wie der Hase läuft und mir war klar, dass ich nicht bleiben möchte. Wenn man eine solche Klausel in einem Vertrag zulässt, dann muss man auch die Courage haben, dazu zu stehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Lechia auch bereits angefragt, daher war die Sache schnell erledigt.

Lechia Gdansk landete in der Vorsaison nur auf Rang 13. Hört sich auf den ersten Blick nach einem Rückschritt an.

Alomerovic: Für mich war es vielmehr eine Chance. Ich wurde bei Kielce zu einem der drei besten Keeper der Liga gewählt. Lechia erwischte aus diversen Gründen eine schlechte Saison, ist ansonsten aber einer der Top-Vereine des Landes, der im oberen Drittel mitspielen muss.

Alomerovics Rolle in Gdansk: " Für eine echte Nummer eins zu wenig Spiele"

Stammtorhüter in Gdansk sind Sie jedoch nicht, meist steht Konkurrent Dusan Kuciak im Kasten. Wie bewerten Sie diese Situation?

Alomerovic: Ich würde sagen: Für eine klassische Nummer zwei habe ich zu viele Spiele und für eine echte Nummer eins zu wenige gemacht. Ich habe mir während meiner Zeit der Vereinslosigkeit eine gewisse Lockerheit angeeignet. Ich sehe mich hier als Teil einer Mannschaft, in der jeder seine Rolle hat. Im letzten Jahr gewannen wir den Pokal, ich habe die meisten Spiele gemacht und auch das Finale gespielt. Alles in allem ist das also schon in Ordnung.

Sehnen Sie sich aber nicht danach, einmal zwei oder mehrere Jahre am Stück als Stammkeeper im Tor zu stehen?

Alomerovic: Das wäre natürlich die Idealvorstellung. Mein Papa hat schon früher immer gesagt: 'Warum willst du Torhüter werden, dort hat doch jede Mannschaft nur eine Position frei?' Ich habe hier auch einmal sechs Spiele am Stück gemacht und meist gute Leistungen gebracht. Als ich wieder raus musste, wollte ich auch gar nicht die Begründung des Trainers hören.

Der Pokalsieg ging in Deutschland eher unter. Größeres Interesse rief im September 2019 das Pokalspiel beim Drittligisten Gryf Wejherowo hervor, als Sie von gegnerischen Fans mit Leuchtraketen beschossen und nur knapp verfehlt wurden. Was war da los?

Alomerovic: Man muss wissen: Etwa 30 Kilometer entfernt von Gdansk liegt Gdynia und zwischen Lechia und dem dortigen Klub Arka Gdynia herrscht eine große Rivalität. Unser Pokalgegner kam aus der Nähe von Gdynia, dort wohnen also auch viele Arka-Anhänger. Es war zunächst ein typisches Pokalspiel auf holprigem Platz und Bratwurst-Geruch in der Nase. 50 Leute haben ein bisschen Stimmung gemacht und sind irgendwann die auf die Idee gekommen, Leuchtraketen abzuschießen. Einer hat das wohl nicht vernünftig hingekriegt und eine Rakete ist dann direkt auf mich zugeflogen. Das war schon ein Schreckmoment, anschließend konnte ich mich auch nicht mehr konzentrieren. Die Sicherheit war nicht mehr wirklich gegeben, aber der Ordnungsdienst hat nichts dagegen unternommen.

Sie sind seit knapp drei Jahren in Polen. Wie haben Sie sich privat zurechtgefunden?

Alomerovic: Kielce war schon klein und bot nicht viele Möglichkeiten. Gdansk ist dagegen der Jackpot. Es gibt einen Flughafen, die Ostsee, den Strand, die Wälder, eine wunderschöne Altstadt und ein geiles Stadion für über 40.000 Zuschauer. Viele Deutsche fahren an den deutschen Teil der Ostsee, aber auf der anderen Seite der Grenze ist es genauso schön. Die Unterschiede zwischen Polen und Deutschen sind gar nicht so groß. Sie sind harte und disziplinierte Arbeiter, trinken vielleicht manchmal ein Bierchen mehr - aber sie vertragen es auch besser. (lacht)

Alomerovic: Fußball in Polen "ist keine Landesliga"

Mit welchen Ihrer ehemaligen Mitspieler beim BVB stehen Sie heute noch in Kontakt?

Alomerovic: Mit Milos Jojic, Lukasz Piszczek und Kuba Blaszczykowski tausche ich mich gelegentlich aus. Ansonsten kommentiere ich auch mal ein Foto von Mats Hummels und bekomme dann eine Antwort, aber es hat ja auch jeder sein Privatleben und seine Familie.

Sie haben kürzlich Ihren Vertrag in Gdansk bis 2023 verlängert. Was in Ihrer Vita bislang fehlt, sind Spiele auf internationalem Parkett. Was haben Sie noch vor in Ihrer Karriere?

Alomerovic: Im Fußball weiß man ja nie, ob sich nicht doch schon vor Vertragsende etwas ändert. Ich habe 2019 vor großer Kulisse und wunderschönen Choreographien das Pokalfinale gespielt. Wir waren auch in der Europa-League-Qualifikation mit dabei und spielen immer um eine Trophäe. Das ist nur in der Ekstraklasa möglich. Als ich noch in Deutschland war, habe ich mir auch keine Gedanken über das Ausland abseits der Top-5-Ligen gemacht. Doch das hier ist keine Landesliga. Hier fand die EM 2012 statt, die Stadien sind richtig gut. Ich kann auch hier meine Ziele erreichen.

Zlatan Alomerovic: Statistiken bei seinen Stationen

VereinSpieleGegentoreZu-Null-SpieleMinuten
Lechia Gdansk (seit 2018)232482.100
Korona Kielce (2017/18)252992.250
FCK (2015/16)14/90
BVB II (2010-2015)112148349.938