"Teamkollegen haben mich ausgelacht"

Von Interview: Torsten Adams
Thomas Cichon (l.) spielt seit Anfang September für die Moroka Swallows in Südafrika
© Getty

Thomas Cichon hat für den 1. FC Köln mehr als 130 Bundesliga-Spiele absolviert. Vor wenigen Wochen wechselte er in die südafrikanische Profiliga und dirigiert nun als Abwehrchef die Moroka Swallows.

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Im Interview mit SPOX spricht der 33-Jährige über seine Erfahrungen im WM-Gastgeberland, den südafrikanischen Fußball, den Fortschritt der WM-Stadien und Security-Leute, die seine Hauseinfahrt bewachen.

SPOX: Herr Cichon, Sie sind vor rund zehn Wochen nach Südafrika gezogen. Haben Sie sich im WM-Land 2010 gut eingelebt?

Thomas Cichon: Nach ein paar Startschwierigkeiten läuft es jetzt super. Ich habe acht Wochen auf meine Arbeitsgenehmigung warten müssen und durfte nicht spielen. Das war sehr schade - für den Verein und für mich. Nun ist sie aber da und ich kann für die Swallows auflaufen.

SPOX: Wie sind Ihre bisherigen Eindrücke von Land und Leuten?

Cichon: Ich habe es hier sehr gut angetroffen. Die Menschen sind sehr herzlich, ich wurde prima aufgenommen und habe vier Tage nach meiner Ankunft ein schönes Appartement in Bedfordview bezogen, einem Vorort von Johannesburg.

SPOX: Wie kam der Kontakt zu den Moroka Swallows zustande?

Cichon: Rainer Zobel (Trainer der Moroka Swallows; Anm. d. Red.) hatte mich angerufen und gefragt, ob ich mir ein Engagement vorstellen könnte. Natürlich habe ich nicht direkt zugesagt, war allerdings auch nicht abgeneigt. Ich bin dann kurzfristig nach Johannesburg geflogen, habe mir die Umgebung angeschaut und mit den Verantwortlichen gesprochen. Die Rahmenbedingungen haben gepasst, also habe ich unterschrieben.

SPOX: Wären Sie auch ohne Rainer Zobel nach Südafrika gegangen?

Cichon: Ich denke nicht. Der Kontakt wäre ohne ihn wohl nicht zustande gekommen. Außerdem hätte mir besonders zu Beginn die Unterstützung in diesem fremden Land gefehlt.

SPOX: Ihre Familie lebt weiterhin in Deutschland. Hat sie Ihnen vom Wechsel nach Südafrika abgeraten?

Cichon: Meine Familie stand voll hinter der Entscheidung und ich bekomme oft Besuch von ihr.

SPOX: Dennoch liegen zwischen Essen und Johannesburg knapp 9000 Kilometer Luftlinie. Wie halten Sie Kontakt zu Ihrer Familie?

Cichon: Skype, Telefon und E-Mail. Das sind die drei Möglichkeiten, in Kontakt zu bleiben. Einfach mal so fliegt man natürlich nicht nach Südafrika. Aber wenn es sich anbietet, bleiben meine Freunde und Familie auch schon mal für längere Zeit hier. Und das lohnt sich absolut. Es ist ein sehr interessantes Land, das man in aller Ruhe erkunden muss.

SPOX: Wie viel haben Sie schon von Südafrika gesehen?

Cichon: Eine ganze Menge. Wir haben in Kapstadt gespielt, da waren wir drei Tage lang. Demnächst geht es nach Durban. Wir spielen samstags, ich bleibe aber mit Freunden und Familie bis Sonntagabend dort. So lernt man das Land auch während der Liga-Spiele kennen. Wir haben zudem Unternehmungen zu Elefantenparks und Straußenfarmen gemacht. Das sind sehr viele schöne Eindrücke, die hier auf einen einprasseln. Überhaupt nicht zu vergleichen mit Europa.

SPOX: Anders als in vielen europäischen Großstädten ist die Kriminalitätsrate in Johannesburg extrem hoch. Wie gehen Sie mit dem Thema Sicherheit um?

Cichon: Es gab in der kompletten Zeit, in der ich hier bin, keine einzige Situation, in der ich mich unsicher fühlte. Natürlich muss man sich an gewisse Spielregeln halten. Man sollte nachts beispielsweise nicht alleine durch Soweto (Township von Johannesburg; Anm. d. Red.) laufen.

Südafrika: "Das gefährlichste Land der Welt"

SPOX: Wie sehen die Sicherheitsvorkehrungen im Speziellen aus?

