EM

Kylian Mbappe wird Frankreichs tragischer Held bei der EM 2021: Der Unglücksrabe des Turniers

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Kylian Mbappe verschießt für Frankreich im Achtelfinale der EM 2021 den entscheidenden Strafstoß im Elfmeterschießen gegen die Schweiz. Der PSG-Stürmer wurde nicht nur dadurch zum Sinnbild des überraschend ausgeschiedenen Weltmeisters.

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Es sind schon einige sehr schöne, auch zahlreiche kuriose Treffer sowie etliche Eigentore bei dieser Europameisterschaft zu bestaunen gewesen. Die Frage nach dem möglichen Tor des Turniers wird freilich immer subjektiv bleiben. Noch sind ja ohnehin genügend Partien zu absolvieren, um sie bei der EM-Ausgabe 2021 final zu beantworten.

Zweifelsfrei herausragend gut gemacht und wunderschön vollstreckt hatte auch bereits Kylian Mbappe - gleich in der ersten Begegnung Frankreichs in München gegen Deutschland. Es wäre das 2:0 für den Weltmeister gewesen, der die Partie am Ende auch so über die Zeit brachte. Doch Mbappe stand bei seinem technisch traumhaft ausgeführten Schlenzer von links in die lange Ecke, der Ball drehte sich dabei gerade noch rechtzeitig vor dem rechten Pfosten ins Tor, ein paar Zentimeter im Abseits.

Es wäre ein wenig überraschender Auftakt gewesen, wenn Mbappe im ersten EM-Spiel gleich getroffen hätte. Nun aber, nach dem sensationellen Ausscheiden der Equipe tricolore im Elfmeterschießen gegen die Schweiz, wird der Stürmer von Paris Saint-Germain gemessen an seinem überbordenden Talent als größter Unglücksrabe in die Geschichte dieses paneuropäischen Turniers eingehen. Das Abseitstor gegen das DFB-Team war letztlich nur das erste unglückliche Kapitel.

Mbappe schoss in den vier Partien Frankreichs insgesamt 14 Mal aufs Tor, mehr als jeder andere Spieler ohne Torerfolg bei diesem Turnier. Gegen Ungarn und Portugal legte er jeweils einen Treffer vor. Doch Mbappe erzielte eben keine eigene Bude und vergeigte mehrfach und untypisch für ihn sehr gute Gelegenheiten. Das ist für einen Angreifer seines Kalibers schlicht ein gewichtiges Manko.

Mbappe bei der EM: Zwischen Durchschnitt und Weltklasse

Auch im Achtelfinale machte der 22-Jährige eine unglückliche Figur, bereits bevor er den entscheidenden Strafstoß im Elfmeterschießen verschoss. In der 56. Minute hatte er den Ausgleich auf dem Fuß, nach 110 Minuten muss er für Frankreich das 4:3 schießen. Mbappes Auftritt gegen die Schweiz versinnbildlichte somit gewissermaßen den Auftritt Frankreichs bei dieser EM: So wie die Weltklasse der französischen Spieler phasenweise immer wieder aufblitzte - siehe den mit fußballerisch überragenden Aktionen zelebrierten Doppelschlag zur 2:1-Führung -, so wechselte sie sich mit biederem Durchschnitt ab.

Die Leistungen von Mbappe und Frankreichs gesamter Mannschaft changierten zu sehr zwischen den bisweilen grandiosen individuellen Einzelaktionen der von den Spielern her am besten besetzten Truppe des Turniers und der vermeintlichen Unlust, die simplen Grundtugenden des Fußball auf den Platz zu bringen. Das gemeinsame Verteidigen, das aggressive Anlaufen des Gegners, das Bekämpfen bekannter Probleme wie der Schwächen bei Flanken von außen - all das bot Frankreich ebenfalls in steter Regelmäßigkeit.

"Niemand kann sauer auf ihn sein. Wenn man die Verantwortung übernimmt, kann das passieren. Er ist unglaublich traurig", sagte Didier Deschamps über Mbappe. Auch der Trainer der Les Bleus wirkte teilweise passiv.

Seine Umstellung auf eine Dreierkette ging in der ersten Halbzeit völlig in die Hose, auch ein intensives Coaching von außen war trotz der mäßigen Leistung seines Teams nicht zu sehen. Welchen Einfluss der Bericht der L'Equipe auf die Darbietungen hatte, wonach Deschamps gemeinsam mit seinem Trainerteam während des Turniers gegen schlechte Schlafrhythmen seiner Stars ankämpfen musste, da diese sich die Nächte mit Netflix und Videospielen um die Ohren geschlagen haben sollen, wird vorerst ungewiss bleiben - es würde aber irgendwie in das diffuse Bild des Teams bei dieser EM passen.

Vergab in der Verlängerung die große Chance auf das 4:3: Frankreichs Kylian Mbappe.
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Vergab in der Verlängerung die große Chance auf das 4:3: Frankreichs Kylian Mbappe.

Kylian Mbappe nach Frankreichs Aus: "Ich habe versagt"

Der Weltmeister ist nun tief gefallen, die Kritik in der mit der Nationalelf nicht zimperlichen Heimat dürfte noch einige Zeit nachhallen. "Von so weit oben abgestürzt" titelte die L'Equipe bereits kurz nach Schlusspfiff. Mbappe wird im Sturm der Entrüstung gewiss eines der zentralen Gesichter sein, an diesem Rückschlag in seiner ansonsten fast ausnahmslos erfolgreichen Karriere dürfte er zu knabbern haben.

"Die Traurigkeit ist groß. Es tut mir leid für diesen Elfmeter. Ich wollte dem Team helfen, aber ich habe versagt", schrieb Mbappe nach dem Spiel in den sozialen Medien. "Es wird schwer sein zu schlafen, aber das sind leider die Risiken dieses Sports, den ich so sehr liebe. Ich weiß, dass ihr, die Fans, enttäuscht seid, aber ich möchte euch trotzdem für eure Unterstützung danken und dafür, dass ihr immer an uns geglaubt habt. Das Wichtigste wird sein, noch stärker für die kommenden Herausforderungen aufzustehen."

Sobald Mbappe die Enttäuschung verarbeitet hat, bietet sich für ihn jedoch auch die Chance, an der wohl bittersten Episode seiner bisherigen Laufbahn weiter zu wachsen. Angesichts der Vielzahl seiner starken Auftritte in diesem immer noch relativ jungen Alter verbietet sich zu harsche Kritik - es war diesmal einfach nicht sein Turnier.