EM

Gescheitert, unauffällig, unerwünscht

Von Andreas Inama
Ein alter Bekannter und die Newcomer Graziano Pelle, Eder, Emmanule Giaccherini (v.l.)
© getty

Als Antonio Conte seinen Kader bekanntgab, war der Aufschrei groß. Nachdem Marco Verratti und Claudio Marchisio verletzungsbedingt ausfielen, nominierte der Trainer viele Spieler, die im Ausland nur wenige kannten. Emanuele Giaccherini, Eder, Graziano Pelle, Marco Parolo und Mattia De Sciglio - gescheitert, unauffällig oder unerwünscht. Und doch auf bestem Wege, Helden zu werden.

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Emanuele Giaccherini (31 Jahre, AFC Sunderland/Bologna FC, Mittelfeld/Sturm)

"Wir haben gezeigt, dass wir eine Mannschaft mit Eiern sind." Ein Satz, den man so im Italienischen immer wieder findet. Aber ein Satz, den man sich im Kreise der Squadra Azzurra eher von extrovertierten und in ihrem Umgang lockeren Spielern wie Gianluigi Buffon oder Giorgio Chiellini erwartet.

Im italienischen Fernsehen solche Worte von sich zu geben, setzt eine gewisse Kaltschnäuzigkeit voraus. Diese Kaltschnäuzigkeit, dieses Selbstvertrauen hat sich der sonst so schüchterne Emanuele Giaccherini in den ersten beiden Spielen der EM geholt, bei denen er zusammen mit Daniele De Rossi und Marco Parolo die Belgier und die Schweden mit seiner aggressiven Art und seiner taktischen Disziplin im Mittelfeld zur Verzweiflung gebracht hat.

Tippe gegen die SPOX-Redakteure!

Giaccherini gilt in Italien als Wühler. Technisch zwar nicht unbedingt untalentiert, aber auch nicht stark genug, um als großer "Fantasista" durchzugehen. Besonders bei Conte aber kommt seine wohl wichtigste Fähigkeit zum Tragen und sichert ihm so die Gunst des Trainers: Giaccherini ist ein unermüdlicher Kämpfer, der nach 90 Minuten noch instinktiv weiterlaufen würde, gäbe es keinen Schlusspfiff. Und genau das erwartet der Trainer. Giaccherini ist erster Verteidiger und erster Angreifer zugleich.

Dabei ist es eine riesige Überraschung, das "Giak" überhaupt dabei sein darf. Doch er gilt als der Protege des Trainers. Obwohl Giaccherini in Italien kaum noch für Aufmerksamkeit sorgte, weil er beim AFC Sunderland in England andauernd verletzt war, setzte Antonio Conte auf ihn.

Verletzungen sind ein Muster, die seine Karriere geprägt haben: Als 15-Jähriger kommt es zum Zusammenstoß mit einem Torwart, Giaccherinis Milz ist kaputt, das Karriereende nah. Doch Giaccherini kämpft sich zurück. In der Saison 2006/07 der nächste Schock: Der heute 31-Jährige spielt gerade bei Bellaria Igea Marina, eine Verletzung bedeutet das Saisonende. Giaccherini geht in die Fabrik arbeiten und denkt darüber nach, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen.

Doch der 1,67-Meter-Mann kämpft sich zurück. Er wird einer der Stars der Überraschungsmannschaft aus Cesena, die 2010 in die Serie A aufsteigt und 2011 sensationell die Klasse halten kann. Dann folgt der Wechsel zu Juventus, wo Giaccherini unter - wie sollte es anders sein - Conte zwei Meistertitel feiert.

Obwohl er genug Gründe hätte, dieses neuerlangte Selbstvertrauen immer wieder zu demonstrieren, bleibt der kleine Mann aus Talla in der Toskana am Boden, denn "ich bin ein einfacher Junge, der das Glück hat, Fußball spielen zu können. Aber ich habe auch in der Fabrik geschuftet - darauf bin ich stolz."