Cichon: In Bedfordview ist jeder Gebäudetrakt gesichert. Um unseren Wohnkomplex befindet sich eine hohe Mauer mit einem Elektrozaun darauf. Ich habe eine Voreinfahrt zu meinem Haus, die von zwei Security-Leuten bewacht wird. Wenn eine unbekannte Person dort hindurch will, dann bekomme ich einen Anruf und kann entscheiden, ob sie Zugang bekommt oder nicht. Aber alles halb so dramatisch, wie es sich anhört. In den deutschen Medien wurde ja schon berichtet, man brauche hier Schusswesten, wenn man einkaufen will. Das ist absolut lächerlich. Wir Deutschen übertreiben es gerne mit solchen Sachen. Meine Mannschaftskameraden haben mich dafür schon ausgelacht.

SPOX: Neben den Sicherheitsbedenken interessiert die Öffentlichkeit der Fortschritt der WM-Stadien. Wie weit ist der Bau vorangeschritten?

Cichon: Die WM-Stadien sind alle schon zu 99 Prozent fertig. Was fehlt, sind die Zugangswege. Das wird aber bis zum Beginn der WM kein Problem sein. Generell liegt der Fokus der Baumaßnahmen nun auf der Infrastruktur. Ob Autobahnen, Hotelkomplexe oder am Airport, überall wird gebaut. Anders als bei den Stadien habe ich da ab und an die Befürchtung, dass nicht alles rechtzeitig fertig gestellt wird.

SPOX: 2006 in Deutschland gab es fast keine organisatorischen Probleme und die Vorfreude war schon lange vor dem eigentlichen Event zu spüren. Ist auch bei den Südafrikanern bereits eine WM-Euphorie ausgebrochen?

Cichon: Man merkt schon, dass die WM noch rund 200 Tage entfernt ist. Die Euphorie bei den Einheimischen ist noch nicht richtig zu greifen. Auch weil die Auftritte der Bafana-Bafana in letzter Zeit nicht gerade Anlass zu großer Begeisterung gegeben haben. Momentan bestimmt der kürzlich vollzogene Trainerwechsel die Medien.

SPOX: Die Nationalmannschaft kommt noch nicht so richtig in Tritt. Wie sieht es denn in der Profiliga aus? Wie sind Ihre bisherigen Eindrücke vom südafrikanischen Vereinsfußball?

Cichon: Individuell sind die Teams hier sehr gut bestückt, Talent ist auf jeden Fall vorhanden. Viele junge Südafrikaner zeichnen sich durch ihre hohe Schnelligkeit und feine Technik aus. Generell fehlt allerdings etwas die Ruhe und Ordnung im Spiel. Es wird zwar schnell nach vorne gespielt, dadurch entstehen aber auch viele unnötige Ballverluste.

SPOX: Sie belegen aktuell mit den Swallows den neunten Tabellenplatz. Wie groß ist das Leistungsgefälle innerhalb der Liga?

Cichon: Für ganz nach oben reicht es noch nicht. Dafür sind Teams wie die Orlando Pirates oder die Kaizer Chiefs einfach noch zu stark. Die beiden Klubs könnten durchaus in der Bundesliga bestehen. Das große Handicap der Teams hier ist das Toreschießen. Ihnen fehlt die Abgebrühtheit und Kaltschnäuzigkeit im Abschluss. Die meisten Vereine würde ich von der Leistungsstärke her in der 2. Bundesliga ansiedeln.

SPOX: Die Teams der deutschen 2. Liga haben teilweise eine hervorragende Infrastruktur und trainieren unter erstligatauglichen Bedingungen. Kann man das auch von den Moroka Swallows sagen?

Cichon: Wenn ich von den Trainingsbedingungen nicht überzeugt gewesen wäre, wäre ich nicht hierher gewechselt. Die sanitären Anlagen sind einwandfrei, uns stehen fünf verschiedene Trainingsplätze zur Verfügung. Und wir haben einen super modernen Kraftraum, wie ich vorher noch nie einen gesehen habe.

SPOX: Sie haben einen Vertrag bis Sommer 2010 unterschrieben. Wie sieht Ihre Zukunftsplanung aus?

Cichon: Vor meinem Wechsel habe ich in Deutschland noch die Trainer-B-Lizenz gemacht. Deswegen bin ich auch nicht eher gewechselt. Wenn ich zurück nach Deutschland komme, möchte ich die A-Lizenz machen und will im Trainer-Bereich einsteigen. Vorher möchte ich aber noch solange spielen, wie es mir Spaß macht. Und das tut es momentan ungemein.

Thomas Cichon im Steckbrief