DFB-Star Turid Knaak: Zwischen Doktorarbeit und WM-Debüt

Von Dennis Melzer
Turid Knaak will mit dem DFB-Team bei der WM für Furore sorgen.
© Nike

Turid Knaak steht erstmals im WM-Kader. Dabei unterscheidet sie sich zu vielen ihrer Kolleginnen: Neben dem Fußball schreibt sie ihre Dissertation.

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"Kaum zu glauben, dass das schon wieder vier Jahre zurückliegt", schreibt Turid Knaak bei Instagram unter ein ganz besonderes Foto, das sie mit dem Hashtag "Time flies" versehen hat. Es zeigt die Mittelfeldspielerin Arm in Arm mit drei deutschen Arsenal-Profis, mit dem weltmeisterlichen Trio Per Mertesacker, Lukas Podolski und Mesut Özil. Sie strahlt der Kamera entgegen, ist sichtlich stolz. Nicht nur, weil drei Größen des Männerfußballs neben ihr posieren, sondern auch, weil sie selbst das Dress der Gunners trägt.

Zwei Monate lang spielte Knaak auf Leihbasis beim Londoner Spitzenklub, kam währenddessen im WSL Cup gegen die London Bees sogar zu zwei Treffern, ehe sie später wieder zurück zu ihrem eigentlichen Arbeitgeber Bayer Leverkusen kehrte, für den sie insgesamt sechs Jahre auflaufen sollte.

Seit vergangenem Jahr spielt sie wieder in ihrer Geburts- und Heimatstadt Essen, bei der SGS in der Bundesliga. Im Sommer wird sie erstmals bei einer Weltmeisterschaft dabei sein, wenn der DFB-Tross Richtung Frankreich zieht, um den großen Traum vom dritten WM-Titel der deutschen Damenfußball-Geschichte zu verwirklichen.

Schien- und Wadenbeinbruch bremste Knaak aus

"Das Erlebnis ist das eine, aber man nimmt nie an einem Turnier teil, ohne gewinnen zu wollen", sagte Knaak jüngst im Interview mit der Deutschen Welle und ergänzte: "Die Konkurrenz ist natürlich groß. Aber Deutschland ist eine Nation, die immer die Chance hat, so ein Turnier zu gewinnen." Mit mittlerweile 28 Jahren zählt sie zu den - alterstechnisch - erfahreneren Spielerinnen im Kader von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, für die Nationalmannschaft lief sie bislang allerdings nur achtmal auf. Und das, obwohl sie bereits 2015 in die A-Auswahl berufen wurde. Doch eine schwere Verletzung sollte die ambitionierte Edeltechnikerin jäh ausbremsen.

"Das waren zwei Wochen mit Höhen und Tiefen direkt hintereinander", erinnerte sie sich im Gespräch mit DAZN und Goal im Rahmen eines Events ihres Ausstatters Nike. Knaak führte aus: "Ich war das erste Mal bei der Nationalmannschaft eingeladen. Ich habe zwar nicht debütiert, aber war immerhin das erste Mal dabei. Dann bin ich zum Verein zurückgekehrt, wir hatten direkt ein Testspiel. Ich bin von der gegnerischen Torhüterin umgetreten worden, zog mir einen Schien- und Wadenbeinbruch zu und bin ein Jahr lang ausgefallen."

Fast zwei Jahre habe sie im Anschluss gebraucht, um sich wieder heranzukämpfen. Dass sich die harte Arbeit, die Knaak in ihr Comeback steckte, in einer WM-Teilnahme münden würde, schien dennoch unwahrscheinlich. "Es gab Leute, die gesagt haben, dass ich nie wieder das Niveau erreichen werde, das ich mal hatte. Das war ein Schlag für mich", sagte sie. "Jetzt habe ich die Chance bekommen. Es freut mich, diesen Schritt so spät in der Karriere noch machen zu können", freute sie sich bei DW. "Ich werde alles geben, um möglichst viel Einsatzzeit zu bekommen. Mehr kann ich nicht tun."

Zwischen Doktorarbeit, Hörsaal und Fußballplatz

Am Ehrgeiz sollte es jedenfalls nicht scheitern, zeigt Knaak ihre Fleißbereitschaft nämlich nicht bloß auf, sondern auch neben dem Fußballplatz. Sie arbeitet derzeit an ihrer Dissertation zum Thema Rechtschreibförderung, gibt zudem an der Universität Köln Seminare als Dozentin im Bereich Sonderpädagogik. "In der Nationalmannschaft bin ich mit meiner Arbeit natürlich eher die Ausnahme, zusammen mit ein, zwei anderen. Aber in der Bundesliga gehen schon noch einige Spielerinnen nebenher arbeiten."

Im Gegensatz zu den hochbezahlten Profis im Männerbereich wird Knaak und ihren Kolleginnen wird das Privileg, nach der Laufbahn weitestgehend finanziell abgesichert zu sein, nicht zuteil. "Als Frauenfußballerin muss man eben auch gucken, dass man sich etwas aufbaut. Ich denke, man kann die Zahl der Spielerinnen, die richtig gut verdienen und nahe daran sind, ausgesorgt zu haben, an zwei Händen abzählen.

Das sind die absoluten Topspielerinnen, etwa in den USA. Aber in Deutschland können nur sehr wenige Frauen vom Fußball leben und hinterher darauf verzichten, arbeiten zu gehen", sagte sie. Dementsprechend laufen die Planungen für die Zeit nach dem Fußball bereits auf Hochtouren. "Dann möchte ich als Lehrerin arbeiten."

Noch ist es aber nicht so weit, noch geht Knaak ihrer großen Leidenschaft nach. "Als ich nach der Verletzung gemerkt habe 'okay, es geht langsam wieder und es wird gut', habe ich noch einmal richtig erkannt, wie wichtig mir der Fußball ist und wie viel ich im Fußball erreichen möchte und auch noch kann." Das Größtmögliche, das es zu erreichen gilt, könnte schon in wenigen Wochen Realität werden. Den WM-Pokal in den Himmel von Lyon strecken. Mertesacker, Podolski und Özil wären sicherlich stolz auf ihre ehemalige "Mitspielerin".

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