EM

Borat hat keine Ahnung

Von Fatih Demireli
Kasachstan hat in drei Quali-Spielen zur Euro 2012 noch kein Tor erzielt und steht ohne Punkt da
© Imago

Die deutsche Nationalmannschaft bereist beim vierten Quali-Spiel zur Euro 2012 das neuntgrößte Land der Welt. Viele Informationen über Kasachstan hat man aber hierzulande nicht. Auch ein Kinofilm hat nicht unbedingt für Weiterbildung gesorgt. Groß rausbringen will sein Land dagegen der mächtige Staatspräsident - und fängt mit der Hauptstadt an. Zwei Deutsche sind mitten im Getümmel.

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Zugegeben, auch in Zeiten von Wikipedia und Extremgooglen hält sich das Wissen über Kasachstan hierzulande in Grenzen. Joachim Löw wird seine Nationalspieler vor dem Gastspiel in der kasachischen Hauptstadt Astana sicherlich mit reichlich Infomaterial, bereitgestellt von Chefspion Urs Siegenthaler, versorgen.

Aber darüber hinaus sind die Informationen über das Land Kasachstan rar gesät. Wer sich mit dem Kino-Hit Borat weiterbilden möchte, macht möglicherweise einen Fehler.

Produzent, Autor und Hauptdarsteller Sacha Baron Cohen drehte den "Dokumentarfilm", der die angebliche Aufgabe hatte, "Kulturelle Lernung von Amerika um Benefiz für glorreiche Nation von Kasachstan zu machen", nicht einmal in Kasachstan, sondern in Rumänien.

Beschwerde bei Bush

Die verdrehte Darstellungsweise des Landes sorgte sogar für diplomatische Spannungen zwischen den USA und Kasachstan. Präsident Nursultan Nasarbajew beschwerte sich damals höchstpersönlich bei seinem Amtskollegen George W. Bush, weil Nasarbajew die Ehre seines Landes gekränkt sah.

Ganz unrecht hatte der Kasache nicht: Kasachstan wurde in dem Film als Land der Prostitution, Waffenschieberei und der Diskriminierung von Randgruppen "vorgestellt".

Die pure Satire, die den Film begleitete, gefiel in Kasachstan freilich nicht. Glücklicherweise glaubten aber nur die wenigsten daran, dass an der Leinwand das "wahre" Kasachstan zu sehen ist. Aber außergewöhnlich ist das neuntgrößte Land der Erde allemal.

Dass Präsident Nasarbajew kürzlich zum "Führer der Nation" ernannt wurde, sich damit lebenslange Immunität und Schutz gegen öffentliche Kritik gesichert hat, offenbart eine von vielen Gesichtern Kasachstans.

Skandal gegen die Türken

Weil Nasarbajew im August 2010 kurzfristig seinen Besuch für das Qualifikationsspiel gegen die Türkei angekündigt hatte, verstärkten die Sicherheitsbehörden kurzerhand alle Kontrollen in der Astana Arena, bestellten das Militär zur Verstärkung ein. Die türkischen Fußballer um Hamit Altintop wurden einzeln und ausdauernd gefilzt.

Trainer Guus Hiddink, der die Aktion verhindern und seine Spieler wie ein Bodyguard schützen wollte, bekam große Probleme mit der Polizei. Sogar Verbandspräsident Mahmut Özgener musste einschreiten.

Die türkischen Medien berichteten im Anschluss von einem großen Skandal, da selbst den Journalisten nur nach übertriebenen Kontrollen Einlass gewährt wurde. Auch die Organisation verlief nicht nach Plan. Der Staatssender "TRT" meisterte die Übertragung aus dem gar nicht soweit entfernten Kasachstan nur mit viel Mühe und einigen Komplikationen.

Um organisatorische Probleme zu vermeiden, hat der DFB einige Tage vor dem Gastspiel der deutschen Mannschaft eine Delegation nach Zentralasien geschickt

Prächtige Bauten in der neuen Haupstadt

Die Verbandsfunktionäre werden in Astana, das wenig überraschend 1998 von Nasarbajew zur Hauptstadt ernannt wurde, zumindest eine richtig schicke Arena vorfinden, die den internationalen Standards mehr als gerecht wird.

Zur Eröffnung der 30.000-Mann-Arena, die ein Cabriodach wie das Schalke-Stadion hat, wurden unter anderem Star-Schiedsrichter Pierluigi Collina und die türkische Stürmerlegende Hakan Sükür eingeladen, um am symbolischen Eröffnungsspiel teilzunehmen.

Die Astana Arena ist nicht das einzige Schmuckkästchen der Stadt. Womit wir bei einem anderen Gesicht Kasachstans wären.  Das Stadtbild Astanas prägen prächtige Bauten, kolossale Einkaufsmärkte, Wolkenkratzer, die an New York erinnern und ultramoderne Sportplätze. "Jeder, der uns das erste Mal besucht, ist zunächst mal grenzenlos erstaunt von dem, was er hier vorfindet", sagt Holger Fach im "kicker".

Das Ziel: Zwei Millionen Einwohner

Der Ex-Bundesliga-Trainer von Borussia Mönchengladbach und VfL Wolfsburg ist seit 2009 Trainer von Lokomotive Astana. Fach, in Deutschland als Trainer nur bedingt erfolgreich, macht in Kasachstan Karriere, baut mit Assistent Sascha Franz eine schlagfertige Truppe zusammen, die dem Serienmeister Aktobe Konkurrenz machen soll.

Astana, was übersetzt einfach nur "Hauptstadt" bedeutet, soll spätestens 2030 zwei Millionen Einwohner haben (aktuell 700.000) und als Aushängeschild Kasachstans dienen.

"Hier leben Diplomaten, Wirtschaftsmanager und Regierungsangestellte, denen es auch finanziell gut geht", sagt Kasachstans Nationaltrainer Bernd Storck.

Als Aushängeschild ganz Kasachstans dient Astana heute aber nicht - und wohl auch nicht in 20 Jahren. "Astana hat mit der Realität der normalen Kasachen wenig zu tun. Die Menschen hier sind sehr gastfreundlich und äußerst charmant", so Storck weiter. Borat hatte da eine ganz andere Idee, aber der hat ja keine Ahnung.

Der Fußball in Kasachstan im Profil