EM

Niederlande - Tschechien 0:2: Faustdicke Überraschung! Schick und Co. werfen die Niederlande raus

Von Stefan Zieglmayer
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© getty

Tschechien steht im EM-Viertelfinale. Gegen den Mitfavoriten Niederlande setzte sich der Außenseiter mit 2:0 (0:0) durch. Am kommenden Samstag wartet nun Dänemark in der Runde der letzten Acht.

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Die Mannschaft mit der höchsten Fehlpassquote, die Mannschaft mit den wenigsten Großchancen: Tschechien galt vor dem Achtelfinale gegen die Niederlande als krasser Außenseiter.

Dank einer geschlossenen und taktisch intelligenten Mannschaftsleistung belehrte das Team um Leverkusen-Stürmer Schick die Kritiker eines Besseren. Mitentscheidend dafür war die Rote Karte von Juventus-Star de Ligt, der den Ball als letzter Mann nach einem Ausrutscher mit der Hand spielte. "Wir haben praktisch wegen mir verloren", klagte de Ligt anschließend gegenüber NOS TV. "Ich hätte den Ball nicht aufspringen lassen dürfen. Ich fühle mich verantwortlich", gab er zu.

"Das ist wirklich verrückt. Das hätte niemand gedacht, dass wir das schaffen und so weit kommen. Wir sind unglaublich glücklich", sagte Schick. Tschechien habe "vielleicht nicht die großen Stars, aber einen wahnsinnigen Teamspirit" gezeigt und "wie die Löwen" gekämpft.

Für die Niederlande endet das Turnier nach starker Gruppenphase und aufkeimender Hoffnung im Land unerwartet früh. "Von der Roten Karte konnten wir uns nicht erholen. Wir verloren sehr schnell den Ball. Wir haben zu wenig geleistet", sagte Oranje-Kapitän Wijnaldum dem niederländischen TV-Sender NOS: "Irgendwie sind wir nicht damit klargekommen, wie sie uns unter Druck gesetzt haben. Es ist sehr schmerzhaft."

"Wir haben alle einen großen Kater. Wir müssen über alles nachdenken", sagte Bondscoach Frank de Boer, der seine Zukunft offen ließ: "Man sollte jetzt keine Entscheidungen treffen. Ich werde diese bittere Pille schlucken."

Niederlande - Tschechien: Die Analyse

Das große Spektakel war in Budapest zunächst nicht geboten. Die Niederlande hatte ungewohnte Probleme im Spielaufbau gegen taktisch disziplinierte und leidenschaftlich kämpfende Tschechen.

Der Außenseiter provozierte durch intensive Manndeckung der Aufbauspieler de Jong und Blind ein sehr vertikales Spiel der Niederländer. Gleichzeitig stand die tschechische Mannschaft so tief, dass sie die vielen Pässe der Niederländer in die Tiefe einfach abfing (20 Prozent Fehlpassquote in Halbzeit eins). Es waren die Momente, auf die Tschechien drängte, um durch schnelles Umschalten in die Offensive zu Abschlüssen zu kommen. Soucek (22.) und Barak (38.) scheiterten jedoch knapp.

Die Partie wurde zum Geduldspiel für die Niederländer. Malen vergab nach Vorarbeit von Depay freistehend vor Vaclik die bis dahin größte Chance des Favoriten (51). Kurz darauf flog Abwehrchef de Ligt nach einem Handspiel als letzter Mann mit glatt Rot vom Platz.

De Boer brachte Promes für Malen und stellte vom 3-5-2 auf ein 4-4-1-System um. Tschechien wurde in Überzahl mutiger. Kaderabek vergab zunächst kläglich (64.), Holes traf nach einem Freistoß nahe der rechten Eckfahne per Kopf zum 1:0. Schick legte in der 80. Minute mit seinem vierten EM-Tor nach.

Eine Schlussoffensive der Niederländer blieb trotz der Einwechslung von Wolfsburg-Stürmer Weghorst aus.

Niederlande - Tschechien: Die Aufstellungen

Niederlande: Stekelenburg - de Vrij, de Ligt, Blind (82. Timber) - Dumfries, F. de Jong, de Roon (73. Weghorst), van Aanholt (81. Berghuis) - Wijnaldum - Depay, Malen (57. Promes) - Trainer: Frank De Boer.

Tschechien: Vaclik - Coufal, Celustka, Kalas, Kaderabek - Sevcik (85. Hlozek), Soucek - Masopust (79. Jankto), Holes (86. Kral), Barak - Schick - Trainer: Jaroslav Silhavy.

Niederlande - Tschechien: Die Daten des Spiels

Tore: 0:1 Holes (68.), 0:2 Schick (80.)

Rote Karte: de Ligt (55./Handspiel)

  • Nur ein einziger Torschuss in der ersten Halbzeit, die zweitwenigsten in einem Spiel bei dieser EM.
  • De Ligts Rote Karte war die erste für die Niederlande in einem EM-Spiel seit John Heitingas Platzverweis bei der EM 2004 - auch damals spielte die Elftal gegen Tschechien.
  • De Ligt ist der jüngste Spieler, der in einem EM-K.o.-Spiel des Feldes verwiesen wurde (21 Jahre, 319 Tage) und überholte damit Gianluca Zambrotta, der bei der EM 2000 im Halbfinale gegen die Niederlande vom Platz flog (23 Jahre, 131 Tage).
  • Nur Milan Baros (5) hat bei großen Turnieren mehr Tore für die Tschechische Republik erzielt als Patrik Schick (4).
  • Die Niederlande haben zum ersten Mal seit November 2013 (gegen Kolumbien) keinen einzigen Schuss aufs Tor in einem Spiel abgegeben.

Der Star des Spiels: Tomas Holes (Tschechien)

Der erste Tscheche seit Jan Koller und Milan Baros (2004), der in einem EM-Spiel ein Tor und eine Vorlage beisteuert. Zudem im zentralen Mittelfeld mit seiner Zweikampfquote von über 72 Prozent enorm wichtig. Neun Balleroberungen sind Bestwert aufseiten der Tschechen.

Der Flop des Spiels: Georginio Wijnaldum (Niederlande)

Von seiner Omnipräsenz war gegen Tschechien nichts mehr zu sehen. Wijnaldum war bei Soucek und Holes komplett abgemeldet, war in den 90 Minuten nur 26-mal am Ball, spielte fünf von 15 Pässen zum Gegner und verlor zu allem Überfluss auch noch das Kopfballduell gegen Vorlagengeber Kalas vor dem 0:1.

Der Schiedsrichter: Sergey Karasev (Russland)

Guter Auftritt des 42-Jährigen. Leitete die Partie ruhig und griff in den richtigen Momenten zur Gelben Karte. Auch die Rote Karte nach Hinweis des VAR gegen de Ligt war vertretbar, war doch kein weiterer Verteidiger der Niederlande mehr in unmittelbarer Nähe und hätte Schick vom Abschluss abhalten können.

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