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EM 2021: Spanien gegen die Slowakei mit “dem Strick um den Hals”: Ein Hauch von 2010

Von Daniel Nutz
Alvaro Morata steht nach seiner Torflaute in der Kritik.
© getty

Sergio Busquets dürfte die Situation bekannt vorkommen. Der Rückkehrer, ja der Hoffnungsträger bei der spanischen Nationalmannschaft, soll nach seiner überstandenen Corona-Infektion als Kapitän vorangehen und der Furia Roja gegen die Slowakei Struktur verleihen, damit die Titelträume nicht bereits nach der Gruppenphase begraben werden müssen.

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Für Busquets ein Deja-vu. Beim WM-Triumph von 2010 stand Spanien nach zwei Spielen ebenfalls bereits mit dem Rücken zur Wand oder hatte "den Strick um den Hals", wie es der slowakische Abwehr-Routinier Tomas Hubocan etwas martialisch ausdrückte.

Damals schaffte der spätere Titelträger im Alles-oder-Nichts-Spiel gegen Chile einen knappen Erfolg, überstand als Top-Favorit die Gruppe doch noch und war ab diesem Moment mit seiner goldenen Generation nicht mehr aufzuhalten. Gegen die Slowakei ist die Ausgangslage nach zwei Remis zum Auftakt ähnlich: Nur ein Sieg bedeutet ein sicheres Weiterkommen, bei einem weiteren Unentschieden droht bereits das Aus.

"Es ist eine ähnliche Spannung", gab Busquets zu. "Damals waren wir allerdings weit weg von Zuhause, nur unter uns. Beim Spiel selbst dürfte es aber vergleichbar werden." Damit spielte er auf einen Punkt an, der durchaus Gewicht hat: Die Heimspiele bei der EM helfen den Spaniern bislang nämlich nur bedingt, da sich bei der in den letzten Jahren verwöhnten Fußballnation Pessimismus ausgebreitet hat - und die Spieler und Trainer diesen deutlich zu spüren bekommen.

Pfiffe im Stadion, vernichtende Kritiken in den Medien und starke Zweifel an Trainer Luis Enrique sind hier exemplarisch zu nennen. Dieser brachte sich schon vor dem Turnier in die Bredouille, als in seinem Aufgebot kein einziger Spieler von Real Madrid - der langjährige Barca-Kapitän Enrique wird trotz seiner Spielervergangenheit bei den Königlichen immer wieder als Anti-Madridista bezeichnet - zu finden war.

Alvaro Morata steht nach seiner Torflaute in der Kritik.
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Alvaro Morata steht nach seiner Torflaute in der Kritik.

Spanien: Note 6 für Luis Enrique

Das und die mäßigen Leistungen in den ersten beiden Spielen bescherten ihm in einer Umfrage der in Madrid ansässigen Sportzeitung Marca nach dem 1:1 gegen Polen in einer Leserumfrage die Note 6 von zwischenzeitlich 88 Prozent (!) der Teilnehmer.

Der in die Schusslinie geratene Enrique selbst gibt sich weiter optimistisch, spricht auf Pressekonferenzen eher von einer Vertragsverlängerung als von Rücktritt und wartet lediglich darauf, bis in der Offensive der Knoten platzt. "Es ist wie eine Flasche Cava [Schaumwein; d. Red.], die wir nur entkorken müssen, und wenn wir das schaffen, wird die beste Version von uns zum Vorschein kommen", erklärte er.

Doch auch personell sorgt Enrique mit seinen Entscheidungen immer wieder für Verwunderung. "Chancentod" Morata, der von den eigenen Fans bereits Pfiffe abbekam, stärkte er nach dem 0:0 gegen Schweden den Rücken - immerhin zahlte dieser das Vertrauen des Trainers mit einem Treffer gegen Polen zurück, ohne jedoch spielerisch zu überzeugen.

Auch dass der ehemalige Bayern-Stratege Thiago vom FC Liverpool erst auf magere 24 Einsatzminuten kommt, sorgt im Land für Verwunderung. Stattdessen setzte er bislang auf den unerfahrenen Pedri, ein 18-jähriges Talent von Barca, wie sollte es auch anders sein. Auch die Rufe der Anhänger nach Adama Traore von den Wolverhampton Wanderers, der noch gar nicht zum Einsatz kam, wurden bislang nicht erhört. Zumindest Thiago könnte sich gegen die Slowaken dann doch endlich in der Startformation wiederfinden.

Spanien: Mannschaft steht hinter dem Trainer

Die spanischen Spieler stehen allem Anschein nach dennoch weiterhin hinter ihrem Trainer. "Der Coach ist seit Tag eins unser Anführer, die Mannschaft setzt seine Vorstellungen von Fußball um", sagte Innenverteidiger Pau Torres im Gespräch mit SPOX und Goal . "Wir alle sind überzeugt davon und wissen, dass diese Spielweise zu den nötigen Ergebnissen führen wird."

Enrique zeige sich genauso positiv wie zu Beginn der Endrunde, so Torres weiter. "Er ist mit noch mehr Leidenschaft dabei und will unbedingt den ersten Sieg", fügte er an und entgegnete auf die Frage nach möglichen Zweifeln am Chefanweiser: "Nein, nein, das ist keineswegs der Fall!"

Trotz all der negativen Grundstimmung um die eigene Nationalmannschaft hat Spanien alles in der eigenen Hand und steht mit einem Sieg in der K.-o.-Phase, in der erfahrungsgemäß die Karten sowieso neu gemischt werden. Fällt die Last erst einmal von den Schultern, können Busquets, Morata und Co. vielleicht endlich als der (Mit-)Favorit auftreten, als der sie spätestens nach dem 6:0 gegen Deutschland im vergangenen November galten.

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